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1998
47. Jahrgang
Ausgabe 4
April

© nmz und
autoren 1998

  nmz - neue musikzeitung

Dossier
Musik im Internet
Seite 46

Autor:
Andreas Heck

 

Vom Wissenschaftsnetz zur Müllhalde

Kommunikative Defizite, rechtliche Beschränkungen · Ein Einspruch

Schöne bunte Welt! Das Internet bleibt in den Schlagzeilen, die Zuwachsraten und die diesbezüglichen Prognosen für die kommenden Jahre erscheinen utopisch. Der Markt boomt wie kein anderer, und jeder möchte hinein – hinein in eine globalisierte Welt voller bunter Symbole und zappelnder Bildchen.

Bleibt die Frage: Welcher Nutzen kann daraus gezogen werden? Ist das Internet nur das Unterhaltungsmedium der 90er für eine immer isolierter vor sich hin lebende Gemeinde von Namenlosen oder nichts weiter als ein neues Markt-segment, um mit geringen Kosten auf einfachstem Wege Waren zu verkaufen?

Nachdem vor vielen Jahren das Netz spielsüchtigen Waffenschwingern abgerungen werden konnte, um die erstaunlichen Kommunikationsmöglichkeiten für Wissenschaft, Universitäten und Institute nutzbar zu machen, hatte man nur kurze Zeit darauf die Federführung bereits wieder aus den Händen geben müssen. Durch Publikationen der Computerfachpresse neugierig geworden, machte sich der „gemeine Mob“ auf, virtuelle Welten zu erschließen, die kein Mensch zuvor gesehen hatte. Old Shatterhand im World Wide Web. Dies brachte förmlich eine Schwemme neuer Angebote hervor: Von Bildersammlungen des letzten Angelausflugs über die ersten Meisterwerke der dreijährigen Tochter bis hin zu extrem anregenden Auflistungen der Lieblingshorrorfilme.

Nun könnte man einwenden: jedem das seine. Problematisch geraten hier jedoch die Suchmaschinen, jene heiliggesprochenen Utilities, die es dem Anwender ermöglichen, gesuchte Informationen schnellstmöglich ausfindig zu machen. Durch das in den letzten sechs Jahren entstandene Überangebot sieht der Suchende nun die Information vor lauter Unnützem nicht mehr. Wissenschaftliches und künstlerisches Arbeiten unter Zuhilfenahme der Informationen im Internet ist nur noch schwer möglich. Läßt man eine solche Maschine etwa nach einem eher allgemeinen Begriff wie „Mozart“ suchen, stößt man allein in Deutschland auf an die hunderttausend mögliche Quellen. Nichts im Kröpfchen, alles im Töpfchen?

Alles ist nichts...

Dabei wären die Möglichkeiten für Forschung, Bildung und Kreative geradezu kolossal. Der ursprüngliche Geist, Informationen weltweit für jedermann jederzeit kostenlos verfügbar zu machen, könnte ein nie dagewesenes Arbeiten und Kommunizieren ermöglichen. Abgesehen vom Wegfall der Distanz und der Schnelligkeit kommen moderne Technologien hinzu, wie der Chat, Newsgroups oder elektronische Post, die zudem auch noch Kosten reduzieren helfen.

Was für die Wissenschaft die Information, ist für den Künstler die Kommunikation im Netz. Gleichzeitiges Experimentieren an einem Objekt mehrerer, voneinander räumlich getrennter Künstler ist mit einfachsten Mitteln realisierbar. Was Sting seinerzeit mit dem Projekt „One World – One Voice“ unter großem Aufwand realisieren konnte, wäre für Künstler mit Zugang zum Netz einfach. Warum wird es nicht genutzt? Man stelle sich vor: Lachenmann und Ligeti klicken, getrennt durch Hunderte von Kilometern, wild mit ihrer Mouse in einer virtuellen Percussion-Software herum, um dem anderen ein rhythmisches Problem zu verdeutlichen, und lassen parallel im Chat eifernd Belehrungen auf den Kollegen los. So könnte es sein, technisch wären wir längst so weit – davon sind die Musik und auch die Kunst im allgemeinen so weit entfernt wie einst Urvater Zuse vom Flugsimulator.

„Kopf hoch“, tönen die Utopisten und Idealisten und schlagen das Einrichten von virtuellen Wissenschafts- und Künstlernetzen vor. Sozusagen ein Netz im Netz. Jeder ernsthaft an Informationen Interessierte könnte dann beispielsweise auf die Angebote von Universitäten zugreifen, um „direkt an der Quelle“ fündig zu werden.

Auch diesmal macht die Kommerzialisierung es unmöglich, solche Projekte zu realisieren. Denn wo bleiben da die Urheberrechte? Stellte in den „guten alten Zeiten“ jeder gerne seine Erkenntnisse und Arbeiten im Internet aus, wurden diese nun flugs wieder entfernt, nachdem mittlerweile Millionen in der Lage sind, gleichzeitig darauf zuzugreifen. Welches Interesse gäbe es denn noch, eine Publikation käuflich zu erwerben, wenn man sie in Sekunden am Bildschirm des heimischen Rechners greifbar haben kann? Die GEMA tritt auf den Plan und verlangt Bezahlung für das Bereitstellen von Tonbeispielen – selbst minderer Qualität und in einer Länge von nur wenigen Sekunden, die, so sollte man jedenfalls annehmen, wohl kaum kommerziell ausgeschlachtet werden können.

...aber nichts ist noch weniger

Von seiten der Wissenschaft kommt nichts, Künstler finden sich im Netz kaum ein. Die Informationen kommen von den „Laien“. Datenbanken, die für Musiker, Pädagogen und Wissenschaftler so wichtig wären, gibt es daher wohl. Doch diese von Liebhabern erstellten Angebote sind in aller Regel nicht nur extrem lückenhaft, sondern vielmehr aufgrund des Kenntnisstandes der „Macher“ kaum nutzbar. Was nützen Informationen über einen Kom-ponisten auf einer privaten Home-page, wenn nicht ersichtlich ist, auf welche Quellen sich die Angaben stützen? Das Problem, warum es noch sehr spärlich Künstler ins WWW verschlägt, um ihre Arbeit anderen zugänglich und transparent zu machen, ist oftmals ein rein technisches Problem. Nicht jeder Komponist ist gleichzeitig ein Computercrack, der Zeit und Lust hat, in mühseliger Kleinstarbeit HTML-Seiten zu programmieren oder Werke über MIDI einzuspielen. Diese Arbeit den dafür kompetenten Leuten zu übergeben – und Web-Designer gibt es mittlerweile haufenweise – ist zu kostspielig (in wohl kaum einer anderen Branche werden für Techniker so hohe Stundenlöhne bezahlt).

Neue Standards, neue Filter

Also: Idee begraben und weitermachen wie früher? Mitnichten! Der Schlag gegen Kommerz und Stumpfsinn muß erfolgen. Raffiniertere Sicherheitssoftware könnte an Instituten eingesetzt werden, um nur denen kostenlosen Zugriff auf die Informationen zu ermöglichen, die es auch angeht (wenn da mal nicht die Demokratie der Bildung flötengeht).

Auf einer Konferenz in den USA, an der auch die Internetgiganten Microsoft, Netscape, Sun und Apple beteiligt waren, wurde ein neuer Standard vorgestellt: XML. Mit dieser neuen Programmierung halten genaue Quellenangaben Einzug in die sonst undurchsichtigen Seitencodes. Angaben zu Autor, Herkunft, Inhalt und Erscheinungsdatum in den Dokumenten werden in nächster Zukunft in die Suchmaschinen übernommen, damit ein weitaus genaueres Eingrenzen der gewünschten Information möglich wird.

Inzwischen gibt es immer häufiger Internetangebote wie Arcana-Net, die Künstlern (oft kostenlos) einen Zugang zur virtuellen Welt ermöglichen. Sicher wird eine enge Zusammenarbeit zwischen Musikern/Computerlaien und Musiklaien/Computerfreaks nicht ausbleiben dürfen. Und vielleicht gelingt es auch, Profilneurotiker und Staubsaugervertreter zukünftig von modernen Arbeitsmitteln wie Newsgroup und Mailing List durch raffinierte Filter der modernen Software vom Kommunikationsprozeß fernzuhalten, damit nicht Wissenschaft und Kunst die einzigen bleiben, die den Aufsprung auf den multimedialen Schnellzug nicht geschafft haben.

Andreas Heck

 

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