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nmz-archiv
nmz 2000/11 | Seite 37
49. Jahrgang | November
Oper
& Konzert
Verfremdung tonaler Klangvorräte
Hans Schanderls und Lutz Hübners Mälzel-Oper Der
Maschinist bei der EXPO uraufgeführt
Nationentage, Länderwochen, Theaterporträts der Städte:
Die Weltausstellung als Messe des globalen Tourismus schob die Kultur
als deren verlängerten Arm vor sich her. Das Magdeburger Theater
wagte mit einer neuen Oper, wie der Deutsche Pavillon insgesamt,
ein wenig mehr wie in einem Mälzelschen Musikautomaten
hätten alle Rädchen perfekt ineinander greifen können:
Die Reflexion über das beginnende Maschinenzeitalter als Opernsujet
in den EXPO-Schwerpunkt Mensch-Natur-Technik; Hans Schanderls
minimalistisch-polyrhythmische Verfremdungen tonaler Klangvorräte
in das Libretto Lutz Hübners, das die Historie poetisch auf
Distanz hält.
Hübner
gewinnt der Geschichte von Aufstieg und Fall des Metronom-Vermarkters
und Erfinders von Kultursurrogaten eine unaufdringliche Relevanz
ab, doch ein Rädchen hakt, eine Feder ist zu lahm:
Mälzels Symbole menschlicher Unvollkommenheit manifestieren
sich vornehmlich in der Inszenierung. Intendant Max K. Hoffmann
höchstselbst hat Hand angelegt und Hübners intelligenten
Text in einen nicht einmal farbigen Bilderbogen historisierender
Ambition verwandelt, dem sogar das Zeug zum Ambiente fehlt. Gewiss
waren die technischen Möglichkeiten beschränkt
erst am Tag der Aufführung stand der August-Everding-Saal zur
Verfügung , die Chancen zu jener Art von Distanzierung,
die das Libretto vorgibt, wurden indes vertan. Dafür Perücken
und Lakaienkostüme aus dem Fundus, unspektakuläre Modelle
von Panharmonikum, Druckmaschine und Schachtürke, das Ganze
in eine gähnende Bühnenleere gestellt. Dann wieder Reduktion
der Handlungselemente bis zur Unkenntlichkeit, wenn Mälzels
Scheitern an der Konstruktion einer mechanischen Sängerin schlicht
nicht stattfindet und man sich sofern etwas vom Text hörbar
wird fragt, woran der tragische Held hier eigentlich verzweifelt.
Dabei hatte das Magdeburger Team die technischen Hürden (teilweise
verdeckter Graben, Sängermikrophone, Chor aus dem Off) gut
im Griff, nicht aber das Prob-lem der Textverständlichkeit,
womit dem Stoff das Rückgrat genommen ist.
Szenenfoto: Jürgen Banse
Denkbar schlechte Voraussetzungen also für die Entfaltung
der Musik eines Komponisten, der die vom Libretto vorgegebenen Stimmungsbilder
durch seine ganz eigene, in der Tonalität verwurzelte musikalische
Sprache zu intensivieren versteht. In den inszenatorisch pointierteren
Momenten, vornehmlich im zweiten Akt, kann sie so ein atmosphärisch
dichtes Eigenleben entfalten, gibt einen oft repetitiven Grundpuls
vor, der sich den dramatischen Notwendigkeiten flexibel anpassend
mal zurücknimmt, mal stärkere Akzente setzt. Oder aber
Mälzels Triumph am Ende des dritten Aktes: Obwohl von der Inszenierung
nur mäßig unterstützt, steigern sich effektvoll
instrumentierte rhythmische Strukturen zu eindrücklicher Wucht.
An anderen Stellen aber, wo das konventionell abgespulte Bühnengeschehen
den Stoff so gar nicht zur Entfaltung bringt, vermag auch Schanderls
Musik nicht durchweg diesen Verlust an theatralischer Dimension
auszugleichen.
Das Ensemble nahm sich ohne Ausfälle und engagiert der sanglichen
Partien an, allen voran der darstellerisch etwas steife Roland Fenes
als Mälzel sowie der agilere Ingo Anders in der Rolle des Jugendfreundes
Anton. Chris-tian Ehwald und die Magdeburger Philharmonie sorgten
bisweilen von nahe liegenden Metronomen unterstützt
dafür, dass sich die Reibungsverluste im instrumentalen
Räderwerk in Grenzen hielten.