1998
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Rezensionen
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Göttliches Stimmwunder im Viererpack |
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Eine Video-Edition stellt Sänger und ihre Kunst vor: Belcanto | |||
Interpretation
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Editorischer Wert
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Technik
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Tenöre und kein Ende, nein nicht die drei,
sondern Caruso, Gigli, Schipa, Tauber, Slezak, Joseph Schmidt, Melchior, Rosvænge,
Björling, McCormack, Thill, Koslowsky, die sich eben unter den gemeinsamen Nenner
zusammenfassen lassen, der da heißt: Belcanto. Wenngleich die Mechanismen zum
Ruhm im Grunde die gleichen sind. Darum gibt es ein dreizehntes Portrait: der singende
Automat, his masters voice, das Grammophon. (Es ist nun mal so: die
Mediatisierung entscheidet über das Wohl und Wehe.) Jedes Portrait ist ganze pralle 30
Minuten lang. Ja, es ist die hinreichend bekannte Serie der ARD, deren ein oder andere
Folge man verpaßt hat, weil der Zeitschalter nicht funktionierte, der Strom ausfiel und,
und, und... Jetzt gebannt auf vier Videocassetten in anspruchsvoller schwarz-weiß
Kartonage und mit einer Zugabe: einem Buch mit Texten zur Serie in feinstem Layout. Und damit gleich mitgeliefert, und das bietet eben nur das Buch, eine Übersicht über und die in sich schlüssige Disposition selbst des Gesamt-uvres: nach jeweils drei Portraits entspricht einer Videocassette jeweils einen eindrucksvollen Aufsatz und Gedanken über Themen wie Enrico Caruso und die Stimme des Tenors von Jürgen Kesting, Seismischer Schock Gilbert-Louis Duprez und das hohe C der Bruststimme von Stefan Zucker, Belcanto auf dem Schlaginstrument? von Peter Feuchtwanger und Mit den Augen hören, ein Gespräch von Rebecca Fajnschnitt mit dem Autor Georg-Albrecht Eckle und dem Direktor der Serie Jan Schmidt-Garre. Das Ganze gespickt mit Portrait- und Lifestyle-Fotos. Ein multimediales Gesamtpaket unserer Zeit also, das diesem Anspruch bis ins Kleinste gerecht wird, das subjektiv emotionale Inhalte genauso austeilt wie objektive Sachverhalte, eine Mischung, die einem gesangbezogenem Thema wohl am besten guttut: gefüllt mit authentischem Bild- und Tonmaterial, nicht immer synchron, damit man schön aufmerksam bleibt, oder auch authentischem Bild-Ton-Material mit den tenoralen Highlights wie aus Leoncavallos Bajazzo, Puccinis Tosca, Massenets Werther oder aus Flotows Martha um nur wenige zu nennen. Dazwischen werden erinnernde aber auch fachbezogene Gespräche aufgenommen, die im Schwarz-weiß des Gesamten es geht ja um Edles, und dies ist schließlich auch die Farbe der Dokumentarizität Atmosphäre schaffen. Alles auch strukturell zentriert sich um das eine, eine fachlich detaillierte Höranalyse eines jeden Stimmportraits durch Jürgen Kesting: mal an Una furtiva aus Donizettis L Esire d Amore bei Caruso von 1904, mal an Ora per sempre addio aus Verdis Otello bei Slezak von 1912 oder an Wolfs Der Feuerreiter bei Rosvænge von 1938 und viele andere, und zwar getreu der idealen Mischung unterlegt mit Szenen- und Erinnerungsfotos. Bevor es aber in dieses atmosphärische Ambiente eines jeden Portraits aus Fachkennern, Kollegen- und Freundeskreisen sowie Familienangehörigen an biografischen Schau- und Lebensplätzen geht, durchlebt der Zuschauer den geschickt schellackzeitgemäß inszenierten Countdown eines Bühnenauftritts, ist dabei, vielleicht in der Rolle eines Disponenten, Technikers oder einfach eines Bühnenarbeiters: Scheinwerfer an Mikrofon in Stellung in der Garderobe, dem Maskenbilder durch einen Türspalt über die Schulter gelugt Aufnahme-Schild leuchtet auf Füße, die zur Tat schreiten Scheinwerfer leuchten gegen, dabei dem Sänger und Pianisten von hinten aus der imaginären Gasse zugeschaut gleitender Kamerawagen die Akteure von schräg oben, vom virtuellen Schnürboden aus der Toningenieur vor seiner Apparatur das Aufnahmeteam ehrfürchtig, ganz ehrfürchtig und dann, fast unmerklich der Name des jeweiligen Sängers schleicht sich als Schriftbild ins Mikrofon hinein, quasi auf den Frequenzen des Gesangs, und alle singen sie, fast alle: O Paradiso aus Meyerbeers Afrikanerin. Und man ist leise geworden. Ganz leise. Die beste Voraussetzung für einen erlebnisreichen Event: für Liebhaber und Fachleute gleichermaßen. Den einen zum Genuß, den anderen zur Mahnung. Dietmar Jürgens |
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