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nmz-archiv
nmz 2000/11 | Seite 33
49. Jahrgang | November
Deutscher
Tonkünstler Verband
Frühstart für die Virtuosen von Morgen
Der Blick über den Zaun: Musikernachwuchs in St. Petersburg
An der Spezialmusikschule in St. Petersburg werden hochbegabte
Kinder zu Profis ausgebildet. Der Andrang ist enorm, ein Vielfaches
an Anmeldungen liegt vor als tatsächlich Schüler aufgenommen
werden können. Zur Zeit besuchen 450 Schüler die Talentschmiede,
allerdings werden höchstens 25 neue aufgenommen. Dabei sind
sie die jüngsten aller Musikstudenten, denn in der Regel wechseln
die meisten nach elf Jahren auf das Konservatorium. Obwohl es auch
in Moskau, Jekaterinburg, Ufa und Nowosibirsk ähnliche Institute
gibt, ist die Hochbegabtenschule in Petersburg einzigartig und die
älteste von allen.
Am Vormittag findet Allgemeinunterricht für die 7- bis 11-Jährigen
statt, von 14 bis 19 Uhr für die höheren Klassen. Üben,
Instrumental- und Vokalunterricht, Ensemblespiel und Theoriefächer
werden vormittags für die Großen und nachmittags
für die Jüngeren gegeben. Auch ein Internat ist der Schule
angeschlossen, in dem derzeit 62 auswärtige Schüler untergebracht
sind, darunter 25 Koreaner, zwei Japaner und zwei Chinesen.
Von der Krise draußen im Lande bemerken die Schüler
wenig. Es ist paradox, sagt Walentina Fedosajewa, die
Direktorin der Schule, je schwerer das Dasein, je härter
der Existenzkampf wird, desto begabter sind die Kinder; als würde
diese schwierige Zeit solche Begabungen geradezu provozieren. Die
meisten Eltern sind kaum in der Lage, das Schulgeld zu zahlen. Nur
die Elite der ohnehin Hochbegabten erhält Stipendien.
Die Institution an sich steht aber auch chronisch vor der Pleite,
das Gebäude ist in einem desolaten Zustand, die Lehrer unterbezahlt,
die Instrumente sind kaputt, und die Kinder, die hier studieren,
meist bettelarm. Das Kulturministerium in Moskau überweist
seinem einstigen Aushängeschild, wenn überhaupt, bestenfalls
die Gehälter: 735 Rubel (ungefähr 50 Mark) für die
Direktorin, 390 Rubel für die Lehrer, 116 Rubel für die
Erzieher im Internat. Manchmal gelingt es, die Gehälter aus
anderen Quellen zu erhöhen, jedoch fehlt es am Geld für
Instrumente wie zum Beispiel einem weiteren Konzertflügel.
Die vorhandenen Instrumente müssten überholt werden: Von
29 Klarinetten wären noch zehn zu retten, von elf Fagotten
sind vier irreparabel verloren, und von den 74 Geigen, die das Haus
besitzt, sind nur 15 wirklich bespielbar.
Trotzdem arbeiten alle mit großer Freude und viel Engagement
vielleicht gerade deswegen.
Inka Stampfl
Sollten sich in Deutschland Mäzene finden, die dieser Spezialmusikschule
für hochbegabte Kinder helfen wollen, können sie ihre
Spende richten an die: Gartow Stiftung, Freunde der Musik St. Petersburg,
Schulauer Moorweg 25, 22880 Hamburg-Wedel, Tel. und Fax 04103/123
133, Stichwort: Spezialmusikschule, Konto-Nr. 162, BLZ 270 325 00,
Bankhaus C.L. Seeliger Wolfenbüttel