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nmz-archiv
nmz 2000/11 | Seite 40
49. Jahrgang | November
Oper
& Konzert
Am Piano der Parlamentspräsident
Das 7. Usedomer Musikfestival stand im Zeichen von Litauen
Ganz im Zeichen der baltischen Repub-lik Litauen stand das diesjährige
Musikfestival auf der idyllischen Insel Usedom. Erläuternde
Vorträge, ein Workshop und eine Podiumsdiskussion mit litauischen
und deutschen Teilnehmern begleiteten die Konzerte, die mit der
Litauischen Kammerphilharmonie oder dem weltberühmten Cellist
David Geringas prominent besetzt waren und mit der Uraufführung
des Auftragswerkes Gaivalai (Elemente) des jungen Komponisten
Rimvydas Kisevicius auch zeitgenössische Akzente setzten.
Der
litauische Parlamentspräsident Vytautas Landsbergis, der als
politischer Vertreter seines Landes, aber auch als Interpret nach
Usedom gekommen war, verglich in seiner Eröffnungsrede die
Ostsee mit einem Hof, an dem viele ihre Häuser haben und umriss
mit diesem Bild sein Anliegen, das Haus Litauen wieder
für alle begehbar zu machen und seine Bewohner in die Welt
hinauszuschicken.
Das Seebad Heringsdorf.
Foto: Usedomer Musikfestival
Für Litauen, über neun Jahrhunderte hinweg ein Land ohne
politische Selbstständigkeit, war die Kultur der einzige Weg,
seine Identität zu bewahren. Was das Volk zusammenhielt, waren
seine Sprache und der Gesang. Über Generationen bewahrten Volkslieder
die nationalen Mythen in den Herzen der Menschen auf. Bis heute
gehört jeder zehnte Litauer einem Chor oder einem Vokalensemble
an. Alle fünf Jahre werden überregionale Sängerfestivals
organisiert, an denen jeweils 20.000 Sängerinnen und Sänger
teilnehmen. 1940 wurde die Litauische Philharmonie gegründet,
1960 die Kammerphilharmonie; beide sind weit über die Landesgrenzen
hinaus als Klangkörper höchster Qualität berühmt.
In der ältesten Kirche Usedoms in Liepe stellte Landsbergis
selbst die Werke des spätromantischen Malerkomponisten Konstantinas
Ciurlionis (18751911) vor. Wie wichtig ihm dieses Anliegen
ist, zeigt, dass der Komponist in vier weiteren Konzerten des Festivals
vertreten war. Den kaum hundert Zuhörern, die die Kirchenbänke
bis auf den letzten Platz füllten, brachte Landsbergis den
Komponisten mit einer Lebens- und Werkbeschreibung sowie einer Diaschau
der Gemälde nahe. Danach interpretierte er dessen Klaviermusik:
Verhalten, doch eindringlich erzeugte er in dem kleinen Kirchenschiff
eine dichte, fast private Atmosphäre. Nicht nur musikalisch,
auch in den Spielstätten grenzüberschreitend wurde das
Festival mit einem Konzert in der polnischen Stadt Swioujscie (Swinemünde).
Das 1995 von vier polnischen Studenten der Hochschule für Musik
und Theater Hannover gegründete Karol-Szymanowski-Quartett,
inzwischen mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen geehrt, stellte
sich hier mit Werken ihres Namensgebers, Mozarts und Verdis vor.
Auch in diesem Jahr war das traditionelle Jazzkonzert schon Monate
vorher ausverkauft: Auf einer Schifffahrt von Heringsdorf nach Swinemünde
und zurück wurde Louis Armstrong Tribut gezollt, dessen 100.
Geburtstag der Baltic Jazz Feeling- Band Anlass genug
war, dem begeisterten Fan-Publikum trotz kühler Herbstnacht
mächtig einzuheizen.
Nach Aussagen des Festivalleiters Thomas Hummel wird das Usedomer
Musikfestival auch im neuen Jahrtausend an seinem Versprechen festhalten
und die Rolle des Moderators zwischen verschiedenen Kulturen, jungen
Künstlern und einem kritischen Publikum übernehmen. Das
man auf Usedom dazu in der Lage ist, hat man in diesem Jahr aufs
Neue bewiesen.