1999
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Rezensionen Seite 13Autor:
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Der rote Faden des Erfolges CD-Box dokumentiert Zusammenarbeit Mahlers mit den New Yorker Philharmonikern Eines der flexibelsten und mittlerweile auch traditionsreichsten Orchester unserer Tage gedenkt mit einer hervorragend und liebevoll ausgestatteten CD-Box desjenigen Musikers, der sich vor guten 90 Jahren entschlossen daran gemacht hatte, aus dem seinerzeit heruntergewirtschafteten Ensemble über Nacht einen Klangkörper von internationaler Bedeutung zu schaffen. Diesem österreich-ungarischen Komponisten und Dirigenten haben die New Yorker Philharmoniker fast alles zu verdanken: ihre Disziplin, ihre stilistische Bandbreite, ihren engagierten Einsatz für die Musik des 20. Jahrhunderts und ihre sensitive Aufmerksamkeit dem Wollen großer Künstlerpersönlichkeiten gegenüber. Aber auch das spätromantische, exzentrisch-subjektive und dennoch zutiefst moderne Schaffen Gustav Mahlers bildete über die kommenden Jahrzehnte einen unbestrittenen Schwerpunkt im Repertoire dieses Orchesters, dem noch einige potente Mahler-Schüler und Verfechter von dessen Musik vorstehen sollten. Nach dem allzu frühen Tode des streitbaren Geistes (18. Mai 1911) wurde es wohl zunächst etwas ruhiger um seine Musik, aber schon in den 20er Jahren setzten sich Bruno Walter und Willem Mengelberg machtvoll für dessen Orchesterlieder und Sinfonien ein, und in den späten 30er, 40er und 50er Jahren folgten ein Fritz Reiner, John Barbirolli und Dimitri Mitropoulos, ein William Steinberg und Artur Rodzinki, bis 1958 der junge Leonard Bernstein auf den Plan trat und diese unhandsamen, emotional hochgespannten und eben darum auch gefährlichen Werke im Bewußtsein der breiten Öffentlichkeit für immer zementierte. In der Folge konnten ein George Szell, Erich Leinsdorf und Leopold Stokowski, ein Rafael Kubelik, Georg Solti und Pierre Boulez, ein Lorin Maazel und Seji Ozawa, ein James Levine und Zubin Mehta nur noch die Feinarbeit übernehmen. Die vorliegende Box will nur einen schmalen Ausschnitt aus der Mahlerschen Rezeptionsgeschichte präsentieren. Wohl sind alle neun Synfonien, das sinfonische Lied von der Erde, die frühen Lieder eines fahrenden Gesellen und die beiden vollendeten Sätze einer geplanten zehnten Symphonie in jeweils vollständigen Rundfunkmitschnitten festgehalten. Doch es fehlen notgedrungen einige historische Meilensteine. So findet sich keine einzige Interpretation unter Willem Mengelberg, und Bruno Walter ist lediglich mit einer relativ späten Darbietung (Lied von der Erde) aus dem Jahre 1948 vertreten. Auch einen Leonard Bernstein mit seiner offen enthusiastischen Sichtweise auf das Mahlersche uvre wird der Liebhaber und Sammler vergebens suchen. Dafür finden sich einige Überraschungen und Raritäten. Zu den Höhepunkten dürften die Mitschnitte einer archaisch anmutenden Sechsten und eines dicht gewobenen, in seiner zeitlosen chromatischen Bewegung an Wagners Tristan gemahnenden Andante Adagio aus der unvollendeten Zehnten unter Dimitri Mitropoulos zählen. Einen tiefen Eindruck hinterlassen überdies eine kompromißlos dargebrachte, fast brucknerhaft schroffe Erste mit ihren unheimlichen Anklängen an jüdische Volksmusik und eine schwebend ausgesungene Neunte unter John Barbirolli. Einen Sinn für rhythmisches Gleichmaß, dynamische Explosivität und ausladende Klangfülle belegt eine Fünfte unter Klaus Tennstedt. Eine farbensatte, kantabel und direkt genommene Zweite kommt aus den Händen von Zubin Mehta. Außerordentlich musikantisch und hellen Charakters nimmt Rafael Kubelik die Siebente, während sich Leopold Stokowski im ersten Teil der Achten mit den Intonationsschwankungen seines Chores herumschlägt und im zweiten Teil von einem wunderbaren Sängerensemble (unter anderem George London, Eugene Conley und Martha Lipton) emportragen läßt. Pierre Boulez sucht die feine Balance zwischen rationaler Distanz und emphatischer Nähe und räumt in der überbordenden Dritten gewissermaßen auf. Ein weniger glückliches Händchen zeigt unterdes Georg Solti in einer spieltechnisch doch ziemlich verwackelten und spannungsarmen Vierten. William Steinberg begleitet den auch stimmlich bestens aufgelegten Dietrich Fischer-Dieskau in den vier Liedern eines fahrenden Gesellen, und Bruno Walter führt mit Set Svanholm und Kathleen Ferrier zwei weitere hochkarätige Solisten in vollendeter Phrasierung durch das Lied der Erde. Hinter den recht unterschiedlichen Empfindungs- und Sichtweisen von Mahlers sinfonischer Musik scheint insgesamt das bizarr schillernde Gesicht dieses Komponisten durch. Seine Persönlichkeit, sein Auftreten und sein angespanntes Verhältnis zum Musikgeschäft sind auch das Thema einer Reihe von Interviews mit sogenannten Zeitzeugen auf der elften und zwölften CD: Freunde und Bekannte äußern sich nach über 50 Jahren zur Erscheinung des Menschen Gustav Mahler. In den beiden umfangreichen Booklets findet sich außerdem eine Materialsammlung einerseits zu den vorliegenden Aufnahmen und andererseits zum Auftreten Mahlers in New York. Sven Precht
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