1998
|
|
Kulturpolitik
|
Nach traditionsreicher Geschichte kurz vor dem Aus Das Berliner Metropol-Theater wird hundert Jahre alt |
Als am 3. September 1898 das ehemalige Theater unter
den Linden unter dem neuen Namen Metropol-Theater seine Pforten
öffnete, bahnte sich in der deutschen Reichshauptstadt eine neue Epoche in der Geschichte
des deutschen Unterhaltungstheaters an. Der aus Wien stammende neue Direktor Richard
Schultz hatte das Haus mit der erklärten Absicht aufwendig renovieren und umgestalten
lassen, dem allmächtigen Apollo-Theater Konkurrenz zu machen. An dieser
Bühne führte kein geringerer als der Altmeister der Berliner Operette, Paul Lincke,
seine Werke auf. Der risikofreudige Direktor hatte Glück. Das von ihm ersonnene neue
Konzept der Jahresrevuen, die er im Verband mit dem Komponisten Viktor
Hollaender (Vater des Filmkomponisten Friedrich Hollaender) und dem Textdichter Julius
Freund ab 1903 in jährlichem Turnus bis ins Jahr 1912 regelmäßig brachte, setzte sich
durch. Die Premiere im Metropol wurde bald zum gesellschaftlichen Ereignis
allerersten Ranges. Tout Berlin, also jedermann, der auf sich hielt, mußte
dabei sein, wenn sich im September oder Oktober der Vorhang zur neuen Jahresrevue hob und
Stars wie Fritzi Massary, Joseph Giampietro, Guido Thielscher oder Henry Bender in
witzigen kurzen Szenen und Couplets die gesellschaftlichen Ereignisse des vorangegangenen
Jahres Revue passieren ließen. Der erste Weltkrieg setzte dieser ersten Epoche des
Metropol ein kurzfristiges Ende. In den Jahren bis 1933 stand das Theater
unter der Direktion der Brüder Alfred und Fritz Rotter, zu deren Theaterimperium
zeitweilig noch andere große Berliner Häuser, darunter das Große Schauspielhaus,
standen. Das Prinzip der Rotters war einfach. Eine Premiere mußte die vorangegangene an
Pracht und Opulenz übertreffen, ein Konzept, das in den Zeiten der Weltwirtschaftskrise
und auch mehr als sechs Jahrzehnte später nicht aufgehen sollte. Zwischen 1934 und 1944
stand das Metropol unter der Leitung von Heinz Hentschke, dem glanzvolle Premieren wie die
der Maske in Blau (1937) und Hochzeitsnacht im Paradies (1942) zu
danken sind. Nach dem Krieg bis zur Wiedervereinigung war das Metropol das
traditionsreiche Flaggschiff aller DDR-Theater. Trotz eines Haushaltsbudgets von 25
Millionen Mark steht das Theater nun vor dem Konkurs. René Kollo hatte das Theater
hauptsächlich als Forum zur Präsentation seiner Person genutzt, und die festgelegten
Budgets hoffnungslos überzogen. 380 festangestellte Mitarbeiter wollen ernährt werden,
und Sprüche wie Operette kommt von Oper, ein bißchen Opulenz muß halt sein
sind heute ebenso deplaziert wie in Zeiten der deutschen Weltwirtschaftskrise 1929. Ob das
Metropol im September seinen 100. Geburtstag feiern kann, liegt derzeit in den Händen des
Berliner Kultursenators Peter Radunski. Er muß über die ausgeschriebene
Intendantenstelle entscheiden. Jens-Uwe Völmecke |
Links |
@ leserbrief @ nmz info (internetdienste) und hilfe |
||
@ KIZ, das Kultur-Informations-Zentrum der nmz |
@ aktuelle ausgabe |
@ anzeigenpreise
print |
|
Home |
© copyright 1997 ff. by |
Postanschrift |