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1998
47. Jahrgang
Ausgabe 4
April

© nmz und
autoren 1998

  nmz - neue musikzeitung

Berichte
Seite 32

Autorin:
Susanne Schmerda

 

Wiederentdeckung eines großen Unbekannten

Joseph Martin Kraus im Münchner Prinzregententheater

Nicht immer ist die Musikgeschichte gerecht, vielleicht auch überfordert, wenn es eine Musik betrifft, die singulär dasteht, sich jeder befriedigenden stilistischen Klassifizierung entzieht und doch immer wieder an Mozart, Haydn und Gluck gemessen wird – all dies trifft zu auf Joseph Martin Kraus. Einer Art Wiedergutmachung und Wiederentdeckung kam also jenes ambitionierte, vom „Internationalen Theaterforum“ konzipierte und im Münchner Prinzregententheater durchgeführte Kraus-Projekt gleich, das den lang vernachlässigten Komponisten vorstellte: mit Liedmatinée, Photodokumentation, Vortrag und Sinfoniekonzert mit dem „Concerto Köln“.

Er galt als „schwedischer Mozart“und als „Originalgenie“, genoß die Anerkennung von Gluck und Haydn ebenso wie die seines Dienstherrn König Gustav III. von Schweden. Joseph Martin Kraus, 1756 in Miltenberg am Untermain geboren, 1792 in Stockholm gestorben – die Geschichte eines universal gebildeten deutschen Musikers, der sein Vaterland verläßt, um in der Fremde sein Glück zu machen; der im Jesuitengymnasium zu Mannheim erste musikalische Unterweisung erhält, in Göttingen als Jura-Student die emphatische Dichtung des Hainbundes miterlebt und in Stockholm als Hofkapellmeister das Konzert- und Theaterleben gestaltet. Lange verkannt und vergessen, war seine Musik verstreut, Notenausgaben existierten nicht. Wenige nur haben sich auf Spurensuche begeben und ihn wiederentdeckt: seine Sinfonien schon vor sieben Jahren die Musiker des „Concerto Köln“, seine Klavierlieder nun ganz aktuell die junge Pianistin Sylvia Ackermann, die auch verantwortlich war für das musikalische Konzept der Kraus-Veranstaltungen dieses Winters. Viele seiner Lieder hat sie ediert und mit der Altistin Christel Borchers im ausverkauften Gartensaal des Prinzregententheaters erstmals wieder aufgeführt. Balladenhaftes war da zu hören, beispielsweise im früh entstandenen „Der Abschied“ auf eigenen Text, neben schlichten Strophen- und anrührenden Wiegenliedern. Kühne melodramatische Deklamation und Odenformen neben Singspielliedern und Arien im Seria-Stil – das Lied als hübsche Gefälligkeit oder als packendes Miniatur-Drama.

 

Groß ist die stilistische Vielfalt, erstaunlich kosmopolitisch die Textwahl: deutsch, französisch, italienisch oder schwedisch, darunter Dichter wie Matthias Claudius, Klopstock oder Metastasio. Mit dieser Bandbreite erweist sich der Liedkomponist Joseph Martin Kraus als wichtiges Bindeglied zwischen der Berliner Liederschule eines Reichardt und dem Liedschaffen Mozarts und Schuberts.

Beim sinfonischen Abschlußkonzert des Kraus-Projektes mit dem „Concerto Köln“ bestätigte sich dagegen die traurige Rezeptionsgeschichte, nur lückenhaft gefüllt war das Prinzregententheater. So recht getraut hatte man wohl nicht der Kraft dieses Unbekannten, der in seinem kurzen Leben nicht weniger als zehn Sinfonien und zehn Streichquartette, 50 Klavierlieder, Kirchenmusik, Opern, Kantaten, Violin- und Klaviermusik geschaffen hat. Und: dessen weite biographisch-musikalische Reise vom verspielten deutschen Rokoko über die heftigen, dynamisch-harmonischen Kontraste des musikalischen Sturm und Drang bis zur abgeklärt-pathetischen Sprache seines Vorbilds Gluck ging, gepflegt im fernen Schweden. All dies war im fulminanten Spiel und in packend-lebendiger Interpretation des „Concerto Köln“ zu erleben.

Joseph Martin Kraus – ein verkanntes Originalgenie? Einer, der nach anderen Wegen suchte, dem die Berührung mit der Mannheimer Schule, Göttinger Hainbund und dem musikalischen „Sturm und Drang“ nicht genug sein konnte? Der so gar nicht in die musikalische Vorgabe der allgegenwärtigen Wiener Klassik passen wollte und sich nach vierjähriger Europa-Reise ganz der „goldenen Gustavianischen Opernära“ widmete, wie es der große Kraus-Kenner Hans Åstrand in seinem lebendigen Vortrag hervorhob. Gedankt hat ihm die Nachwelt seine stilistische Eigenständigkeit jedenfalls nicht.

Für Kraus’ Grabstein-Inschrift zumindest auf der Halbinsel Tivoli im Norden Stockholms fand man noch würdigende Worte: „Hier liegt das Irdische von Kraus – das Himmlische lebt in seinen Tönen“. Ach, wenn es doch so wäre!

Susanne Schmerda

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