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nmz-archiv
nmz 2000/11 | Seite 50
49. Jahrgang | November
Musiker und Musikerzieher
Berufe im Wandel
Einheitliche arbeitsrechtliche Voraussetzungen
Arbeitgeber Musikschule ein heißes Eisen
Auf den Seiten des Tonkünstlerverbandes Baden-Württemberg
im Verbändeteil der neuen musikzeitung habe ich es immer wieder
angefasst, das heiße Eisen zuletzt in den Ausgaben
4 und 6/2000. Die Reaktionen der Musikschulverbände aus unserem
Bundesland und auch aus Bayern waren so, dass ich es doch wohl lieber
hätte lassen sollen, führte es doch nur zu Missverständnissen
und Drohungen. Denn: Musikschulverbände verstehen sich (Zitat)
ausdrücklich weder als Arbeitnehmer- noch als Arbeitgeber-Verbände.
Aber: Für den Musikschullehrer ist die Musikschule nun mal
der Ansprechpartner und Arbeitgeber, wer sonst?
Und: Über die Hälfte der mehr als 2.000 Mitglieder des
Tonkünstlerverbandes BW sind (auch) in Musikschulen tätig,
das Gebiet Arbeitsrecht betrifft einen Großteil unserer Beratungstätigkeit.
Die Interessen der Musiklehrer und nicht die der Institution Musikschule
hat unser Berufsverband zu vertreten und bei genauerer Betrachtung
sind dies jedoch auch die wahren Interessen der Institution Musikschule.
Zugegeben: Viele der Schwierigkeiten auf dem arbeitsrechtlichen
Gebiet sind systemimmanent, andere wieder nur aus der Historie der
Institution Musikschule begreifbar, die ich seit mehr
als 50 Jahren verfolge. Ihre Geschichte ist nicht abgeschlossen,
wohin die Entwicklung führt, ist offen. Wo steht die meist
kommunale subventionierte Musikschule heute und wohin könnte,
sollte die Entwicklung gehen?
Als kommunale Bildungseinrichtung neben der öffentlichen
Schule vom guten Willen der Stadt- und Gemeinderäte abhängig,
ist ihr Betrieb (noch) keine gesetzliche Aufgabe der Kommune. Seit
Jahren daher erhebt der VdM den Ruf nach einem Musikschulgesetz.
Da aber die Kulturhoheit bei den Ländern liegt, müsste
ein solches Gesetz in allen Bundesländern auf den Weg gebracht
werden.
Bayern hat bereits 1984 eine Sing- und Musikschul-Verordnung
erlassen. Dort müssen, damit der Name Schule benutzt
werden darf, gewisse Qualitätskriterien erfüllt sein.
(Frage: Ist der Begriff Schule bei Jugendlichen so attraktiv
besetzt, dass er geschützt werden muss?) Arbeitsrechtlich relevant
ist: Es dürfen nur Lehrkräfte mit nachgewiesener musikpädagogischer
Befähigung unterrichten, alle Lehrer sollen einen schriftlichen
Arbeitsvertrag erhalten, das heißt freie Mitarbeiter sind
nicht mehr zulässig und die wirtschaftliche Stellung der hauptberuflichen
Lehrkräfte muss genügend gesichert sein.
Die 1998 von Martin D. Loritz veröffentlichte Statistik weckt
allerdings Zweifel daran, ob dieses Idealbild einer (quasi) gesetzlich
geregelten und staatlich kontrollierten Institution sich in den
16 Jahren seit 1984 in ganz Bayern verwirklicht hat. Immerhin, ein
Ziel ist angepeilt. In Brandenburg haben die Musikschuleltern Unterschriften
für ein Volksbegehren gesammelt, das auch zustande kam, aber
erfolglos blieb. Der daraufhin von der Regierung beschlossene Text,
noch im Gesetzgebungsverfahren, stellt allerdings niemand zufrieden.
Natürlich liegt mir hauptsächlich die Lage im Bundesland
BW am Herzen. Schon lange, und ganz besonders auf dem Musikschultag
1998 in Schwetzingen, forderte der Vorsitzende des VdM dringend
ein Gesetz. Ob es klug war, als Hauptgrund für dieses Gesetz
darauf zu verweisen, dass dann auch die finanziellen Forderungen
an den Staat leichter durchzusetzen seien, sei dahingestellt. Der
Ministerpräsident war eingeladen, es wurde ihm dort eine Medaille
des VdM verliehen. Der politische Wille zu einem Musikschulgesetz
blieb trotzdem bis heute marginal. Das Land Baden-Württemberg
ist mit über 200 öffentlich geförderten Musikschulen
so gut wie flächendeckend versorgt. Diese sind jedoch sehr
unterschiedlich organisiert, differieren in Größe und
Leistungsfähigkeit. Dies sei an einigen Beispielen ausgeführt:
Dem Konstanzer Südkurier vom 23. Februar 2000 entnehmen wir
unter den Titeln Der Musikschule droht die Auszehrung
Verknappte Mittel und problematische Personalpolitik Zuschuss
in Singen dreimal so hoch einen Vergleich der unterschiedlichen
Institute am Bodensee hinsichtlich der kommunalen Aufwendungen.
Konstanz wendet 561 Mark, Singen 1.571, Friedrichshafen 1.294, Radolfzell
1.466 und Überlingen, eine mit sehr vielen Bläsergruppen
anders organisierte Schule immerhin noch 705 Mark pro Schüler
im Jahr auf.
Die Unterschiede schlagen sich auch in der arbeitsrechtlichen Stellung
der Lehrer nieder: In Konstanz haben von 60 Lehrern nur 17 einen
Arbeitsvertrag, 43 sind (Schein-?) Selbstständige, in Friedrichshafen
unterrichten 28 Festangestellte und nur ein Honorarlehrer, in Singen
sind es 27 Festangestellte und 17 Freiberufler, in Radolfzell halten
sich mit 16 zu 16 hauptamtliche und freiberufliche Lehrer die Waage
(gemeint sind natürlich Angestellte und Freiberufler, es gibt
ja auch hauptberufliche Freiberufler!).
Die zuständigen Kommunen negieren teilweise offenbar das
Urteil des Bundesarbeitsgerichts, wonach für die Freiberufler
der Anspruch auf einen Arbeitsvertrag besteht, wenn sie dieselbe
Arbeit machen wie die Kollegen mit Arbeitsvertrag. Ganz abgesehen
davon, dass die Arbeit der Musikschullehrer in der Regel die Voraussetzungen
für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung
erfüllt. Hier melkt also die öffentliche Hand
durch die Beschäftigung von Honorarlehrern die Künstlersozialkasse
egoistisch ab. Diese hat in der Folge am 1. Januar 2000 ihren Abgabensatz
für Konzerthonorare um 150 Prozent erhöht.
Eine der größten Städte unseres Landes an der
Grenze zu Bayern hat 13 Millionen Mark für den Umbau eines
Gebäudes für die Musikschule ausgegeben, die weit überwiegende
Zahl der Lehrer bleibt aber Honorarlehrer ohne jede
soziale Komponente. Ein Journalist fragte dort einen Stadtrat, ob
es nicht möglich gewesen wäre, vielleicht eine Million
Mark einzusparen, diese fest anzulegen und aus den Zinsen den armen
Honorarlehrern eine Weihnachtsgabe zu bewilligen. Antwort: Das
geht nicht, der Bau ist schließlich eine Investition.
Die Arbeit der Lehrer ist keine Investition? Vielleicht wäre
sie für die Zukunft eine sinnvollere als ein neues Gebäude!
Bei dem Überangebot von Lehrern bestehen meist Hemmungen,
die arbeitsrechtlich zustehenden Rechte einzuklagen, besonders bei
den Massenfächern, weil die Betroffenen dann (und mit Recht!)
fürchten, auch noch ihren schlecht bezahlten Job zu verlieren.
Das sind keine guten Voraussetzungen für die Entwicklung und
die Zukunft der kommunalen Musikschule. Nachdem inzwischen alle
fünf staatlichen Musikhochschulen in BW ihre Studentenzahl
um 20 Prozent vermindern müssen, sollten die kommunalen Musikschulen
auch dann für Musiklehrer attraktiv bleiben, wenn gute Lehrer
wieder knapper werden.
Es steht mir nicht zu, den Musikschulverbänden Ratschläge
zu erteilen. Aber vielleicht sollten sie sich schon Gedanken darüber
machen, ob sie nicht unabhängig von den derzeit wohl
nicht überall durchsetzbaren Musikschulgesetzen eigene
Möglichkeiten finden, die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen
bei ihren Mitgliedern zu vereinheitlichen und damit zu einem positiven
Bild der Musikschule als Arbeitgeber beizutragen.
Ernst Held
Heißes Eisen Musikschule
Zum Beitrag von Ernst Held
Bevor dieses Dossier in Druck ging, bekamen die teilnehmenden
Autoren jeweils alle Texte zu lesen. Denn ursprünglich war
geplant, noch eine kontroverse Debatte der Autoren unter der Moderation
der nmz-Redaktion live oder im Internet-Chatroom durchzuführen.
Diese Idee ließ sich in der zur Verfügugn stehenden
Zeit leider nicht umsetzen. Eine erste Reaktion eines Autors,
die wir kurz vor Drucklegung erhielten, finden Sie hier abgedruckt.
Ich frage mich schon, und ich frage ausdrücklich die Präsidien
des Tonkünstlerverbandes in Bund und Ländern, wie lange
es in diesem Ton noch weiter gehen soll wahlweise auf den
Seiten des Deutschen Tonkünstlerverbandes und seiner Landesverbände
oder jetzt im Dossier. Versteht sich der einstmals angesehene Tonkünstlerverband
nur noch als Rammbock gegen die Arbeitsstellen seiner an Musikschulen
beschäftigten Mitglieder? Wir brauchen Partnerschaft in der
Musikerziehung! Kleinkarierte Scharmützel helfen niemandem.
Auch wenn es der Geschäftsführer des Baden-Württembergischen
Tonkünstlerverbandes noch immer nicht wahrhaben will, sind
der Verband deutscher Musikschulen und seine Landesverbände
gemeinsam nichts anderes als der Fachverband der öffentlich-rechtlichen
und der privat-rechtlichen und in jedem Fall gemeinnützigen
Träger von Musikschulen. Für Fragen des Arbeits- und Tarifrechts
sind andere zuständig: jeweils auf Bundes- und Landesebene
die Arbeitgeberverbände (VKA/KAV) und die Gewerkschaften (IG-Medien
und andere). Es ist einfach falsch, dass der VdM nach Jahren nach
einem Musikschulgesetz ruft. Auf der Bundesebene würde es keinen
Sinn machen und auf der Landeseben geht es dabei in jedem
Land anders um sehr delikate Fragen im Verantwortungsverhältnis
zwischen Land und Kommunen. Manchmal mag der Spatz in der Hand besser
sein als die Taube auf dem Dach. Wenn es jedoch um gesetzliche Rahmenbedingungen
für Musikschulen geht, würde ich bei staatlichen Regelungen
unterhalb des Niveaus der VdM-Mitgliedschaftsbedingungen beziehungsweise
der bayerischen Sing- und Musikschulverordnungen zu sehr gründlichen
Überlegungen raten. Die Angriffe auf Musikschulen in Baden-Württemberg
sug- gerieren Sachkenntnis und sind doch nur Streubomben gegen Schuldige
und Unschuldige gleichermaßen. Der Musikschulverband hat von
jeher viel für die Aufklärung der Musikschulträger
und ihrer Einrichtungen getan. Es liegt allerdings nicht in der
Macht des VdM, ungerufen auf kommunale Entscheidungen vor Ort Einfluss
zu nehmen. Für Bayern nehmen wir als Fachverband und als Träger
einer Beratungsstelle für das Sing- und Musikschulwesen in
Anspruch, zu weithin einwandfreien Rechtsverhältnissen beigetragen
zu haben.
im Auftrag Werner Mayer, Leiter der Beratungsstelle
des VBSM e.V.