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nmz-archiv
nmz 2000/11 | Seite 49
49. Jahrgang | November
Musiker und Musikerzieher
Berufe im Wandel
Musiker-Ethos
Das ganze Leben sei ein Test, überschreibt eine Zeitung ihre
Berufsserie, vom Kindergarten bis zur Karriere. Für Musikberufene,
für Interpreten wie Pädagogen, ist die geforderte Bewährung
in jeder Aktion besonders bittere Wahrheit. Unerbittlich fit sein
im Orchesterdienst, ständig auf Deck im Unterricht. Dazu muss
ich meinen Beruf sehr lieben, mich berufen fühlen, dazu taugen,
Verantwortung zu Leistung spüren. Dieser permanente Test ist
der Basso continuo im Leben des künstlerischen Berufes, als
Interpret wie als Vermittler auf Lebenszeit. Das zu trainieren,
haben unsere jungen Musiker in allen Ausbildungsphasen reichlich
Gelegenheit vor kritischem Publikum, vor Ohren gestrenger Gutachter
bei Jugend musiziert bis hin zu den unbarmherzigen Wettbewerbstests
auf internationalen Podien.
Bleibt da Zeit, darüber nachzudenken wofür all das? Wie
steht es eigentlich um den Ethos, die Haltung und Grundlage unseres
künstlerischen-pädagogischen Handelns? Begnügen wir
uns mit eigener Befriedigung? Oder lart pour lart? Wie
sehr ist dem Künstler sein gesellschaftlicher Auftrag bewusst
und gegenwärtig? Musiker sein Interpret, Pädagoge
oder auch Komponist ist ein dienstleistender Beruf. Dabei
kreativ zu sein, heißt auch, darüber nachzudenken, welche
Rolle Musik im sozialen Netzwerk spielen muss. Und danach zu handeln.
Die zigtausend Lehrer, die Millionen junger Menschen richtige Töne
und Griffe beibringen, müssen sich hüten, Generationen
arbeitsloser Musiker zu kreieren. Nur Höchsttalentierte sind
reif für den harten Nachwuchskurs. Wie viele Teufelstriller-Virtuosen
und Tastenlöwen wir brauchen, bestimmt der weltweite Markt.
Dringender brauchen wir Musiker und Pädagogen, die verstehen,
der jungen und älteren Generation das nötige Verständnis
zu vermitteln. Weil das gleichbedeutend ist mit Investitionen und
Reichtum für den Lebensweg, für erhöhte Daseinsqualität.
Als musikalischer Laie mag man aktiv sein im Musikverein, Jazzkeller,
Gemeindechor. Oder passiv als kundiger Hörer in der Hundertschaft
treuer Konzertsaal- und Opern-Abos, als aufmerksamer Lauscher und
Konsument des unerschöpflichen Medienangebotes. Alles was dafür
Weg bereitend von öffentlicher wie privater Hand an Daseinsfürsorge
geleistet, an Strukturen bereit gehalten wird, damit künstlerische
Professionalität und Kreativität sich in diesem Sinne
entfalten und wirksam werden kann, ist erwiesenermaßen Prävention
vor dunklen sozialen Abstiegen und Abseiten. Dafür die Kräfte
zu lenken und zu bündeln, richtige Register zu ziehen, wäre
eine lohnende Aktion, der Musik zu helfen, selbst helfend wirksam
zu werden. Für unsere Gesellschaft, für unsere Zukunft.