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1998
47. Jahrgang
Ausgabe 4
April

© nmz und
autoren 1998

  nmz - neue musikzeitung

Rezensionen · Tonträger
Seite 13

Autor:
Rainer Prinz

Zu viert auf Spurensuche unterwegs

Neuaufnahmen von Streichquartetten als Repertoireerweiterung

Britten: Streichquartette Nr. 1 und 3, Alla marcia, 3 Divertimenti; Sorrel-Quartett; Chandos/Koch 9469

Gade: Streichquartette f-moll, e-moll und D-Dur op. 63; Kopenhagener Streichquartett; Marco Polo da capo 224015

Hindemith: Streichquartette Nr. 1 und 3 bis 5, Ouvertüre zu „Der fliegende Holländer“..., Militärminimax; Kocian-Quartett; Praga/Helikon 250093/4 (2 CDs)

Schoeck: Streichquartette op. 23 und op. 37, Quartettsatz B-Dur; Minguet-Quartett; MDG/Helikon 6030665-2

Baltic Elegy: Vasks: Streichquartett Nr. 2 (Sommergesänge), Tüür: Streichquartett, Pärt: Fratres für Streichquartett; Duke-Quartett; Collins/in-akustik 14752

Die Zeit, da dem Kammermusikliebhaber die Amadeus, Juilliards, Guarneris, Italianos, Melos und Borodins sowie aktuell die Alban Bergs und Emersons als die Quartettgötter schlechthin zu gelten hatten, muß angesichts der Flut glänzender Neuaufnahmen mit teilweise nahezu unbekannten Vereinigungen wohl der Vergangenheit angehören. Hinzu kommt eine immense Bereicherung des Repertoires durch Werke, deren kompositorische Qualität sie mit Leichtigkeit auf eine Stufe mit den anerkannten Höhepunkten der Literatur zu hieven vermag und die darüber hinaus auch ambitionierten Amateurquartetten dank- und machbare Aufgaben stellen.

Unter diesen Gesichtspunkten hätte gerade die Gade-CD besser ausfallen dürfen, als es in der biederen Darstellung durch das Kopenhagener Quartett aus den 60er Jahren geschieht. Auch dem klanglichen Remake fehlt doch einiges von der Brillianz, die den Werken des Mendelssohn-Zeitgenossen und Schumann-Freundes anhaftet. Das D-Dur-Quartett, den Gattungsbeiträgen jener an Einfallsreichtum und Esprit stark blutsverwandt, tritt in vielen Passagen in einem Maße auf der Stelle, daß man sich den Drive eines Ensembles vom Schlage der Hagens herbeisehnt. Interpretatorisch auf einem ungleich höheren Level bewegen sich da die auch technisch naturgemäß frischeren Darstellungen der konkurrierenden Quartettvereinigungen.

Das Prager Kocian-Quartett hat mittlerweile nicht nur sämtliche Gattungsbeiträge Hindemiths eingespielt, sondern durch die Inspiration seiner Darstellungen sicher ein gewichtiges Plädoyer für den in der Heimat nach wie vor unterrepräsentierten Meister gehalten. Zwar sind kleinere Präzisionsmängel zumal in den intonatorisch und rhythmisch diffizilen Passagen festzustellen, die hätten korrigiert werden können; auf der Habenseite trifft man wiederum auf eine überufernde Musizierlaune, die vor allem den raschen Sätzen gut zu Gesicht steht. Auch die parodistischen Opera (Holländer-Ouvertüre und Minimax) gewinnen so stark an Esprit, während in den langsamen Sätzen weniger expressiv formuliert wird.

Von den Kammermusiken Othmar Schoecks konnte sich eine Zeitlang lediglich das Notturno für Bariton und Streichquartett im Repertoire festsetzen, und auch sonst begegnet man dem Schweizer Komponisten, dem so häufig seine stilistische Ausrichtung (nach rückwärts ins 19. Jahrhundert) angelastet wurde und wird, höchstens noch in den wirkungsvollen Werken für Kammerorchester wie der Sommernacht oder den Konzerten für Horn und Violoncello. Hier nun öffnet das junge wettbewerbserprobte Minguet-Quartett erstmals den Blick hinter die von der Romantik geprägte Fassade in kompositorische Tiefen von ungeahnter harmonischer Komplexität und bisweilen abenteuerlichster Finessen der kontrapunktischen Arbeit. Wo die Expressivität in ihre Grenzbereiche gerät, scheuen sich die Minguets nicht, dies ungehemmt auszuleben, was der Idylle des Einzelsatzes und vor allem dem Opus 37 mit seinem vom rhythmischen Drive getragenen Finale zugute kommt. Besonders bemerkenswert ist die klangliche Seite der CD, da es gelungen ist, eine ideale Synthese von Durchhörbarkeit und Homogenität des Geschehens zu erstellen.

Für Brittens sehr attraktive frühe Divertimenti, das „Alla Marcia“ und die Quartette Nr. 1 und 3 (sein letztes Opus) machen sich die nicht minder attraktiven Damen des Sorrel-Quartetts stark, und auch sie finden mit Leichtigkeit die richtige Sprache für ihren prominenten Landsmann. Geradezu tollkühn mutet beispielsweise das extreme Lento an, mit dem sie die Intensität des Finalsatzes der Nr. 3 aufspüren und übermitteln wollen. Die Bildhaftigkeit und Eloquenz auch der übrigen Sätze (eingeschlossen die zauberhaften „Nichtigkeiten“, deren eigentlich nur Britten fähig war) wird spieltechnisch überlegen und mit Charme im Klanglichen vermittelt. Für manchen Hörer mag über dieser Produktion vielleicht ein Hauch von Glätte schweben; der intelligenten, manchmal verspielten, in den entscheidenden Passagen auch bohrend-intensiven Darstellung wird man sich nur schwer entziehen können.

Die Produktionen mit dem Duke-Quartett haben sich fast regelmäßig zu Kult-CDs entwickelt. Eine ähnlich fulminante Entwicklung hatte seinerzeit das Kronos-Quartett (auch aufgrund ähnlicher Programmzusammenstellungen) durchgemacht. Die drei Werke auf der neuen Scheibe zeigen nun trotz aller natürlichen Unterschiede gewisse Gemeinsamkeiten in ihren individuellen Bezügen zur baltischen Volksmusik und in ihren breit gefächerten (dem Minimalismus stark zugewandten) Kompositionstechniken, wobei die „Sommergesänge“ des Letten Peteris Vasks (mit den fantastischen Walgesängen nach 8’50“) strukturell und klanglich vielleicht noch als traditionell zu bezeichnen und empfinden wären. Pärts und Tüürs Beiträge stellen formal und klanglich allerhöchste Ansprüche an die Kunst der Interpreten, die diese mit erstaunlicher Virtuosität und ins Extrem gesteigerter Eindringlichkeit leicht einlösen. Sogar der Zuckerguß der Sentimentalität auf „Fratres“ (schon in früheren Fassungen erfolgreich) bleibt so genießbar...

Rainer Prinz

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