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VdM
nmz-archiv
nmz 2008/07 | Seite 31
57. Jahrgang | Juli/Aug.
Verband deutscher Musikschulen
Musikschulen als Kern der kulturellen Infrastruktur
Bundesversammlung und Hauptarbeitstagung des Verbandes deutscher
Musikschulen in Limburg
Jedes Jahr lädt der Verband deutscher Musikschulen (VdM)
seine Mitglieder zur Bundesversammlung ein. Alle zwei Jahre gibt
diese als Hauptarbeitstagung – im Wechsel mit den Musikschulkongressen – Impulse
für die Zielgruppen der Musikschulträger und Musikschulleiterinnen
und -leiter.
Nach der beeindruckenden und schwungvollen musikalischen Begrüßung
des Celloensembles der Musikschule Schöneck-Nidderauf „Cellyptica“ eröffnete
der VdM-Vorsitzende Winfried Richter am 30. Mai die zweitägige
Bundesversammlung und Hauptarbeitstagung in der Josef-Kohlmaier-Halle
in Limburg. Zuvor hatten bereits der Bundesvorstand und der Erweiterte
Bundesvorstand mit den Vorsitzenden der Landesverbände der
Musikschulen getagt.
Die 1. Stadträtin der Stadt Limburg, Babette Täpper,
hieß die Musikschulvertreter in Limburg willkommen und hob
in Ihrem Grußwort den Stellenwert der Musikschule für
ihre Stadt hervor.
Die Bedeutung der öffentlichen Musikschulen war auch Inhalt
des Impulsreferates zu Beginn der Tagung, das der Kulturdezernent
des Deutschen Städtetages (DST), Klaus Hebborn, über „Die
Musikschule in der kommunalen Bildungslandschaft“ hielt.
Ausgehend von der sich im Wandel begriffenen Bildungslandschaft
in Deutschland ging Hebborn der Frage nach, welche Rolle die kommunalen
Musikschulen in der kommunalen Bildungslandschaft derzeit spiele,
in Zukunft spielen solle und welche Implikationen sich daraus für
das Profil der Musikschulen ergeben. Dabei wies er auf den zum
Teil erheblichen Reformbedarf des deutschen Bildungssystems im
Hinblick auf demokratische Teilhabe und Chancengleichheit hin.
Ausgangspunkt für eine zukunftsfähige Schul- und Bildungsentwicklung
sowie Qualitätsverbesserung, an dem sich Erfolg oder Misserfolg
von Bildung entscheide, sei die kommunale Ebene. Dabei reiche das
duale kulturelle Bildungssystem mit den Elementen außerschulische
und schulische kulturelle Bildung in seiner reinen Form, mit der
Ausrichtung der Musikschulen als Einrichtungen der Städte,
die freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben erledigen, nicht mehr
aus. Hebborn begründete dies: „Es wird sowohl von Wissenschaftsseite
als auch von den Fachverbänden der Schul-, Kultur- und Sozialpädagogik
vorgeschlagen, den Schulalltag und die Betreuung in den Kitas stärker
zu rhythmisieren und praktische Kreativitätsentwicklung zu
befördern.
Dazu muss Fachkompetenz in den Schulen und Kitas vorhanden sein.
Es geht also um integrierte Konzepte. Wenn sich aber die Musikschulen
von einer reinen außerschulischen Angebotseinrichtung weiter
entwickeln zu Einrichtungen, die zusätzlich Leistungen für
integrierte Bildungskonzepte erbringen, so hat das weitreichende
Konsequenzen. Diese reichen von der Definition notwendiger und
sinnvoller Lerninhalte bis hin zur Lösung von Organisations-
und Finanzierungsfragen sowie der Klärung des rechtlichen
Status.“
Die Kooperationen der Musikschulen mit Kitas und allgemein bildenden
Schulen seien Entwicklungen, die der Deutsche Städtetag sowohl
aus kulturpolitischer als auch aus schulpädagogischer Sicht
begrüße. „Bildung ist mehr als Schule!“,
betonte Hebborn, „Kognitives, soziales und emotionales Lernen
müssen miteinander verbunden werden“. Wenn die Leistungen
der Musikschule als integraler Teil der schulischen Bildung und
der Kindertageseinrichtungen betrachtet würden und damit auch
dem Gleichheitsgrundsatz der Angebote der allgemein bildenden Schulen
oder der Angebote in Kindertagesstätten unterworfen wären,
würden die Leistungen der Musikschulen dort auch ein Stück
weit aus dem Status der Freiwilligkeit herausgebracht. Voraussetzung
hierfür seien jedoch auf Landesebene festgelegte Curricula
und eine entsprechende Finanzierung der Angebote durch die Länder. „Mir
erscheint es notwendig, das Verhältnis von schulischem Bildungsauftrag
und dem außerschulischen Ansatz der Musikschulen sowohl hinsichtlich
der Inhalte als auch der Organisation, der Finanzierung und unter
dem Gesichtspunkt von Rechtsfragen neu zu bestimmen und auszutarieren“,
sagte Hebborn und bot dem VdM an, in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe
mit Mitgliedern des Kulturausschusses des DST das Positionspapier „Die
Musikschule“ des kommunalen Spitzenverbandes zu überarbeiten.
Er empfahl ebenfalls, das einschlägige KGSt-Gutachten einer
Revision zu unterziehen. „Die Städte brauchen die kommunalen
Musikschulen als Ort der Kunst, als Ort der Kultur, als Ort der
Begegnung, auch als Ort der Praktizierung von kultureller Vielfalt
insbesondere in den Großstädten. Und eben auch als ganz
wichtigen Bestandteil bei der Schaffung von kommunalen Bildungslandschaften“,
unterstrich Hebborn.
Helga Boldt, Mitglied der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des
Deutschen Bundestages, hob in ihrem Vortrag über den Schlussbericht
und die Arbeit der Enquete-Kommission ebenfalls den hohen Stellenwert
der öffentlichen Musikschulen für die kulturelle Bildung
und die kulturelle Infrastruktur in Deutschland hervor. Die Bestandsaufnahme
habe ergeben, dass kein anderer Bereich der öffentlich verantworteten
kulturellen Bildung, bezogen auf die Zielgruppe Kinder und Jugendlicher,
so verbindlich, inhaltlich strukturiert und so genau dokumentiert
sei, sowohl quantitativ als auch qualitativ, wie die öffentlichen
Musikschulen. „Fraktionsübergreifend wurde unisono hervorgehoben,
dass die inhaltliche und strukturelle Qualität der Musikschulen
den wesentlichen musikalischen Kern der kulturellen Bildung bildet
und flächendeckend gestärkt werden sollte“, bekräftigte
Helga Boldt. Musik sei in hohem Maße milieuprägend und
gleichzeitig milieuübergreifend. „Deshalb ist die öffentliche
Musikschule der Referenzraum für interkulturelles und intergeneratives
Lernen, eben nicht sozialpädagogisch oder kompensatorisch
motiviert, sondern weil es der Sache selbst, der Musik, eigen ist.“ Es
gebe eigentlich auch „kein inhaltliches Argument, die öffentlichen
Musikschulen personell, finanziell, räumlich schlechter auszustatten
als allgemein bildende Schulen, insbesondere dann nicht, wenn sie
zunehmend integraler Bestandteil der Ganztagsschule werden. Die
Stärke der Musikschulen liegt in der bundesweiten Vernetzung,
die sich inhaltlich und qualitativ ausweist.“ Musikschulgesetze
in den Ländern zu erarbeiten sei daher auch ein langfristiges
Ziel. Im Hinblick auf den Mangel an musikpädagogischer Professionalität
in Kita und Grundschule und der Bedeutung musikbetonter Bildung
und Erziehung, sollten die öffentlichen Musikschulen immer
wieder selbstbewusst auf der eigenen Professionalität bestehen.
Thema waren hierbei auch die musikalischen Bildungsoffensiven
in Deutschland wie etwa „Jedem Kind ein Instrument“, „Jedem
Kind seine Stimme“ in Münster und Neuss oder das Monheimer
Modell „MoMo“. Hierzu verabschiedete die Bundesversammlung
die „Limburger Erklärung“, in der sie für
seriöse Konzepte plädiert und die Stärkung der Infrastruktur
der öffentlichen Musikschulen fordert (siehe unten).
In der sich am 31. Mai anschließenden Hauptarbeitstagung
wurden des Weiteren die Themen „Musik im 3. Lebensabschnitt“, „Musikschulen
und interkultureller Dialog“ sowie „Musikalische Bildung
von Anfang an“, „Perspektiven der Elternarbeit an Musikschulen“ und „Musikschulen
und Neue Medien“ vertieft. Einen
Bericht hierzu von Andreas Kolb lesen Sie auf Seite 16.
Claudia Wanner
Limburger Erklärung des Verbandes deutscher Musikschulen
(VdM)
Der Verband deutscher Musikschulen plädiert für seriöse
Konzepte bei musikalischen Bildungsoffensiven und fordert die
Stärkung der Infrastruktur der öffentlichen Musikschulen:
In ihrer am 30. Mai verabschiedeten „Limburger Erklärung“ fordert
die Bundesversammlung des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM)
die Politik auf, notwendige Voraussetzungen und Bedingungen für
eine qualitativ angemessene und zugangsoffene musikalische Bildung
in ganz Deutschland zu schaffen.
Neue und viel versprechende Konzepte zur Verstärkung von
musikalischer Bildung in Deutschland weisen in den Ländern
unterschiedliche Ansätze und Ziele auf. Der VdM sieht in
diesen musikalischen Bildungsoffensiven neue Chancen, breite
Bevölkerungsgruppen mit einem qualitativ akzeptablen Einstiegsangebot
musikalischer Bildung zu erreichen. Voraussetzung ist dabei,
dass die Konzepte den erforderlichen Anforderungen an Qualität,
Nachhaltigkeit, Übertragbarkeit und Zugangsoffenheit genügen.
Für die anspruchsvollen Aufgaben, die ein solches zugangsoffenes
musikalisches Bildungsangebot mit sich bringt, sind die öffentlichen
Musikschulen wichtigster und originärer Partner. Durch weitsichtige
Planung müssen dabei auch die notwendigen Perspektiven der
weiteren musikalischen Ausbildung im Anschluss an dieses Einstiegsangebot
berücksichtigt werden – von der Talentförderung
bis hin zur musikalischen Leistungsspitze. Angesichts dieser
Aufgabenstellung fordert der VdM in seiner „Limburger Erklärung“ die
Länder und Kommunen auf, die Infrastruktur der öffentlichen
Musikschulen zu sichern und zu entwickeln. Hierzu bedarf es gesetzlicher
Regelungen und einer angemessenen Förderung der öffentlichen
Musikschulen durch Länder und Kommunen, um den Zugang für
Kinder und Jugendliche aus allen Schichten zu ermöglichen.
Dies empfiehlt auch die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des
Deutschen Bundestages. Ebenso gehört der Erhalt und der
Ausbau von qualifizierten Arbeitsverhältnissen für
Musikschullehrkräfte zur Sicherung der Infrastruktur der öffentlichen
Musikschulen.
Der VdM appelliert in seiner „Limburger Erklärung“ des
Weiteren, die Ausbildung an den Hochschulen und Universitäten
auf die neuen Erfordernisse des Berufslebens auszurichten. Dies
setzt vor allem eine Verstärkung der musikpädagogischen
Studiengänge voraus und erfordert damit auch definitiv eigenständige
Zugangsmöglichkeiten für das musikpädagogische
Studium.
Im Hinblick auf die musikalischen Bildungsoffensiven betonte
der VdM-Vorsitzende Winfried Richter: „Der VdM sieht die
Politik in der Verantwortung für eine umfassende Förderung
der öffentlichen Musikschulen zur Entwicklung nachhaltiger
Strukturen für diesen zugangsoffenen Bildungsansatz. Denn
diese dient als Investition in die nahe Zukunft eines Bildungs-
und Kulturstaates, in dem die Entwicklung der Zivilgesellschaft
wesentlich durch kreative und kulturelle Kompetenz bestimmt wird“.