1998
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IG-Medien
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Einsparungen durch die KSK in der Kritik
Zur Situation und Zukunft der Musikhochschulen in Baden-Württemberg |
In Baden-Württemberg werden an
den fünf staatlichen Hochschulen für Musik in Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart
und Trossingen derzeit etwa 3.000 Studierende (Orchestermusiker, Privatmusiklehrer,
Dirigenten, Opernsänger, Kirchenmusiker, Schulmusiker) unterrichtet bezogen auf
den prozentualen Anteil der Einwohner des Bundeslandes an der Gesamtbevölkerung der
Bundesrepublik Deutschland zu viele, so die Meinung der Landesregierung. Daher faßte
diese den Entschluß, im Zuge der durch die allgemeine Finanzmisere notwendigen
Sparpolitik auch finanzielle Einschnitte im Bereich der Musikhochschulen vorzunehmen, die
durch Kürzungen in deren Etat den Abbau von Studienplätzen bedingen. Zur Legitimation dieser Maßnahmen setzte die Landesregierung ein Gremium ein, das mit der diffizilen Aufgabe betraut wurde, Vorschläge zu erarbeiten, wie ein konsequenter Sparkurs und eine höhere Effizienz durch Strukturveränderungen im musikalischen Ausbildungssystem zu vereinen seien. Dieser unter der Bezeichnung Kulturstrukturkommission (KSK) zusammengetretene Rat, in den nur ein Fachvertreter der Musikhochschulen, der Präsident des Deutschen Musikrates, Franz Müller-Heuser, berufen war, legte seine Empfehlungen zur künftigen Struktur der Musikhochschulen in Baden-Württemberg der Landesregierung am 2. Oktober 1997 vor. Die darin enthaltenen Vorgaben sind deklariert als Reformvorstellungen, die einer modernen und effektiven musikalischen Ausbildung dienen und zugleich einen wirkungsvollen Einsatz der auch in Zukunft begrenzten öffentlichen Mittel gewährleisten sollen. Betrachtet man jedoch den Inhalt des umfangreichen Papiers in seinen Details, so muß man feststellen, daß es der KSK weniger um innovative Reformen in den Strukturen der Musikhochschulen ging, denn diesbezüglich gibt es nur einige wirklich neue Vorschläge zu Schwerpunktbildungen an den einzelnen Ausbildungsstätten und zur grundlegenden Umorganisation vor allem der künstlerischen Studiengänge, sondern in erster Linie um eine Sache, nämlich um die Umsetzung der von der Landesregierung bereits zuvor angemahnten Einsparungen: Streichung von 26 Professuren und von zusätzlichen Mitteln im Wert von 14 weiteren Personalstellen sowie Abbau von 20 Prozent der Studienplätze gemäß einer Rechnung mit Alibifunktion, in deren Kleingedrucktem das Damoklesschwert prangt: Würde man bei jeder Musikhochschule jeweils ein Fünftel des Etats kürzen, was in der eigenen Machtbefugnis durchaus läge, so hätte man die Finanzmittel für eine ganze Musikhochschule eingespart; weil man jedoch diesen Wert so nicht erreicht, dürfen nun alle Musikhochschulen sich ihres weiteren Fortbestandes freuen und dankbar sein. Daß man dabei das eigene Ansehen mit der unpopulären Schließung einer der Institutionen nicht belasten muß, gilt als positiver Nebeneffekt. Da ein solches Rasenmäherprinzip die Existenzfähigkeit der Musikhochschulen grundsätzlich bedrohen würde, hatten deren Rektoren und Rektorinnen bereits im Vorfeld dem zuständigen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWFK) angeboten, daß man entsprechend der Größe der einzelnen Institute anteilige Kürzungen vornehmen werde, die aber insgesamt den Abbau von 20 Professuren und zusätzlichen Mitteln im Wert von zwölf Stellen sowie 10 Prozent der Studienplätze nicht überschreiten dürften, denn sonst seien die hohen Leistungsstandards in der Ausbildung und somit langfristig die internationale Konkurrenzfähigkeit nicht mehr zu halten; ein Absinken des Niveaus in der musikalischen Ausbildung im Musikland Baden-Württemberg hätte aber für das gesamte regionale Kulturleben katastrophale Folgen, so daß dieses nicht zuletzt auch im europäischen Vergleich zunehmend an Bedeutung verlieren würde. Mit Enttäuschung und Unverständnis reagierten daher die Musikhochschulen auf die auf sie zukommenden Auflagen, zumal ihnen trotz ihrer eingehenden Stellungnahmen überproportional mehr abverlangt wird als den übrigen Hochschulen des Landes, diesen werden zwar gemäß den Saulgauer Beschlüssen ebenfalls hohe Beträge auf dem Personalsektor gestrichen, jedoch davon auf andere Weise zwei Drittel wieder zurückerstattet, was bei den Musikhochschulen nicht vorgesehen ist. Perspektiven für die Zukunft Die Empfehlungen der KSK sollen voraussichtlich im Frühjahr 1998 dem baden-württembergischen Landtag sowie dem Kabinett zur Beratung und Abstimmung vorgelegt werden. Deshalb lud die Fraktion der SPD im Landtag durch Carla Bregenzer, Vorsitzende des Arbeitskreises Wissenschaft, Forschung und Kunst, und Helga Solinger, Kunstpolitische Sprecherin, die Vertreter der Musikhochschulen am 13. Februar 1998 zu einem Informationsgespräch unter dem Motto Die Zukunft der Musikhochschulen in welchen Strukturen, mit welchen Perspektiven? in das Stuttgarter Haus der Abgeordneten ein. In Statements und in der sich anschließenden Diskussion verwiesen die Musikhochschulen auf ihre grundsätzliche Bereitschaft zu Gesprächen über die Reformierung ihrer Strukturen, die jedoch nur dann konstruktiv geführt werden könnten, wenn sie nicht ausschließlich finanziellen Erwägungen unterworfen würden. Am Ende von solchen Auseinandersetzungen müsse als Resultat eine langfristige Planungssicherheit stehen, die erst Möglichkeiten zur Entwicklung zukunftsweisender, die Erfordernisse des kommenden Jahrhunderts gleichsam mitbestimmender und dadurch sinnvoller Konzepte beinhalte. Planungssicherheit sei allein schon deshalb notwendig, da die an den Musikhochschulen derzeit unbesetzten Professuren trotz zum Teil seit Jahren abgeschlossener Bewerbungsverfahren vom MWFK nicht berufen würden, so daß ganze Bereiche einzelner Institute lahmgelegt und die dort Studierenden nur notdürftig mit Unterricht zu versorgen seien. Weiterhin müsse mit Rücksicht auf die großen Ensembles der Musikhochschulen, Chöre und Orchester die Studierendenzahl in etwa erhalten bleiben, da diese nun noch ausgewogen besetzt, bei weniger Studierenden aber in ihrer Sing- und Spielfähigkeit gefährdet seien. Ebenfalls einer extremen Reduzierung der Studierendenzahl widerspreche eine demoskopische Erhebung, die besage, daß in den Jahren von 1998 bis 2008 die Anzahl der Studienbewerber um 25 Prozent ansteigen werde. Einen positiven, weil das gesamte Hochschulklima befruchtenden Aspekt sehen die Musikhochschulen in der vermehrten Bereitstellung von Plätzen für Studierende des Künstlerischen Lehramtes an Gymnasien, wie sie vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport (MKJS) gefordert werden. Am Ende der Aussprache stand als allgemeiner Konsens: Bisher sind die fünf Musikhochschulen in Baden-Württemberg bestens in der Lage, ihren Studierenden mit der Erlangung qualifizierter Abschlüsse Perspektiven für die Zukunft zu eröffnen. Die rabiaten Einsparungen im musikalischen Bildungsbereich aber, wie sie das MWFK unter der Tarnkappe eines mit dem Wortungetüm Kulturstrukturkommission euphemistisch umgeschriebenen Kollegiums mit Bankbeamtenmentalität jedoch vornehmen will, würden geradewegs einen gegenteiligen Effekt bewirken. Michael Gerhard Kaufmann |
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