1998
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Dossier
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Unbekannte Gebiete im kulturellen Netz erobern
Fragen zum Musikinformationszentrum an Geschäftsführerin Margot Wallscheid |
Margot Wallscheid ist seit 1996
Geschäftsführerin des Deutschen Musikinformationszentrums. Nach dem Studium der
Musikwissenschaft, Musikpädagogik und Germanistik in Freiburg und Bonn machte sie 1983
ihr Staatsexamen. Bereits seit demselben Jahr ihres Universitätsabschlußes ist sie für
den Deutschen Musikrat tätig, zunächst als Leiterin der Redaktion des Musik-Almanachs
und als Referentin für die AGMM. Das nachfolgende Interview führte Hans Peter Pairott. nmz: Seit wann beschäftigt sich der Deutsche Musikrat mit dem miz? Wallscheid: Die Idee zur Einrichtung eines Deutschen Musikinformationszentrums gibt es bereits seit den 70er Jahren. Damals wurde von verschiedenen Seiten, von den Fachverbänden, aus dem allgemeinen Musikleben, aber auch von seiten der Kulturforschung und Kulturpolitik der Aufbau einer Einrichtung gefordert, die aktuelle Daten zum Musikleben sammelt, aufbereitet und einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Der Deutsche Musikrat hat diese Diskussion aufgegriffen und mit der Herausgabe des Musik-Almanachs im Jahr 1986 erstmals ein umfassendes Nachschlagewerk zum Musikleben in Deutschland publiziert. Die große Anerkennung, die dieses Werk in der Öffentlichkeit gefunden hat, und die Vielzahl der Anfragen, die uns seitdem erreichen, haben uns in unserem Vorhaben zum Aufbau eines Musikinformationszentrums bestärkt. Im Jahr 1990 hat der Deutsche Musikrat ein breit angelegtes, mit den Fachorganisationen und den Landesmusikräten abgestimmtes Konzept zum Aufbau eines Deutschen Musikinformationszentrums vorgelegt. Aufgaben und Funktionen des Zentrums innerhalb der Musikinformationslandschaft wurden darüber hinaus im Rahmen einer Fachtagung mit den großen Musikdokumentationsstellen in Deutsch-land weiter präzisiert und koordiniert. Die Chance zur Realisierung des Projekts in einer Zeit einschneidender Kürzungen in den Kulturetats bot dann im Jahr 1996 der Bonn-Berlin-Ausgleich, aus dem das miz für die ersten fünf Jahre eine Grundfinanzierung erhält. Zusammen mit den Mitteln unserer privaten Förderer, der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) und der Kultur-Stiftung der Deutschen Bank, haben wir damit eine Startbasis, die uns den Aufbau einer ersten Stufe des Zentrums ermöglicht. nmz: Welche konkreten Aufgaben und welche Funktionen hat das miz in der Informationslandschaft der Bundesrepublik Deutschland? Wallscheid: Aufgabe des Deutschen Musikinformationszentrums ist es, über das Musikleben in all seinen Facetten, von der musikalischen Bildung und Ausbildung über das Laienmusizieren, die professionelle Musikausübung und das Veranstaltungswesen bis zu den Medien und zur Musikwirtschaft, zu informieren. Das Zentrum versteht sich als offene, für jedermann zugängliche Informationseinrichtung mit dem Ziel, das Musikleben als Teil unseres kulturellen Lebens transparenter zu machen und die Vermittlung von Musikinformation zu erleichtern und zu fördern. Dabei wollen und können wir keineswegs die bestehenden Bibliotheken, Archive und Spezialinstitute, die in ihren jeweiligen Arbeitsfeldern wichtige Aufgaben wahrnehmen, ersetzen im Gegenteil. Schwerpunkt des Deutschen Musikinformationszentrums ist die Bereitstellung aktueller Informationen zum Musikleben in seiner ganzen Breite und Vielfalt; mit dieser Aufgabenstellung sind wir einzigartig in Deutschland. Die Dokumentation des Konzert- und Musiktheaterlebens, die Zusammenführung von Materialien zur musikalischen Aus- und Fortbildung, die Information über Förderungsmöglichkeiten oder auch die Bereitstellung von Spezialliteratur etwa zu Fragen des Urheber- oder Sozialversicherungsrechts für Musiker sind Aufgaben, die von keiner anderen Stelle in Deutschland wahrgenommen werden. Hier setzt das Deutsche Musikinformationszentrum an, und hier wollen wir in den nächsten Jahren Schritt für Schritt unsere Informationssammlungen aufbauen. Eine zweite wichtige Aufgabenstellung des Zentrums ist darüber hinaus seine Funktion als Informationsleitstelle, als Vermittlungsstelle für Fachfragen, die nur Spezialinstitute beantworten können. In diesem Bereich haben wir bereits heute aufgrund der Arbeit am Musik-Almanach und durch die vielfältigen Verbindungen des Deutschen Musikrats zu allen Feldern des Musiklebens einen guten Überblick, der als Basis für den weiteren Ausbau dienen kann.
Kontakte zur Außenwelt nmz: Wie sind die Kontakte und die Zusammenarbeit mit der IAMIC? Wallscheid: In der IAMIC, der International Association of Music Information Centres, haben sich die Musikinformationszentren von zur Zeit 31 Ländern zusammengeschlossen, von Australien über Frankreich und Großbritannien bis zu den Vereinigten Staaten. Diese Zentren, die auf unterschiedliche Weise und mit je eigenen Schwerpunkten über das Musikleben ihres Landes informieren, stehen untereinander in unmittelbarem Kontakt und Erfahrungsaustausch. Wie groß das Interesse an Informationen zum Musikleben in Deutschland ist, habe ich im letzten Jahr bei der Jahresversammlung der IAMIC erfahren. Von internationaler Seite wird die Einrichtung einer Kontaktstelle, die breit angelegte Information zum Musikleben in Deutschland zur Verfügung stellt, sehr begrüßt. Umgekehrt eröffnen sich uns über den Austausch mit den nationalen Musikinformationszentren, die ja zum Teil bereits seit Jahrzehnten existieren und die über umfangreiche Datensammlungen verfügen, unmittelbare Zugänge zum Musikleben anderer Länder. Die offizielle Aufnahme des Deutschen Musikinformationszentrums in die IAMIC wird bei der Jahresversammlung im September 1998 in Wien erfolgen. nmz: Wo sehen Sie die Schwerpunkte, eher im traditionellen oder im virtuellen Bereich? Wallscheid: Die Entscheidung, ob Angebote des miz elektronisch oder traditionell, also in gedruckter Form, oder auch über beide Medien gleichzeitig angeboten werden, kann letztlich nur in Abhängigkeit von den zu lösenden Aufgaben getroffen werden. Wir haben zum Beispiel im letzten Jahr in Zusammenarbeit mit den großen Veranstaltern ein Informationssystem über Kurse, Seminare, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten entwickelt, das über das Internet einen einfachen, schnellen und inhaltlich breit gefächerten Zugriff auf bundesweite Angebote in diesem zentralen Feld musikalischer Bildung und Ausbildung erlaubt. Ein solches System, beziehungsweise die entsprechenden Informationen können in Buchform, selbst bei intensivster Erschließung über verschiedene Register, nicht annähernd sinnvoll und benutzerfreundlich angeboten werden. Andererseits aber werden wir die geplante Schriftenreihe des miz, die sich aktuellen Themen und Entwicklungen des Musiklebens widmen soll, selbstverständlich in gedruckter Form publizieren. Auch die Bibliothek des miz wird auf unbestimmte Zeit sowohl gedruckte als auch elektronische Publikationen zum Musikleben sammeln und bereitstellen. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, daß Internet-Angebote ja noch nicht allen Interessierten unmittelbar zugänglich sind. Wir sind deshalb immer auch über die traditionellen Informationskanäle Brief, Fax und Telefon und natürlich hier vor Ort in unserer Bibliothek erreichbar und stellen Auswertungen unserer Informationssammlungen auch per Post und Fax zur Verfügung.
Personeller Aufwand nmz: Welcher Personalaufwand ist für eine adäquate Betreuung notwendig? Wallscheid: Um die Kernfunktionen des miz, darunter insbesondere die Bibliothek, die fortlaufende Aktualisierung und Erweiterung der Informationssammlungen, die Bereitstellung der Internet-Angebote, die Herausgabe des Musik-Almanachs und die Serviceaufgaben wahrnehmen zu können, ist ein fester Stab von mindestens sechs Mitarbeitern erforderlich. Dies ist die Minimalausstattung, wenn wir dem Anspruch eines Deutschen Musikinformationszentrums gerecht wer-den wollen. Darüber hinaus gibt es viele Aufgabenbereiche, in denen wir intensiver tätig werden sollten zu nennen wäre hier die zeitgenössische Musik. Dazu benötigen wir zumindest projektweise - zusätzliche Kräfte. In der jetzigen Aufbauphase arbeiten wir mit einem Team von dreieinhalb, zum Teil befristet angestellten Mitarbeitern. Wir hoffen, daß in den nächsten Jahren eine angemessene Personalausstattung erreicht werden kann. nmz: Wie stellt sich die User-Statistik nach drei Wochen miz-Online dar? Wallscheid: Unsere Statistik, die wir seit dem ersten März dieses Jahres, seit der offiziellen Eröffnung des miz führen, weist in den ersten beiden Wochen bereits über 11.000 sogenannte Seitenzugriffe aus; das ist die Anzahl der Seiten, die von den Benutzern aufgerufen wurden. Dies ist für die Startphase ein ungewöhnlich hoher Wert. Die Benutzerzahl dürfte allerdings mit der nun erstmals durchgeführten Öffentlichkeitsarbeit erheblich wachsen und wir sind natürlich auf Rückmeldungen sehr gespannt. nmz: Was ist mittel- und langfristig seitens des Deutschen Musikinformationszentrums geplant? Wallscheid: Es gibt eine Reihe von Vorhaben, deren Realisierung wir für besonders dringlich halten. In der Planungsphase befindet sich eine Schriftenreihe, die aktuelle Fragen und Entwicklungen des Musiklebens aufgreifen, anhand empirisch-statistischen Materials dokumentieren und Perspektiven für kulturpolitisches Handeln aufzeigen soll. Schwerpunkte der ersten Bände werden die Themen Öffentliche Musikfinanzierung, Musikwirtschaft und Musikmarkt sowie Musikberufe sein. Im Zusammenhang mit dieser Reihe soll auch das musikstatistische Datensystem, das im Musik-Almanach bereits in komprimierter Form veröffentlicht ist, weiter ausgebaut und fortgeschrieben werden. Darüber hinaus werden zur Zeit Möglichkeiten der Einbeziehung zeitgenössischer Musik in das Musikinformationszentrum geklärt. Wichtige Anregungen dazu hat eine Sitzung gegeben, die wir im vergangenen Jahr mit Fachexperten zeitgenössischer Musik und mit den Spezialinstituten durchgeführt haben. Wir betrachten es als Aufgabe des Deutschen Informationszentrums, auch in diesem Bereich mittelfristig ein breites Informationsangebot bereitzustellen, das die Leistungen der bestehenden Institute und Dokumentationsstellen im Sinne eines vernetzten Systems mit den Angeboten des miz verbindet. Zahlreiche weitere Themen werden zur Zeit diskutiert oder befinden sich in Planung, darunter auch solche, die den Blick über unsere Grenzen hinweg in den europäischen und internationalen Raum erweitern. Die Kooperation der nationalen Musikinformationszentren eröffnet hier Möglichkeiten der Vernetzung und Integration, die die Möglichkeiten eines einzelnen Zentrums weit überfordern würden, für gemeinsame Projekte jedoch interessante Perspektiven bieten. |
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