1998
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Dossier
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Breite und Vielfalt als Teil der Gesamtkultur
Das Deutsche Musikinformationszentrum aus der Sicht des Beratungsausschusses |
Die Einrichtung und der Aufbau
des Deutschen Musikinformationszentrums wurde von einem Beratungsausschuß geplant,
koordiniert und überprüft. Anläßlich der Eröffnung des Deutschen
Musikinformationszentrums beim Deutschen Musikrat in Bonn am 26.2.1998 sprach der
Vorsitzende des Beratungsausschusses, Joachim-Felix Leonhard, zu den anwesenden Gästen.
Auszüge aus dieser Ansprache hat Hans Peter Pairott zusammengestellt. Musik, die Kunst der Musen, beschäftigt uns heute in vielfacher Hinsicht. Musik ist Klang, der uns über das Ohr erreicht, damit übrigens über ein Sinnesorgan, das in unserer visualisierten Zeichenwelt weniger Bedeutung hat, möglicherweise auch hatte, weil ihm neuerdings wieder neue Bedeutung zukommt. Musik ist aber auch ebenso Kunst, die sich in vielfacher Hinsicht in kulturellem Ausdruck unseres Lebens darbietet. Nicht selten begegnen wir der Musik aber in ihrer Kompositaform, wonach in verschiedenen Richtungen durchdekliniert und konjugiert werden mag: In Gestalt der Musikerziehung, der Musikwissenschaft, der Musikwirtschaft und nicht zuletzt der Musikkultur, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Lassen Sie mich ein paar wenige Gedanken zur Musikkultur sagen. Bei letzterer nämlich sind Fragezeichen an die Wand gemalt, wenn es um die Beziehung der Zeit, genauer: unserer Zeit zu unserer Kultur und unserem entsprechenden Verständnis geht. Vielfach erörtern wir in Deutschland unsere Zukunft unter der Bestimmung von Standorten, genauer gesagt: des Standortes Deutschland. Wir verkürzen dabei die Bedeutung, indem wir Standortperspektiven allzuschnell auf Wirtschaftsfragen verengen und dabei den Blickwinkel unnötig und früh verkürzen, wenn es um wesentliche Dinge geht. Mensch und Gesellschaft sind aber nicht einzig allein auf Wirtschaftsfaktoren zu reduzieren, wenngleich Mensch und Arbeit Teile der Produktion und des Marktes sind. Aber: Viel zu wenig denken wir an Kultur, wenn es um Zukunftsplanung in der Gegenwart geht, deren Vergangenheit uns Tradition ist. So wie wir die Natur, auch die stärkere Besinnung auf dieselbe wieder brauchen, so benötigen wir die Kultur, um so mehr in einer Zeit allzu rationalistischer Organisationsabläufe, die uns sonst zu rastlosem Stillstand führen mag. Es geht um nichts mehr und nichts weniger als auch um den Kulturstandort Deutschland, den es zu wahren und auszubauen gilt Anlässe für Freude der Bestimmung von Kulturstandorten gab es in letzter Zeit weniger, heute aber ist ein solcher Tag: es ist ein Tag kultureller Standortbestimmung, wenn, zumal im Bonner Haus der Kultur, vom Deutschen Musikrat das Deutsche Musikinformationszentrum als überregionales kooperatives Unternehmen vieler Beteiligter eröffnet wird. Ein solcher Tag erinnert den Mediävisten auch an die Zeiten, als im Mittelalter die Musik Teil der sieben freien Künste, der artes liberales, war und die Musik gemeinsam mit der Arithmetik, der Geometrie und der Astronomie das Quadrivium bildete. Diesem Quadrivium gesellte sich im übrigen als Trivium die Rhetorik, Grammatik und Dialektik hinzu. Was ist damit gesagt? Eigentlich nicht mehr, als daß im Mittelalter Zusammengehörigkeit, auch heute Kohärenz und Konvergenz, nicht nur die Musik bestimmen, sondern auch die Organisation und die Zusammen-führung, das heißt Bündelung verschiedener Aktivitäten, wie sie beim Bau des Deutschen Musikinformationszentrums Idee und Unterstützung der Handelnden darstellen. So ist zunächst einmal für Initiative, vor allem aber für finanzielle Unterstützung zu danken, wobei dieser Dank gleich an mehrere geht: Da ist der Deutsche Musikrat, der sich a priori der Förderung und Begleitung des Musiklebens in unserem föderal gegliederten Lande verpflichtet fühlt; da ist vor allem die Bundesregierung, die eigentlich gemäß Grundgesetz Zurückhaltung üben muß, wenn es um Kulturfragen geht: es sei denn, die Länder erwarteten Geld, und zwar dann gleich möglichst in einer Art kulturellen Länderfinanzausgleichs (man fragt sich: warum eigentlich nicht, wenn es so gute Beispiele wie das heute zu eröffnende Deutsche Musikinformationszentrum gibt!). Es ist gut, daß in unserem föderalen System, das auf den kulturellen Polyzentren unseres Landes aufbaut, die Bundesregierung Förderung bei Gemeinschaftsaufgaben übernommen hat, sei es im Gesamtverständis von Finanzierung, sei es im Sinne der Zuwendung oder Anschubfinanzierung. Es ist gut, daß die Bundesregierung damit auch den Bonnern, das heißt der Stadt Bonn, kulturpolitischen Trost spendet und eben Kultur auch an anderen Stätten und in anderen Städten fördert und nicht etwa Kulturförderung nun einzig und allein metropolitisch nach Berlin verlagert. Da ist auch die Stadt Bonn, die sich engagiert im Selbstverständnis der Gastgeberschaft gezeigt hat, als es um Förderung und Beteiligung beim Aufbau des Deutschen Musikinformationszentrums ging. Die Reihe der beteiligten Förderer ist damit keineswegs abgeschlossen: Die Kulturstiftung der Deutschen Bank hat sich ebenso engagiert der Sache zugewendet wie die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL). Alle haben, so unterschiedlich ihre Ausgangspositionen waren, zusammengewirkt. So gilt der Dank des Beratungsausschusses der Initialzündung und Bereitschaft, sich finanziell zu engagieren. Mit der Grundentscheidung der Beteiligten, auch mit den Unterstützungsentscheidungen, war freilich die Arbeit für den Beratungsausschuß eröffnet, ohne daß dies etwa einen kurzfristigen Effekt einer, wie man heute so schön sagt, Arbeitsbeschaffungsmaßnahme haben mochte. Engagement war gefragt bei denen, die in unserem Lande irgendwie mit Musik in ihren Deklinationsformen und Kompositabteilungen zu tun haben und sich im Beratungsausschuß wiederfanden. Nicht wird es mir allein so gegangen sein, als meine Sekretärin eines Tages mir den Hinweis gab, es habe einen Anruf aus Bonn gegeben, ob ich bereit sein wolle, beim Beratungsausschuß zum Aufbau des Deutschen Musikinformationszentrums mitzuwirken. Um es klar zu sagen: wir haben sofort ja gesagt, und wir, das sind gleichzeitig auch die Institute, für die wir stehen und Verantwortung tragen: die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten, der Deutsche Musikverlegerverband, Herausgeber des Musik Almanachs, die Deutsche Orchestervereinigung, der Gesamtverband Deutscher Musikgeschäfte, die Deutsche Gruppe der Association Internationale des Bibliothèques Musicales, die GEMA, das Internationale Musikinstitut Darmstadt, die Bayerische Musikakademie in Marktoberdorf, das Deutsche Musikarchiv in Berlin und für den Bereich des Rundfunks die Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv Frankfurt am Main Berlin, wahrhaft eine Mélange Speciale, die sich fand, unterschiedlich in ihren Ausgangspositionen, aber vereint oder auch zu vereinend im Ziel: nämlich Gemeinsames zu schaffen, Bestehendes aufeinander zu beziehen, statt Neues wieder unabhängig von bereits Existierendem zu kreieren. Nicht das Rad war neu zu erfinden, sondern Rat zu geben, Vielzahl zusammenzufassen zu Vielfalt, also Quantität in Qualität zu verwandeln eine Aufgabe, nicht unähnlich einer Situation, vor der vor 200 Jahren schon jemand stand, als er in einem Brief vom 9. Dezember 1797 an einen nicht minder berühmten Adressaten äußerte: Vielleicht habe ich in Bibliothekssachen künftig einigen Einfluß, sagen Sie, ob Sie die Idee vortulich halten, mit der ich mich schon lange trage: die hiesige, die Büttnische und akademische Bibliothek virtualiter in ein Corpus zu vereinigen... Bei der jetzigen Einrichtung (Anmerkung: der Streuung ohne Beziehung) gewinnt niemand nichts, manches Geld wird unnütz ausgegeben, manches Gutes stockt...! Es war Goethe, der an Schiller solchermaßen schrieb, als es um die Zusammenführung der Jenaer Bibliotheken als Reformwerk ging. Oft meinen wir heute Virtualität, aktuelle Datenbanken und manches mehr seien eine Erfindung des 20. Jahrhundert, doch hat dies, wie man sieht, begrifflich und auch geistig schon längere Tradition. Die Zielsetzung des miz ist es , offen für alle Interessierten die Vielfalt und Vielgestaltigkeit des Musiklebens in Deutschland widerzuspiegeln als Teil der Gesamtkultur unseres Staates. Vor allem soll der Zugang zu Informationen über das Musikleben erleichtert werden. Letzteres bezieht sich auf die gesamte Breite und Vielfalt, nämlich auf die musikalische Bildung und die Ausbildung bis hin zur Musikförderung, das Laienmusizieren, die professionelle Musikausübung bis zu den Medien und zur Musikwirtschaft. In diesen Bereichen will das miz selbst umfangreiche Informationssammlungen zur Verfügung stellen, durch u u den Aufbau eigener Datenbanken und Informationssysteme, die Bereitstellung von Literatur zum Musikleben, durch die Veröffentlichung gedruckter Publikationen zu aktuellen Fragen unserer Musikkultur. Das miz wird sich auch auf die internationale Ebene begeben. Es steht in Kontakt mit den jeweiligen nationalen Zentren in den europäischen Ländern, die mit unterschiedlichen Schwerpunkten über das Musikleben ihres Landes informieren. Zielgruppe des miz ist die breite musikinteressierte Öffentlichkeit, ebenso aber Fachkreise, Musiker, Musikstudenten, Musik- und Kulturforschung oder zwecks politischer Planung auch die Vertreter der Kulturpolitik. Vom Studienführer bis zum Stipendienverzeichnis über Veranstaltungsprogramme, Ausschreibung empirischer Studien zum Musikleben und Arbeitsmarktanalysen das miz wird eine schon lange beklagte Lücke füllen. Lassen Sie mich zum Schluß zum Mittelalter und der Zuordnung der Musik zu Quadrivium, also zur Arithmetik, Geometrie und zur Astronomie, zurückkehren: Zahlen, hier denke ich an die Arithmetik, müssen berücksichtigt werden, wenn es um Leistungs nachweise, auch um Kosten geht. Das läßt sich sehr gut erreichen, wenn es durch Gemeinschaftseffekte, um die abgegriffene Vokabel Synergieeffekte zu vermeiden, gelingt, so lange wir alle immer dies wollen. Können hat hier wesentlich mit Wollen zu tun. Geometrisch stellt das miz ein System konzentrischer Kreise mit zentripetalen Funktionen, soweit es das Anliefern von Daten angeht, dar. Und doch bilden sich vom Zentrum wiederum Kräfte aus, wenn die Nutzer, was wir alle hoffen, ihre Recherchewünsche wie Steine ins Wasser werfen und von dort aus die Wellen nach vorne gehen, sich möglicherweise zu Bugwellen entwickeln. So soll es sein. Die Astronomie: Digitale, über Satellit gehende Technik, beschert uns heute neue Formen der Kommunikation, läßt die Grenzen von Zeit und Raum überschreiben. |
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