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1998
47. Jahrgang
Ausgabe 4
April

© nmz und
autoren 1998

  nmz - neue musikzeitung

Leitartikel
Seite 1

Autor:
Felix Maria Roehl

 

Wenn der Rat der Berater Schrottwert hat

Verantwortung tragen die Kulturpolitiker, nicht McKinsey

War es das futuristische Techno-Hämmern aus dem geplanten „Spacepark“? Vielleicht ja auch weißes Rauschen aus dem projektierten „Oceanpark“? Oder haben doch nur die Stadtmusikanten so heftig gelärmt, daß nicht einmal die warnenden Worte der neuen musikzeitung ins ehrwürdige hanseatische Rathaus vordringen konnten?

Mit Bremen jedenfalls hat erstmals eine Großstadt ihre Kultur in toto Privatsierungsexperten überantwortet. Taub und blind vor der doch nun wirklich vielfach erwiesenen frappierenden Ergebnis- und Ausweglosigkeit von Konzeptgutachten, die allen Ernstes große Einsparungspotentiale im Kulturbereich suggerieren, sind die Bremer Kulturverweser nicht nur dem geschniegelten Wortgeklingel aus der Mottenkiste der Betriebswirtschaftslehre erlegen, mit dem die Unternehmensberatungsfirma McKinsey über die Kultureinrichtungen des Stadtstaates hergefallen ist. Mit im Boot, um die Pikanterie noch zu steigern, war auch die gerade erst vor einem Jahr an dieser Stelle im Zusammenhang mit bildungsauftragsfeindlichen Modellen für Musikschulen heftig kritisierte Firma „culturplan“. Wir wissen nicht, welchen Anteil am Honorarkuchen von angeblich 4,5 Millionen Mark die Krefelder Kulturverplaner für den mittlerweile sagenhaften Bremer Kulturvernichtungsgesamtplan einbuchen durften. Vielleicht waren es ja die Kleinstädter, die den Großmogulen der Beratungsszene empfohlen hatten, das Bremer Theater nicht mit der Hamburgischen Staatsoper, sondern besser, weil billiger, mit dem Bielefelder Theater zu vergleichen. Dort freilich wird en suite gespielt, der Maßstab ist allein schon deshalb unzulässig. Eindeutig die Handschrift von „culturplan“ trägt der Vorschlag, die Musikschule zusammen mit der Stadtbibliothek und der Volkshochschule in einen Eigenbetrieb namens „Kulturelle Bildung“ zusammenzuschaufeln und später die Musikschule in einen e.V. aus der öffentlichen Verantwortung in die Privatisierung zu entlassen. Keine Frage, daß das nur mit einer Reduzierung des Angebots und der Erhöhung der Unterrichtsgebühren zu machen sein dürfte.

Die Not ist groß in Bremen. Die Stadt ist so pleite wie ihre Werften, die Kulturpolitik so herzlos wie Metallschrott. Mittlerweile wurden zwar einige der vom Senat im November vergangenen Jahres beschlossenen „Vorschläge“ wieder zurückgenommen. Vor allem die Zusammenfassung aller Theater, Museen und Orchester in eine allein schon von ihrer Bezeichnung her gedankenlose „Kultur GmbH“, Hauptsache haftungsbeschränkt, wurde halbherzig zurückgenommen. Übrig bleibt eine Kulturmanagement GmbH, die die Budgetierung und das „Controlling“ aller Einrichtungen, die ansonsten autonom bleiben dürfen, übernehmen soll: die Quadratur des Kreises also. Warum? Damit der Senat sein Gesicht nicht verliert. Immerhin hatte er McKinsey nicht nur teuer eingekauft, sondern den radikalen Maßnahmen auch zugestimmt. Die laue Begründung des Rückziehers liest sich dann so: „Diese vorgenommene Modifizierung erreicht methodisch gegenüber den Empfehlungen von McKinsey, daß die von den Gutachtern vorgeschlagenen drei Steuerungseinheiten nicht mehr als eigenständige Zuwendungsinstanzen fungieren. Andererseits ist die Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems gesichert bei gleichzeitiger Autonomie der Einrichtungen und ihrer Einbindung in die Kontraktverantwortlichkeit der senatorischen Behörden“.

„Kultur ist schön, macht aber viel Arbeit“, bemerkte einst Karl Valentin. Anstatt mit der Dauerpredigt von Shareholder value reichlich ausgelastete McKinsey-Berater zu beschäftigen, hätten sich die Bremer SPD-Kulturpolitiker die Mühe machen sollen, ihre Parteikollegen nur wenige hundert Kilometer südlich zu konsultieren. Denn in Nordrhein-Westfalen, traditionell kulturell auch kein glattes Pflaster, haben sich die Kulturdezernenten von sieben Großstädten ganz anders, produktiver und dazu noch deutlich günstiger Gedanken über die Zukunft gemacht (Preisfrage und -antwort: Rund zwei Tage McKinsey-Weichspülung ist gleich ein ganzer Monat Kulturdezernentenkompetenz).

In einem eben erschienen Papier „Beschäftigungs- und Qualifizierungsinitiativen Kultur“ drehen sie den Spieß einfach um: Nicht weniger, mehr Beschäftigte im Kulturbereich fordern sie. Den Kulturbereich halten sie nicht nur für eine der wenigen umweltverträglichen und gleichzeitig beschäftigungsintensiven Wachstumsbranchen, sondern sie plädieren für eine Überwindung der althergebrachten Grenzen zwischen Sozial- und Kulturpolitik. Ihre Vorschläge reichen von einer gezielten Unterstützung von Existenzgründungen im Kulturbereich über die Verankerung des Themas Kultur in bestehende Beschäftigungsprogramme (wie „Arbeit statt Sozialhilfe“) bis zu kulturwirtschaftlich orientierten Arbeitsförderungsprogrammen der Bundesanstalt für Arbeit. Auch die zunehmende Bedeutung der privatwirtschaftlichen Organisation von kulturellen Angeboten wird hier nicht verschwiegen. Doch wird sie nicht zum Selbstzweck erhoben, sondern ist eingebettet in eine ausdrücklich formulierte Vorstellung von kulturfördernden wirtschaftspolitischen Maßnahmen.

Im Gegensatz zu den für die Folgen ihres Tuns nicht selbst verantwortlichen McKinsey-Beratern können die amtierenden Kulturdezernenten ihre Ideen immerhin an real existierenden Projekten demonstrieren, zum Beispiel an der Zeche Zollverein in Essen. Fast 100 Menschen haben in diesem kulturell-wirtschaftlichen Zentrum sinnvolle, feste Arbeit gefunden, noch einmal so viele sind freiberuflich tätig. Die Bilanz für den Staatssäckel wird in dieser Mischform aus direkter und indirekter Förderung, aus öffentlich, halb öffentlich und privat finanzierten kleinen Einheiten, verbunden mit der Verringerung von Arbeitslosigkeit und den ersparten Sozialleistungen, gut ausfallen. Besser jedenfalls, als wenn man über viele Jahre viel Geld zuerst mit fragwürdigen Gutachten und dann mit substanzvernichtenden Kaputtsparmaßnahmen verschleudert. Auch Kulturzerstörung ist Werteverlust im Doppelsinn und Verrat an der nächsten Generation.

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