1998
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Dossier
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Käufliche Liebe? |
Vielleicht kennen Sie das
Szenario aus eigener Erfahrung: Auf der Bühne steht, in seinen besten Zwirn
geklemmt, der BAT-1b-Geschäftsführer irgendeines musikalischen Jugendverbandes. Mit
leicht gequältem, aber professionell wirkendem Lächeln hält er zunächst eine kurze,
studienrätisch engagierte Rede, anschließend einen mit Büromitteln auf DIN A3
vergrößerten Scheck hoch. Darauf ist eine, eher niedrige, vierstellige Summe
verzeichnet. Anschließend spricht der PR-Manager des Sponsors markige Worte in dreifacher
Gesamtlänge seines Vorredners unter x-maliger Nennung des Firmennamens. Der musikalischen
Nachwuchspflege wurde ein materieller Dienst erwiesen. So weit, so gut. Der Verband hatte
Glück. Er durfte kassieren, aber auf seine inhaltliche Arbeit wurde kein sofort
erkennbarer Einfluß genommen. Fünf Scheck-Übernahmen später ist das Lächeln des
Geschäftsführers nur noch professionell, der Scheck hochprofessionell auf DIN A0
aufgeblasen und die Rede des PR-Managers launig-knapp mit reizenden musikalischen
Wortspielen durchsetzt. Unser Geschäftsführer wagt es gar, den Sponsor beim
anschließenden Stehempfang mit Dauerbrezeln um eine Erhöhung des Betrages im nächsten
Jahr anzugehen. In aller Bescheidenheit, versteht sich. Beim nächsten Kammermusik-Kurs
wird ohne jede qualitative Einbuße durch Optimierung der Reisekosten und
konsequente Überwachung der Getränkekasse allerhand eingespart. Zoff gabs nur bei
der Telefonabrechnung aber ohne negative pädagogische Konsequenzen fürs
Kursergebnis. Man hat schließlich Rechnen gelernt. Und wenn der Sponsor beim nächsten
Kurs darum bittet, statt der drei slowakischen doch drei französische Violinisten
einzuladen (...paßt gerade gut in unsere europäischen Integrationsbestrebungen,
wir übernehmen auch die Reisekosten...) wer könnte da schon ablehnen? Theo Geißler |
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