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nmz-archiv
nmz 2000/11 | Seite 51
49. Jahrgang | November
Musiker und Musikerzieher
Berufe im Wandel
Verlässlichkeit im Wandel
Musikschulen und ihre Partner in Schule und Privatunterricht
Musikschulen sind aus vielen Gründen eingerichtet worden:
Weil Blaskapellen ihren Nachwuchs nicht mehr selbst heranziehen
konnten, weil im Privatunterricht nur wenige Instrumente angeboten
waren, weil die Ansprüche an eine verlässliche Qualität
gestiegen waren, weil das verfügbare Einkommen nun die Anschaffung
von Instrumenten erlaubte, weil für immer mehr Eltern die Musik
als Bildungsgut für ihre Kinder wichtig wurde, weil auch Familien
mit mehreren Kindern und geringem Einkommen an musikalischer Bildung
teilhaben sollten, weil Mobilität, Medien und Siedlungspolitik
Stadt und Land in ihren Ansprüchen näher gebracht haben.
Auf Jahrzehnte des stürmischen Aufbaus in den 60er- bis 80er-Jahren
folgte zu Anfang des vergangenen Jahrzehnts eine abrupte Verlangsamung
eines noch lange nicht abgeschlossenen Prozesses. Kommunen und Staat
mussten sich in einer neuen Gesamtstaatlichkeit erst darüber
klar werden, was sie sich insgesamt und daher auch in Bildung
und Kultur weiterhin leisten könnten. Viele Ausgaben
wurden zurückgefahren.
Ohne die Nöte im Einzelnen zu verkennen, waren Musikschulen
davon im Großen und Ganzen eher weniger betroffen. Ihr strukturiertes
Bildungsangebot, ihre künstlerisch-pädagogischen Leistungen
und ihre Beitrag zum öffentlichen Kulturleben waren nicht mehr
so leicht verzichtbar. Sie hatten gut daran getan, sich in enger
Zusammenarbeit und Ergänzung mit Schulen, Kirchen und Musikvereinen
zu verbinden. Sie waren wandlungsfähig, ohne ihren Grundauftrag
zu vergessen: In ihren Angeboten und Unterrichtsformen, in ihrer
Öffentlichkeitsarbeit und Organisation. Beispielhafte Leistungen
des Musikschulverbandes, verbunden mit hohen Anforderungen an seine
Mitglieder, und spezifische Entwicklungen in den Landesverbänden,
in Bayern speziell eine gesetzlich begründete Schulaufsicht
der Regierungen, eine anspruchsvolle Musikschulverordnung und eine
inzwischen 20-jährige Fachberatung für Jedermann, haben
die Musikschulen im öffentlichen Bewusstsein als kompetente
und verlässliche Bildungseinrichtung verwurzelt. Inzwischen
hatten die Hochschulen und Konservatorien ihre Ausbildung an den
stark erhöhten Fachpersonal-Bedarf angepasst. Sie konnten den
Fachkräfte-Ausstoß nicht mehr bremsen, und
sie können es bis heute nicht; denn wenn es in schier keinem
Beruf noch eine lebenslange Perspektive gibt, kann man getrost auch
wieder Musik studieren ein Fehlschluss, der nur mit wahrhaft
professionellen Studieninhalten und -anforderungen von der Aufnahmeprüfung
bis zum Diplom, also mit praktizierter, oft unangenehmer Verantwortung
für die anvertrauten jungen Menschen, korrigiert werden könnte.
Niemand weiß, wohin die vielen Diplom-Musiker und -Musiklehrer
versickern, aber das nicht selten verzweifelte Angebot
an Privatunterricht einzelner Musiklehrer und organisierter Gruppen
ist deutlich größer geworden. Der Markt ist allerdings
fließend und personell instabil kein Wunder: Die fachlichen
Arbeitsinhalte und die Verdienstmöglichkeiten passen oft nicht
zum erworbenen Ausbildungsniveau, und nur in wenigen Fächern
und Stilrichtungen reicht die private Nachfrage. Der seriösen
Privatlehrkraft gebührt allerhöchste Hochachtung, und
vielfach sichern Teilbeschäftigungen an Musikschulen eine soziale
Grundversorgung und erhalten dadurch die speziellen Qualitäten
eines anspruchsvollen Privatunterrichts. Animositäten zwischen
Anbietern ähnlicher nicht gleicher! Leistungen
mögen vor Langeweile bewahren. Uns allen sollte aber bewusst
sein, dass Schule, Musikschule und Privatunterricht sich unverzichtbar
ergänzen: In unterschiedlichen Angeboten und durchaus auch
in Konkurrenzen. Wenn beispielsweise ein Gymnasium mit einem nebenberuflich
angestellten Musikschullehrer und mit dem instrumentalen Können
von Musikschülern eine beispielhafte Big Band aufbaut, ist
dies allemal besser, als wenn die Schulmusik aus Mangel an Stellenbewerbern
ihre Stunden nicht füllen kann oder in Grund- und Hauptschule
Musik immer weniger stattfindet, weil die Selbstverständlichkeit
der musikgebildeten Lehrkraft seit Jahrzehnten in vollem Bewusstsein
nicht mehr verfolgt zu werden scheint; wo sonst als in der Schule
bestünde die Aussicht auf eine grundständige Ausbildung
für alle Kinder? Und wenn sich vor Ort die Angebote von Musikschule
und privaten Anbietern im Wissen um die gegenseitige Befruchtung
und Bereicherung meist komplikationslos regeln, ist dies eine sehr
viel realistischere Wirklichkeit, als wenn auf Funktionärsebene
künstliche Hahnen- (und Hennen-)kämpfe ausgetragen werden
an denen sich der Autor ebenfalls schon beteiligt hat.
Werfen wir noch einen Blick auf den Ausbau des Musikschulwesens:
In Bayern haben Kommunen und Freistaat für die Musikschulen
beträchtliche Leistungen erbracht. Dennoch haben zwei Drittel
der bayerischen Gemeinden mit einem Drittel der Bevölkerung
noch keine kommunal verantwortete Musikschulanbindung. Während
beispielsweise in Oberösterreich 3,6 Prozent (Gesamt-Österreich
2,2 Prozent) der Bevölkerung eine öffentliche Musikschule
besuchen, kommen wir in Bayern (wie in der Bundesrepublik) auf 1,1
Prozent; im Nachbarland Baden-Württemberg sind es 1,7 Prozent.
Schüler aus Nachbargemeinden werden aus nachvollziehbaren Gründen
nicht überall aufgenommen beziehungsweise entrichten Gebührenzuschläge
bis zu 100 Prozent, und die Gebührenschere in den einzelnen
Musikschulen ist mit Werten zwischen 25 und über 100 Prozent
der Lehrpersonalausgaben und mit Schwerpunkten zwischen 40 und 60
Prozent nicht mit der Forderung nach landesweit vergleichbaren Bildungsbedingungen
zu vereinbaren.
Dies können nur Schlaglichter sein. in allem Wandel bleibt
festzuhalten: Nur Musikschulen, die als öffentliche Aufgabe
verstanden werden kommunal, staatlich oder als Verein mit
öffentlicher Gewährsträgerschaft , können
den Bildungs- und Kulturauftrag in den Vordergrund ihrer Arbeit
stellen und ihren Unterricht nach einem konsequenten pädagogischen
Konzept vom Kindergarten- bis zum Erwachsenenalter gestalten. Nur
so können sie qualifizierten Unterricht in allen Fächern
auf Dauer garantieren. Nur als öffentliche Aufgabe können
sie mit soliden Rechtsverhältnissen Schülern, Eltern und
Lehrkräften Sicherheit und Beständigkeit vermitteln. Nur
in der öffentlichen Verantwortung können sie sich dem
Markt stellen, ohne dass der reine Verkaufswert die erste Geige
spielen muss. Nur mit öffentlicher Gewährsträgerschaft
können die Musikschulen Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge
sein. Nur als öffentliche Aufgabe können Musikschulen
dafür gerade stehen, dass kein Kind aus finanziellen Gründen
draußen bleiben muss. Auch im singenden und klingenden
Bayern gibt es noch einiges zu tun.