1998
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Jazz
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Liebe zu dritt mit östlicher Chemie Musical-Uraufführung in Leipzig: Elixier von Tobias Künzel |
Das Musical in
Deutschland boomt, doch deutsche Musicals sind rar. Udo Zimmermann, Intendant der Oper
Leipzig, sieht seine Aufgabe auch in der Präsentation von Neuem: Was gibt es
Nobleres als die Förderung des lebenden Autors. Drei Musical-Aufträge hat die Oper
Leipzig vergeben; einer ging vor ca. zwei Jahren an Tobias Künzel, Mitglied der
A-cappella-Gruppe Die Prinzen. Am Freitag, dem 27. Februar war Premiere in der
Leipziger Musikalischen Komödie. Ob sich der Intendant und das Ensemble mit diesem Stück einen Gefallen getan haben, wird die Zukunft zeigen. Die Uraufführung geriet erwartungsgemäß zum Erfolg kein Wunder, ein Heimspiel für Tobias Künzel, der in seiner Heimatstadt auf Wellen der Sympathie reiten kann. Anlaß zur Diskussion bzw. zur Kritik ist dennoch in reichem Maß gegeben, und das betrifft Libretto, Musik und Inszenierung.
Textautorin Kati Naumann schildert Ost-Befindlichkeiten in der Chemie-Kloake Bitterfeld. Der erste Akt spielt im Jahr 1978: Der junge Chemiker David hat ein Elixier entdeckt, das angeblich zu ewiger Jugend verhelfen soll. Sein Widerpart Hagen veranlaßt ihn zum Selbstversuch, in den auch die von beiden umworbene Tänzerin Betti einbezogen wird. Als Betti von David ein Kind erwartet, zerbricht die Beziehung, das Schicksal nimmt seinen Lauf. Im Vordergrund des Stücks soll der klassische Dreieckskonflikt in der Liebe stehen, ohne den kaum ein Musical auskommt, aber letztlich scheint das detailgetreu inszenierte Umfeld wichtiger: DDR-Reminiszenzen, über die man heute glücklicherweise lächeln kann; Ost-Mentalität und soziale Realität in der Gegenwart: Karrierismus, Stellenabbau, Arbeitskampf, Abtreibung. Der richtige Stoff zur gerade noch rechten Zeit könnte man meinen, aber damit sind der Wirkung des Stücks zugleich auch enge regionale Grenzen gesetzt. Tobias Künzel dürfte im Umgang mit der Poesie seiner Lebensgefährtin Kati Naumann kaum Probleme erfahren haben, denn über den Standard von Prinzen-Texten geht das Niveau in den Songs kaum hinaus: naiv, plakativ, platt andere Attribute lassen sich nicht finden. Seine musikalische Orientierung sucht Künzel anhand der gegebenen Jahreszahlen: Disco Music und DDR-Rock der 70er, Techno und Dancefloor der 90er Jahre, dazu einige Hard-Rock-Elemente und sentimentale Balladen. Die Arrangements stammen von Wolfgang Lenk, ebenfalls Mitglied der Prinzen seine erste Arbeit für großes Orchester. Von größerer klanglicher Präsenz als die von Roland Seiffarth dirigierten klassischen Musiker war jedoch die mit im Orchestergraben plazierte Rockband. Die Technik des Hauses, ursprünglich ein Operetten-Theater, fand hundertprozentige Auslastung hinsichtlich der elektroakustischen Übertragungsmöglichkeiten und des Bühnenbildes. Die drei Hauptdarsteller, die Berlinerin Sandra Baschin, der Hamburger Dirk Darmstaedter und der Leipziger Tobias Künzel, betraten mit Elixier künstlerisches Neuland. Bühnenerfahrung besitzen sie als Sänger, nicht als Schauspieler. Das wurde vor allem in den gesprochenen Passagen spürbar.
Ein letzter Vorwurf trifft das gesamte Produzenten-Team und damit in erster Linie den für Inszenierung und Regie verantwortlichen Horst Königstein: Man hat spürbare Längen (Spieldauer 165 Minuten) nicht verhindert. Intendant Udo Zimmermann hatte dafür bereits bei der vorausgegangenen Pressekonferenz eine Entschuldigung parat: Streichen solle man immer erst, wenn das gesamte Stück auf der Bühne ist und seine Wirkung auf den unvoreingenommenen Zuschauer ausübt. Eine Meinung, die sich schwerlich mittragen läßt, zumal sie davon zeugt, daß man um die Längen gewußt hat. Die Popularität von Prinz Tobias Künzel sorgt sicherlich für ein ausverkauftes Haus in dieser Spielzeit. Ob das Elixier über die Leipziger Aufführungen hinauskommen wird, ist fraglich, vor allem aufgrund des stark regional- und zeitbezogenen Sujets. Kai-Erik Ziegenrücker |
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