1998
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Dossier
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Komponierhäusl der nmz treibt voran
Neue Musik, diesmal nicht aus Donaueschingen |
Seit Januar 1998 gibt es
offiziell das Komponierhäusl der
neuen musikzeitung. Verbunden damit war der Aufruf, selbst zur Software zu greifen und
einem aleatorischen Musikgenerator einfacher Bauweise interessante Werke zu
entlocken. Dahinter stand weniger die Idee, nachzuweisen, ob man vermittels
ausgeklügelter Algorithmen dem Zufall ein Schnippchen zu schlagen in der Lage wäre,
sondern die recht einfache und präzise Forderung der Entwicklung eigener Kreativität. Mittlerweile sind im Komponierhäusl zehn Kompositionen gelandet, die allesamt von einem mehr oder weniger spielerischen Umgang mit der Technik zeugen. Da gibt es ein kurzes Stück, das zum Beispiel Elemente des Jazz zitiert (Hoppel-Poppel von Theo Geißler) und die groß angelegte quasi tonmalerisch organisierte Fantasie Falkland-Impressionen von Brutus Blümlein eine ausufernd dramatische Komposition, die ob ihrer politischen Aussage ihresgleichen in der gegenwärtigen neuen Musik sucht. Von Andreas Heck stammen die feinsinnig-subtile Schlagzeug-Komposition Jam und die ideologiekritische Annäherung an Zufallstheoreme und quantenmechanische Postulate der modernen Atomphysik Ausgetrixst (ich sage nur: Unschärferelation) einer desolaten Beschwörung der C-Dur-Seligkeit. Auf das Feld der konstruktiven Unüppigkeit wagt sich Reinhard Schulzens Garden: Die Trockenheit der Anlage mit ihren aparten Angriffen auf die Hörüblichkeiten der neuen Musik verleidet zwar jeglichen Hörgenuß. Doch hat man jemals so wunderbare Übergänge von Gitarre zu Akkordeon gehört? Martin Hufners Gift No. 2 greift immerhin ein historisches Werk aus dem Jahr 1997 dem Eislerjahr vor. Markante Akkordschläge umflirrt von durchtriebenen Passagen der Celesta sowie eine unendliche Vielfalt der rhythmischen Verschachtelungen geben diesem Werk eine ganz besondere Würze. Und wer denkt nicht an Schuberts Leiermann, wenn gegen Ende eine einsame Stimme tonlos das Nichts beschwört. IdiotMZ, Nomen est Omen, von M. Zwenzner lebt ganz von seiner raffinierten Behandlung der Woodblocks, deren parataktische Reihung den realen Nihilismus musikalisch in Noten faßt. Die tiefe Trauer des Werkes wird gedämpft allein durch die pure Faktizität ihrer Existenz. Barbara Hufners Whisky-Whiskey, eines der kürzesten Werke im Komponierhäusl, schafft in der Tat den Rösselsprung zwischen pädagogischer und neuer Musik, dabei durchaus den Groove der Country-Music streifend, wie er im mittleren Südwesten der USA bekannt ist. Die Frage: Who shot Liberty Valance läßt dieses Werk ebenso unbeantwortet wie jedes dem Mythos sich nähernde Werk der Musikgeschichte. Absolutely Unfulfilled Love ein weiteres Werk von Brutus Blümlein ist allein zu respektieren ob seines Insichkreisens des musikalischen Gedankens. Es zitiert, wenngleich instrumentell, den großen Schumannschen Liederzyklus Dichterliebe, faßt ihn zusammen in wenige Takte vollster Hohlheit. Außerhalb der Wertung läuft Jörg Hilberts Pasacaglia (sic!), woran man sehen kann, daß der Weg vom Graphiker zum Komponisten doch ein sehr, sehr weiter ist. Gewiß, Tonleitern hört man, doch die harmonische Balance wird an keiner Stelle nur irgend gewahrt, und die popeligen Perkussionseffekte leiern einem vielleicht ein Grinsen übers Gesicht aber mehr? Ein Preis konnte bisher noch nicht verliehen werden. Die Jury fand keine Einigkeit. Man erwartet weitere Werke und verlängert daher die Wettbewerbsfrist bis zum 15. Juni. huflaikhan |
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