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nmz-archiv
nmz 2000/11 | Seite 40
49. Jahrgang | November
Oper
& Konzert
Festliches wohltemperiert
Zu den Sommerlichen Musiktagen Hitzacker
Ein gewichtiger Anziehungspunkt ist in jedem Jahr das Erscheinen
eines zeitgenössischen Komponisten, der als Composer
in residence dem Vortrag eigener Kammermusikwerke beiwohnt.
Dieses Mal rückt der unlängst 75 Jahre alt gewordene Professor
Giselher Klebe in die Reihe der Auserwählten.
In
seine Drei Lieder nach Texten von Friedrich Hölderlin
op. 74, von der Sopranistin Eiko Morikawa und Eckart Sellheim
am Klavier interpretiert, mündeten neben modernen Linien auch
feingebundene harmonische Bögen in die seherische Sprache Hölderlins,
gaben seiner Lyrik eine neue Dimension. Reizvoll gebärdete
sich Klebes Veränderung op. 95 der Beethovensonate
27/2, der Mondscheinsonate, in eine Sonate für Horn und Klavier,
die, in ein neues, gewinnendes Kleid gegossen, nun Jens Plücker
und Friedemann Rieger mal in geschmeidigem Legatobogen, mal stufenschön
interpretierten. Starken Eindruck hinterließen auch Klebes
Vier Inventionen op. 26 für Klavier, von Eckart
Sellheim mit hinhorchendem Verständnis und ruhigem Atem in
Bewegung gesetzt.
Das übrige Hitzackerprogramm bot noch eine Reihe von Höhepunkten:
Den Kammermusikcharakter des Fes-tivals sprengend, gab das Alsfelder
Vokalensemble im Verein mit der Kammersinfonie Bremen unter der
Leitung von Wolfgang Helbig mit der Aufführung des Mendelssohn-Oratoriums
Paulus eine vorzügliche Visitenkarte ab. Die Vermählung
des Wortes mit dem Ton gelang in vollendeter Weise. Sie setzte bewegende
Akzente, wenn der stimmbildnerisch hervorragend geschulte Chor wegen
der Tiefe der Bühne auch Mühe hatte, sich gegen das Orchester
tonlich durchzusetzen.
Einer außergewöhnlichen Kunst liehen die Festivalbesucher
ihr Ohr, als das international angesehene new art saxophon
quartet musikalische Tafelfreuden servierte. Was es in der
einvernehmlichen Viererrede darbot, war nicht nur von dynamischer
Eleganz und klanglichem Ebenmaß erfüllt, sondern zeigte
an, dass das Konzertsaxophon auch in der Quartettbesetzung Träger
einer fabelhaften Musik sein kann, wenn wahre Virtuosen auf dem
Podium stehen.
Unter dem Titel Bacherfahrungen stellte Hitzacker
am 250. Todestag Bachs seine Hommage an den großen Barockmeister.
Nachmittags schon erfreute die Begegnung mit Konrad Hüntelers
gestaltungssicherer Flötenkunst, als er die Partita a-Moll
für Flöte solo brillant vorstellte. Am Abend sollte das
Tripelkonzert a-Moll den festlichen Reigen eröffnen. Das gelang
nicht ohne Reibungen. Der Münsteraner Hünteler, die Geigerin
Ulrike Anima Mathé, der Cembalist Alfred Gross und das litauische
Kammerorchester Vilnius unter der Leitung von Georg Mais fanden
schließlich erfolgsverwöhnt den Weg zum
angestrebten Einklang.
In der Bachkantate Non sa che sia dolore, BWV 209,
meldeten die Sopranistin Simone Nold, der münsterische Flötist
und das vorgenannte Orchester ihre Kompetenz an. Der feintimbrierte,
leuchtende Sopran und die reich geschmückten Läufe der
Flöte gaben Bachs Musik den Glanz barocker Vielstimmigkeit.
Das Konzert d-Moll für zwei Violinen und Streicher mit Nora
Chastain, Marco Rizzi und dem litauischen Orchester geriet zum einem
wohltemperierten Festgeschenk an Bach.