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1998
47. Jahrgang
Ausgabe 4
April

© nmz und
autoren 1998

  nmz - neue musikzeitung

Berichte
Seite 40

Autorin:
Isabel Herzfeld

Foto:
Charlotte Oswald

 

Schönes Dauerflimmern

Orchesterwerk von Tobias PM Schneid in Berlin uraufgeführt

SCHNEID.jpg (15488 Byte)Das muß ihm der Neid lassen: Über mangelnde Resonanz kann sich Tobias Schneid wirklich nicht beklagen. Auszeichnung beim Wettbewerb junger Komponisten des WDR, Preise beim Wiener internationalen Kompositionswettbewerb und bei den Musiktagen in Hitzacker, Kompositionsaufträge vom Bayerischen Rundfunk oder der Alten Oper Frankfurt – das ist nur eine kleine Auswahl der Trophäen, mit denen sich der knapp 35jährige schmücken kann.

Ihm gelingt das Kunststück, die viel beklagte esoterische Sprödigkeit der Neuen Musik zu überwinden und ihr eine unmittelbare sinnliche Eingängigkeit zu verschaffen, ohne sich bei einem wie immer gearteten, etwa aus Einschaltquoten oder Kartenverkäufen geweissagten Publikumsgeschmack anzubiedern. Zuspruch einer allerdings gewohnt kleinen Zuhörerschaft erhielt auch die Uraufführung des neuesten Orchesterwerks „...a wild
celebration of colour and rhythm...“ durch das Deutsche Symphonie-Orchester in der Reihe „Musik der Gegenwart“ des Senders Freies Berlin. Unter der umsichtigen Leitung von Bradley Lubman war eine farbig-fesselnde, vor allem instrumentationstechnisch brillante Musik zu hören, deren Spannungsbogen auch bei schein-barer Entwicklungslosigkeit nicht zerbrach. „Daphnis und Chloé“ von Maurice Ravel nennt Schneid als das Schlüsselerlebnis, das die Klangfarbe in den Mittelpunkt seines Kompositionsinteresses rückte.

„Impressionistisches“ ist den irisierenden Mischungen aus pastoralen Holzbläsermotiven, kurzen lasziven Trompetenglissandi, zwischen Streichern und Metallschlagzeug wechselnden Flimmerklängen auch durchaus anzuhören. Zuweilen klingt die Sinnlichkeit Franz Schrekers, auch Alban Bergs Ausdrucksspannung in quasi verkleinerter, verspielter Form an. Ein paar Jazz-Effekte der gestopften Tuba oder hektische Marimba-Floskeln kühlen weiter erfrischend ab. Doch auch wenn der junge Komponist die „ästhetischen Grabenkämpfe“ und „Materialschlachten“ um den avanciertesten Entwicklungsstand hinter sich glaubt und aus dem verfügbaren Fundus schöpft – der die „U“-Musik selbstverständlich einschließt –, so vermeidet er doch souverän die Gefahr des sattsam Bekannten, des billigen Patchworks aus Cross-over-Flicken ebenso wie der nostalgisch romantisierenden Rückschau. Auch eine „Musik über Musik“ als theoretisierende Beschwörung des glorreich Vergangenen und heute Vergeblichen ist nicht sein Thema: Schneids Sprache ist die der freien Atonalität, erreicht durchaus eine individuell gefaßte Modernität, wenn sie auch nicht „neu“ ist. Erstaunlich ist das schon, wie unverbraucht das klingt, wie wenig assoziationsbeladen.

Dennoch, vielleicht will der Komponist mit seinem Streben nach einer „möglichst vielfältig schillernden“ Farbkomposition zu wenig, vielleicht auch zuviel: Die multiperspektivischen Bilder Robert Delauneys um 1917 regten ihn zur Verwendung gleichzeitig ablaufender Zeitschichten an, die komplexe rhythmische Überlagerungen zur Folge haben. Zumindest dem Höreindruck nach waren prägnante rhythmische Strukturen aber kaum auszumachen. Eher entstand der Eindruck einer ständigen unmerklichen Bewegung, deren Ergebnis Stillstand ist, ein Dauerflimmern kleinster Klang- und Farbpartikel, die ständig anders doch immer den gleichen Effekt geben. Das ergibt eher Buntheit als Farbigkeit, die eben doch der aussparenden Kontraste bedarf. Die wenigen ausgedünnten Passagen, in denen die Opulenz zur Ruhe kommt, zeigen hier den Weg. Vielleicht führt der bei etwas mehr Strenge dann auch noch weiter als zu einer „nur schönen“, gefälligen Musik.

Isabel Herzfeld

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