1998
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Cluster
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Einheitskultur? |
Die deutsche Kulturpolitik befindet sich im Aufruhr. Kurz
vor seinem Ausscheiden aus dem Amt regte Werner Knopp, der langjährige Präsident der
Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Konstruktion einer zentralen Nationalstiftung an.
Knopp hat dabei vor allem die Berliner Situation im Blick: die Vereinigten Staatlichen
Sammlungen, die großen Theater und Opernhäuser der Bundeshauptstadt erforderten
finanzielle Anstrengungen, für die der festgeschriebene Haushalt der Stadt und der
föderale Verteilerschlüssel nicht ausreichten. Wenn sich die nach der Bundesverfassung
für Kultur zuständigen Länder nicht stärker engagierten, werde die zentrale Stiftung
unabdingbar. Bei der Größe der Aufgabe würde diese Stiftung zwangsläufig die Gründung
eines Bundeskultusministeriums nach sich ziehen. Dieses wiederum aber würde sicher
weitere Zuständigkeiten für sich reklamieren. Damit wäre die Verfassungsfrage gestellt.
Soll, darf man das Grundgesetz mit der darin festgeschriebenen Zuständigkeit der Länder
für die Kultur ändern? Drohte dann nicht ein gefährlicher Zentralismus? Gäbe es
überhaupt Vorteile? Erste heftige Kritik regte sich. Die Länder wirken in ihrem kulturellen Schlaf aufgestört. Dabei haben sie in der Vergangenheit schon manches dem Bund überlassen: Bundeskunsthalle in Bonn, Historische Museen in Bonn und Berlin, die Deutsche Bibliothek in Frankfurt am Main. Der Bund finanziert erheblich Berliner Opernhäuser, Theater und das Philharmonische Orchester. Er unterhält über das Außenministerium die Goethe-Institute in aller Welt. Die Beispiele ließen sich vermehren. Auch der Deutsche Musikrat erhält Geld aus Bonn. Das Prinzip: Kultur ist Ländersache ist also schon vielfach durchbrochen. Ist das so schlimm? Droht deshalb der Staatsverfall? Die Lage verlangt vielmehr Augenmaß, kritisches Urteil, Sachverstand. Knopp hat Recht: die Berliner Kultursituation überfordert die Länderkompetenz. Berlins Kultur darf aber nicht kaputtgespart werden. Man kann nicht vier Jahrzehnte Frontstadt", Symbol für Freiheit und Kulturschaufenster" predigen und dann das Land Berlin, das ja die Stadt Berlin" ist, kulturell verarmen, ja ausbluten lassen, weil es allein nicht die Kulturlast zu tragen vermag. Die Leidtragenden sind letzten Endes doch nicht Radunski und seine Kollegen, sondern die Berliner Bürger, die in dieser ihrer Stadt gern und mit Liebe zu ihr leben möchten. Ein anderes Thema wären die Goethe-Institute. Wichtig für die geistige und kulturelle Repräsentanz Deutschlands in der Welt, sollten sie nicht länger von Gnade und Wohlwollen eines kulturpolitisch inkompetenten Außenministeriums abhängig sein. Kommen wir zur Musik: die Musikschulen, unverzichtbar für die musische Bildung junger Menschen, die sich für Musik begeistern, sind in den letzten Jahren vielerorts in finanzielle Bedrängnis bis hin zur Einstellung des Lehrbetriebs geraten. Sparbeschlüsse der für die Musikschulen zuständigen Kommunen treffen, wie auch in anderen Fällen, immer die Schwachen, die sich nicht wehren können. Man kann hierbei die Verfassungsfrage auch einmal umgekehrt stellen: die Chancengleicheit, das allgemeine Recht auf Bildung wird durch das zum Teil groteske Niveaugefälle zwischen einzelnen Gemeinden oder Regionen zur Farce degradiert. Das musizierende Kind in Garmisch-Partenkirchen hat zufällig das Glück einer blühenden Landschaft", die Jugendlichen in den immer noch nicht blühenden Landschaften treiben sich derweilen ohne Geige und Klavier auf der Straße herum und jagen Ausländer. Der Kulturföderalismus funktioniert nur zufriedenstellend, wenn alle seine Teile, bei wünschenswerten Unterschieden der landschaftlichen Farben, in etwa die gleiche materielle Leistung beisteuern. Jeder Stadt, jede Region bringt ihre kulturelle Eigenart, ihr spezifisches Temperament in das Ganze ein, das sich deutsches Kulturleben" nennt. Das war und ist (noch) ein reich bestücktes Fundament, das jedoch zunehmend und immer schneller zu bröckeln beginnt. Nicht die Werner Knopps gefährden den Kulturföderalismus der Länder, sondern es sind die Länder selbst und ihre Städte, die in vielen Fällen einen funktionierenden Föderalismus für die Kultur in Frage stellen: durch ihre wachsende kunst-und kulturfeindliche Politik, die in vielen Jahren und Jahrzehnten oft mühsam Errungenes und Gewachsenes einem kurzsichtigen Opportunitätsdenken opfert. Ein Bundeskultusministerium könnte zumindest als Schutzwall gegen solche Tendenzen funktionieren. Auf jeden Fall wäre es das kleinste Übel. Gerhard Rohde |
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