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1998
47. Jahrgang
Ausgabe 4
April

© nmz und
autoren 1998

  nmz - neue musikzeitung

Jazz & Pop
Seite 33

Autor:
Felix Janosa

 

Der Meister und Stefan haben euch alle so lieb

Die deutsche Grand-Prix-Welt steht Kopf · Stefan Raab besiegelte Ralphs Schicksal

Es war ein gelungener Fernsehabend. Co-Moderatorin Nena schien abgefüllt wie eine Haubitze zu sein, ein griesgrämiger Axel Bulthaupt verwechselte vereinigungswirr „Bremen“ mit „Dresden“, und Guildo Horn, Herrscher im Reich der Nußecken und Pullunder mit V-Ausschnitt, brachte die alte James-Brown-Nummer. Nach einem langsamen Intro riß der von seinen Fans als „Meister“ Verehrte den Umhang vom durchtrainierten Körper und stürzte sich in eine feine Motown-Soul-Parodie, geschrieben nach allen Regeln der Kunst vom Kollegen Stefan Raab (VIVA). Dieser freute sich nach der Veranstaltung sichtlich über den gelungenen Coup: Die kümmerlichen Reste zwischen deutschem Pop und volkstümlicher Unterhaltung waren bei der deutschen Vorentscheidung zum diesjährigen Grand Prix d´Euro-vision in Birmingham hoffnungslos untergegangen. Die besondere Häme der Journalisten traf vor allem den Altmeister des Genres, Ralph Siegel. Zu Recht, denn dessen drei eingereich-ten Beiträge zeugten nur vom vergeblichen Bemühen, den Geist von „Dschinghis Khan“ in die 90er Jahre hinüber zu retten. Die talentfreien und als Tanzaffen dressierten Kunstgruppen Siegels stehen für die ganze Richtung: Echte Umsätze werden mit der Ware Schlager schon lange nicht mehr gemacht. Es gibt zwar immer noch genügend Menschen, die aktuelle deutschsprachige Schlager konsumieren, aber leider nur im Autoradio, am Bügel- oder Arbeitsplatz. Jene Bindung an Schlager-Persönlichkeiten wie Peter Alexander, Freddy Quinn oder Udo Jürgens, die auch den Gang in den Schallplattenladen mit einschloß, ist längst perdu. Das hat zum einen mit Qualität zu tun. Läßt man die dezidiert anglo-amerikanisch orientierte deutsche Rock- und Popmusik außen vor, so ist das traditionelle Schlagerhandwerk seit Ende der 70er Jahre auf den Hund gekommen. Die MIDIfizierung hat die Plastikklänge des Alleinunterhalters am Keyboard zum Standardsound des deutschen Schlagers gemacht.

Auftritt Stefan Raab: Der gelernte Metzger aus Köln hatte immer schon ein besonderes Faible für gut gemachte Fahrstuhlmusik. Nach dem Abschied von Lehre und Jura-Studium versuchte sich der Saxophonist, Gitarrist und Keyboarder als Arrangeur zwischen Jazz und Pop: „Das RIAS-Funky-Team unter Leitung von Stefan Raab“ peppte Jazzklassiker so auf, daß sie auch Gnade vor den Ohren Jugendlicher fanden. Als Gründungsmoderator des Kölner Musikkanals VIVA schlüpfte er dann in die Rolle des Anarchos. Mit einer bis dahin unbekannten Chuzpe zum Aussitzen von fehlendem Konzept und nicht vorhandenen Gags verschreckte er zwar einen guten Teil des kaugummikauenden VIVA-Stammpublikums („Lieber Mola, liebe Heike, ich find die Sendung vom Stefan echt doof.“), machte sich aber durch besonders herzlose Behandlung von Studiogästen schnell einen Namen als oberster TV-Dekonstruktivist: „Wir schneiden nichts raus. Alles was passiert, wird auch gesendet. Und wenn ich in einer Sendung mal scheiße drauf bin, wird eben Kacke gesendet“, erklärt Raab das simple Anti-Konzept seiner Sendung „Vivasion“. Die wöchentliche Plauderstunde auf VIVA bietet ihm seit mehreren Jahren neben dem Erwerb der nötigen Entertainer-Routine auch eine Plattform zur hemmungslosen Promotion eigener Musiktitel per Videoclip: Die Fußball-Verarsche „Böörti, Böörti Vogts“, die aufgefunkte Cover-Version des Jürgen-Drews-Hits „Ein Bett im Kornfeld“, der Sommerhit „Sexy Eis“ mit dem von ihm produzierten Rapper Bürger Lars Dietrich und der Kindersendungs-Hit „Hier kommt die Maus“, jedes Raab-Produkt ist Event-Marketing vom Feinsten. Soviel Dreistigkeit und Bauernschläue stößt zuweilen an die Grenzen des medial Machbaren: Seine böse Parodie „Ich hör so gerne Volksmusik“ bekam Raab anläßlich einer Medienpreis-Verleihung nicht gesendet; bei einem vergleichbarem Anlaß erhielt er sogar von dem häufig in der „Vivasion“-Sendung geschmähten Rödelheim-Rapper Moses Pelheim etwas auf die Nase. Der aktuelle Erfolg wird ihn über den Neid von gewaltbereiten Humorabstinenzlern hinwegtrösten können.

Felix Janosa

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