1998
|
|
Berichte
|
Schönes Dauerflimmern
Orchesterwerk von Tobias PM Schneid in Berlin uraufgeführt |
![]() Ihm gelingt das Kunststück, die viel beklagte esoterische Sprödigkeit der Neuen
Musik zu überwinden und ihr eine unmittelbare sinnliche Eingängigkeit zu verschaffen,
ohne sich bei einem wie immer gearteten, etwa aus Einschaltquoten oder Kartenverkäufen
geweissagten Publikumsgeschmack anzubiedern. Zuspruch einer allerdings gewohnt kleinen
Zuhörerschaft erhielt auch die Uraufführung des neuesten Orchesterwerks ...a wild Impressionistisches ist den irisierenden Mischungen aus pastoralen Holzbläsermotiven, kurzen lasziven Trompetenglissandi, zwischen Streichern und Metallschlagzeug wechselnden Flimmerklängen auch durchaus anzuhören. Zuweilen klingt die Sinnlichkeit Franz Schrekers, auch Alban Bergs Ausdrucksspannung in quasi verkleinerter, verspielter Form an. Ein paar Jazz-Effekte der gestopften Tuba oder hektische Marimba-Floskeln kühlen weiter erfrischend ab. Doch auch wenn der junge Komponist die ästhetischen Grabenkämpfe und Materialschlachten um den avanciertesten Entwicklungsstand hinter sich glaubt und aus dem verfügbaren Fundus schöpft der die U-Musik selbstverständlich einschließt , so vermeidet er doch souverän die Gefahr des sattsam Bekannten, des billigen Patchworks aus Cross-over-Flicken ebenso wie der nostalgisch romantisierenden Rückschau. Auch eine Musik über Musik als theoretisierende Beschwörung des glorreich Vergangenen und heute Vergeblichen ist nicht sein Thema: Schneids Sprache ist die der freien Atonalität, erreicht durchaus eine individuell gefaßte Modernität, wenn sie auch nicht neu ist. Erstaunlich ist das schon, wie unverbraucht das klingt, wie wenig assoziationsbeladen. Dennoch, vielleicht will der Komponist mit seinem Streben nach einer möglichst vielfältig schillernden Farbkomposition zu wenig, vielleicht auch zuviel: Die multiperspektivischen Bilder Robert Delauneys um 1917 regten ihn zur Verwendung gleichzeitig ablaufender Zeitschichten an, die komplexe rhythmische Überlagerungen zur Folge haben. Zumindest dem Höreindruck nach waren prägnante rhythmische Strukturen aber kaum auszumachen. Eher entstand der Eindruck einer ständigen unmerklichen Bewegung, deren Ergebnis Stillstand ist, ein Dauerflimmern kleinster Klang- und Farbpartikel, die ständig anders doch immer den gleichen Effekt geben. Das ergibt eher Buntheit als Farbigkeit, die eben doch der aussparenden Kontraste bedarf. Die wenigen ausgedünnten Passagen, in denen die Opulenz zur Ruhe kommt, zeigen hier den Weg. Vielleicht führt der bei etwas mehr Strenge dann auch noch weiter als zu einer nur schönen, gefälligen Musik. Isabel Herzfeld |
Links |
@ leserbrief @ nmz info (internetdienste) und hilfe |
||
@ KIZ, das Kultur-Informations-Zentrum der nmz |
@ aktuelle ausgabe |
@ anzeigenpreise
print |
|
Home |
© copyright 1997 ff. by |
Postanschrift |