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nmz-archiv
nmz 2000/11 | Seite 19
49. Jahrgang | November
Deutscher
Kulturrat
Flächenbrand Bürgerschaftliches Engagement
Wie Feuer und Wasser Das Bürgerschaftliche Engagement
und der Staat · von Olaf Zimmermann
Der Kulturbereich spielt in der Debatte um die Zukunft des Bürgerschaftlichen
Engagements eine bedeutende Rolle. Die Diskussion um die Reform
des Stiftungs- und des Stiftungssteuerrechts war ein Lehrstück,
wie mit dem positiven Image der Kultur einem Gesetzesvorhaben Kontur
gegeben werden kann. Dass mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen
Förderung von Stiftungen ein Erfolg errungen wurde, der
auf das stetige und nicht nachlassende Engagement der Kulturpolitikerinnen
und Kulturpolitiker im Deutschen Bundestag und in den Kulturverbänden
zurückzuführen ist, darf nicht außer Acht gelassen
werden. Ohne dieses kontinuierliche Engagement wäre es kaum
gelungen, das Thema Reform des Stiftungs- und des Stiftungssteuerrechts
über einen so langen Zeitraum in der öffentlichen Diskussion
zu präsentieren und zu einem so erfolgreichen Abschluss zu
bringen.
Jetzt wird es darauf ankommen, den Atem für den zweiten Schritt,
die Reform des Stiftungszivilrechts, zu behalten. Hier sind zähe
Verhandlungen mit den Ländern zu erwarten, geht es zum guten
Teil bei diesem Reformvorhaben doch darum, dass der Staat Macht
abgibt. Ein wesentlicher Bestandteil des Reformvorhabens besteht
darin, dass sich die Stiftungsaufsichtsbehörden verändern
von hoheitlich handelnden Genehmigungsbehörden zu Beratungsinstitutionen.
Sie sollen künftig den Stifterinnen und Stiftern bei der Verwirklichung
ihres Stiftungsvorhabens zur Seite stehen. Unter anderem sollen
sie in der Zukunft auch die notwendige Abstimmung mit den Finanzbehörden
übernehmen.
Bei der Reform des Stiftungszivilrechts wird sich auch erweisen,
wie ernst es der Politik, der Verwaltung aber auch den Verbänden
mit dem Bürgerschaftlichen Engagement tatsächlich ist.
Soll die Spende von Geld oder/und von Zeit ein zusätzliches
Sahnehäubchen in der Kulturfinanzierung sein, wie es bislang
beim Sponsoring ist, oder sollen Potenziale für eine dauerhafte
Finanzierung von Einrichtungen, Förderinstitutionen und Projekten
entwickelt werden.
Gegen das Kultursponsoring wurde in den vergangenen Jahren angeführt,
dass die Sponsoren Vorgaben machen und die Förderung unzuverlässig
ist. Verkannt wurde dabei, dass Sponsoring eben nichts mit Mäzenatentum
zu tun hat, sondern eine Werbeleistung eingekauft wird. Gegenüber
dem Sponsoring schien die öffentliche Förderung ein sicherer
Hafen zu sein. Eine inhaltliche Einmischung wurde nicht vermutet
und das Geld schien zumindest zur Absicherung der finanziellen Grundlast
sicher zu sein. Dieses ist heute nicht mehr der Fall. Auch im Hafen
der öffentlichen Kulturfinanzierung wehen andere Winde und
viele Einrichtungen sind in ihrer Grundsubstanz gefährdet oder
werden geschlossen.
Fesseln des Haushaltsrechts
Die schwierige finanzielle Lage der öffentlichen Haushalte
macht es immer aufwendiger, Mittel für freiwillige Leistungen
bereitzustellen. Da Kultur zu den freiwilligen Aufgaben gehört,
ist es schwer hierfür Mittel in die Haushalte einzustellen.
Besonders gefährdet sind die Etats für die freie Kulturarbeit
und die Förderung von Projekten. Hiermit sind keine festen
Zusagen oder Personalstellen verbunden, daher können Kürzungen
und Streichungen leichter durchgeführt werden.
Mit der Krise der öffentlichen Haushalte werden auch die
Schwierigkeiten, die mit der öffentlichen Kulturfinanzierung
verbunden sind, offensichtlicher. Mit zunehmender Knappheit der
finanziellen Ressourcen werden auch die Vorschriften der Haushaltsgesetzgebung
restriktiver ausgelegt.
Es wurden in der Bundeshaushaltsordnung sowie den Landeshaushalten
Instrumente geschaffen, die einen flexibleren Umgang mit öffentlichen
Mitteln erlauben, diese Instrumente werden teilweise aber noch nicht
ausgeschöpft. Ein wichtiges Instrument geförderten Einrichtungen
eine flexiblere Mittelbewirtschaftung zu ermöglichen, sind
die Selbstbewirtschaftungsmittel. Haushaltstitel, die mit dem Vermerk
zur Selbstbewirtschaftung freigegeben versehen werden,
können in das folgende Haushaltsjahr übertragen werden.
Damit soll das berühmte Dezemberfieber eingedämmt
werden. Das Dezemberfieber führt ansonsten dazu,
dass zum Jahresschluss noch Einkäufe getätigt werden,
um eine Rückzahlung nicht verbrauchter Mittel zu vermeiden.
Leider werden die positiven Ansätze in der Bundeshaushaltsordnung
wie die Selbstbewirtschaftungsmittel bislang zu selten gewährt.
Ein Hemmschuh ist hierbei weniger das Parlament als viel mehr die
Verwaltung. Ihr Einfluss auf geförderte Einrichtungen würde
bei einer Ausschöpfung der vorhandenen Möglichkeiten innerhalb
des Haushaltsrechts abnehmen. Dieser Machtverlust wird oft nicht
hingenommen.
Dabei hat auch die Verwaltung selbst mit dem von ihr geschaffenen
Haushaltsrecht Probleme. Ein bekanntes Beispiel sind hierfür
die Worte von Staatsminister Naumann, der von den Fesseln
des Haushaltsrechts spricht. Er tritt mit den von seinem Haus
geförderten Einrichtungen vielfach die Flucht in andere Rechtsformen
an oder empfiehlt sie. Die Errichtung einer Stiftung ist scheinbar
das probate Mittel, wie sich die Kulturverwaltung eines Problems
entledigen kann. Der schwarze Peter der Unzulänglichkeiten
des öffentlichen Haushaltsrechts wird nun den verantwortlichen
Gremien und der Geschäftsführung der Stiftung zugeschoben.
Nach wie vor steuert aber die Verwaltung über die jährlichen
Zuwendungen die Stiftung.
Dies ist meines Erachtens nicht nur ein falscher Weg, den Zwängen
des Haushaltsrechts zu entkommen, es ist sogar der Missbrauch der
Institution Stiftung. Eine Stiftung sollte gerade für Unabhängigkeit
stehen. Eine Stiftung muss ihre Zwecke aus den Erträgen ihres
Vermögens erfüllen können.
Sie darf nicht von jährlichen öffentlichen Zuweisungen
abhängig sein. Eine Stiftung darf vom Staat weder inhaltlich
über die Gremien noch über den Geldzufluss dominiert werden.
Davon ausgenommen, ist die übliche Aufsicht über die Erfüllung
der satzungsgemäßen Zwecke einer Stiftung, die von den
Stiftungsaufsichtsbehörden ausgeübt wird.
Dieser Stiftungsaufsicht unterliegen alle Stiftungen. Sie bietet
Stifterinnen und Stiftern die Gewähr, dass auch Jahrzehnte
nach der Stiftungserrichtung und dem Tod der Stifterinnen und Stifter
weiterhin die beabsichtigten satzungsgemäßen Zwecke verfolgt
werden.
Bedenklich bei der Gründung von Stiftungen der öffentlichen
Hand ist über das bereits Gesagte hinaus, wenn von einem Ressorts
die Mittel zur Unterhaltung der laufenden Geschäfte einer Stiftung
gewährt werden und Vertreter genau dieses Hauses in den Aufsichtsgremien
der Stiftung sitzen.
Ferner erschweren die Schattenhaushalte, die durch die Gründung
von Stiftungen der öffentlichen Hand entstehen, dem Parlament
die Kontrolle über das Haushaltsgebaren einzelner Ministerien
oder Ressorts.
Erfolgsstory Bürgerschaftliches Engagements
Sind Stiftungen also keine Lösung aus dem Problem der Kulturfinanzierung?
Ich denke doch; wenn richtige Stiftungen gegründet werden;
wenn sich der Staat nach Gründung tatsächlich zurückzieht;
wenn die Stiftung Teil des Dritten Sektors ist.
Denn der Dritte Sektor, also die Vereine, Stiftungen, Genossenschaften
etc., ist ein eigener Bereich neben dem Markt und dem Staat. Der
Dritte Sektor kann vom Staat, dem Markt und den Privaten Haushalten
klar abgegrenzt werden.
Das bedeutet auch, dass der Staat den Dritten Sektor weder organisieren
kann noch sollte. Die Erfolgsstory Bürgerschaftliches
Engagements führt derzeit zu der Entwicklung, dass sich die
Landesregierungen aufgerufen fühlen, eigene Stellen zum Ehrenamt
oder zum Bürgerschaftlichen Engagement einzurichten. So gibt
es kaum ein Bundesland, in dem sich nicht mindestens ein Referat
in einem Ministerium, sei es das Jugendministerium, das Innenministerium,
die Staatskanzlei oder ein anderes Haus, eingerichtet wurde, das
sich mit der Förderung des ehrenamtlichen oder allgemeiner
des Bürgerschaftlichen Engagements befasst. Und auch auf Bundesebene
gibt es verschiedene Ressorts, die mit der Fragestellung betraut
sind. Solange diese Referate sich in erster Linie mit der praktischen
Umsetzung verbesserter Rahmenbedingungen befassen, erfüllen
sie die Aufgaben der Verwaltung. Die Verwaltung meint aber mitunter,
am besten zu wissen, wie das Ehrenamt zu funktionieren habe.
Sie glaubt teilweise, das Ehrenamt oder das Bürgerschaftliche
Engagement organisieren zu können. Eine solche Einstellung
beachtet die Trennung der Sektoren nicht. Die Entwicklung der Zivilgesellschaft
wird dadurch eher behindert als gefördert.
Bürgerschaftliches Engagements wird in diesem Zusammenhang
oft verkürzt auf das Ehrenamt. Bürgerschaftliches Engagements
ist aber mehr. Es beinhaltet sowohl die Spende von Zeit also
das Ehrenamt als auch die Spende von Geld.
Chancen und Grenzen des Bürgerschaftlichen Engagements
Die Diskussion um die Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements
bietet die Chance, grundlegend zu debattieren, welche Aufgaben der
Staat, welche die Wirtschaft, welche die Organisationen des Dritten
Sektors und welche die Bürgerinnen und Bürger wahrnehmen
sollen. Dazu gehört neben den Potenzialen des ehrenamtlichen
Engagements auch von den Grenzen dieser freiwilligen Tätigkeiten
zu sprechen. Darüber nachzudenken, ab welchem Punkt es geradezu
kontraproduktiv für die Einrichtungen, den Verein oder die
Allgemeinheit ist, wenn Aufgaben ehrenamtlich wahrgenommen werden.
Ebenso muss ohne Vorurteile darüber debattiert werden, in welchen
Einrichtungen gerade das ehrenamtliche Engagement wenig Erfolg haben
wird. Ich denke in diesem Zusammenhang an Theater, die sowohl in
Hinblick auf ihre Verwaltung, als auch die Technik und erst recht
mit Blick auf ihre künstlerischen Produktionen voll professionalisiert
sind und in denen ehrenamtlich Aktive allenfalls so befriedigende
Aufgaben wie den Garderobendienst finden. Für solche Einrichtungen
manifestiert sich Bürgerschaftliches Engagements nicht so sehr
im Ehrenamt in den Häusern sondern viel eher als Engagements
in Fördervereinen oder Förderkreisen, die durch die Sammlung
von Geld für Einrichtungsgegenstände oder auch Inszenierungen
sehr wirkungsvoll ihr Engagement für ihr Theater unter Beweis
stellen können.
Damit dieses Engagements seine Wirkung entfalten kann, muss das
Haushaltsrecht geändert werden. Die derzeitigen Festlegungen
einer Institutionellen Förderung schreiben fest, dass hinzutretende
Mittel den Förderbetrag der öffentlichen Hand senken.
D.h. private Mittel wie beispielsweise Spenden für eine Inszenierung
führen dazu, dass um genau den gespendeten Betrag die Förderung
gekürzt wird. Die Einrichtung steht am Ende genau so arm wie
vorher da.
Da teilweise auch bei Projektförderungen so verfahren wird,
dass zusätzlich hinzugewonnene Mittel auf die Förderung
angerechnet werden, bedeutet auch die Umstellung von Institutioneller
auf Projektförderung keine Lösung des Problems.
Die vollständige Anrechnung von Spenden auf die Förderung
der öffentlichen Hand lässt das Interesse der Einrichtungen
erlahmen, sich um andere Geldquellen zu bemühen, da sie über
den finanziellen Status Quo nicht hinauskommen. Darüber hinaus
ist es unmöglich private Geldgeber zu finden, wenn die Spende
dazu führt, dass die öffentliche Förderung gekürzt
wird. Also überhaupt keinen finanziellen Effekt erreicht. Wenn
die Akquirierung privater Mittel zu einem solchen finanziellen Nullsummenspiel
wird, sinken auch die Anreize für Vereine und auch für
spendenbereite Bürgerinnen und Bürger auf Null.
Zusätzlich ist zu bedenken, dass der Kulturbereich nicht der
erste Bereich ist, der auf dem privaten Spendenmarkt auftritt. Bei
der Gewinnung von Spenden handelt es sich um einen Markt mit einem
starkem Konkurrenzdruck. Die Wohlfahrtsverbände und einige
Umweltschutzorganisationen haben einen festen Platz im Spendenmarkt.
Sie verfügen über professionelle Fundraising-Abteilung
oder arbeiten mit Agenturen zusammen, die auf diesen Markt spezialisiert
sind. Im Kulturbereich ist das Wissen um Methoden des Fundraising
vielfach nicht vorhanden.
Ein wichtiges Arbeitsfeld für Organisationen des Dritten Sektors
wird demnach im Kulturbereich in den nächsten Jahren die Professionalisierung
in der Mittelbeschaffung sein. Der Staat wird teilweise aufgrund
der schwierigen Haushaltslage nicht mehr der einzige Ansprechpartner
zur Finanzierung von Vorhaben sein können. Teilweise erscheinen
den Organisationen aber auch andere private Geldquellen als geeigneter,
weil die Mittel flexibler verwendet werden können.
Doch können sich gemeinnützige Kulturorganisationen nicht
allein darauf verlassen, mit Hilfe von privaten Spenden ihre Haushaltslöcher
zu stopfen. Sie müssen auch die vorhandenen Möglichkeiten
der wirtschaftlichen Betätigung nutzen. Dabei darf keine Gewinnerzielungsabsicht
als solche verfolgt werden, sondern es geht darum, dass erzielte
Einnahmen dem gemeinnützigen Bereich wieder zugeführt
werden. Nur wenn dies gewährleistet ist, sind die Steuervorteile
von gemeinnützigen Organisationen zu rechtfertigen.
Die Erwirtschaftung von Eigenmitteln ist aber nur dann sinnvoll,
wenn die Organisation die Mittel auch behalten darf. Wenn die Erwirtschaftung
von Eigenmitteln dazu führt, dass die öffentliche Förderung
gekürzt wird oder aber dass die erwirtschafteten Mittel dem
Staat überwiesen werden müssen, tritt der oben beschriebene
Effekt des Nullanreizes ein.
Der Ball liegt bei der Politik
Der 14. Deutsche Bundestag hat zu Beginn dieses Jahres eine Enquete-Kommission
Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements eingesetzt.
Aufgabe dieser Enquete-Kommission ist es, Gesetzesvorschläge
zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Bürgerschaftliches
Engagements zu erarbeiten. Als erste Enquete-Kommission des Deutschen
Bundestags hat sie darüber hinaus den Auftrag, die laufende
Gesetzgebung zu begleiten.
Der Enquete-Kommission gehören 22 Mitglieder an. Sie setzt
sich aus 11 Abgeordneten und 11 Sachverständigen zusammen.
Die 11 Abgeordneten haben wiederum Stellvertreter. Als Sachverständige
wurden Wissenschaftler und Vertreter aus Verbänden vom Bundestagspräsidenten
berufen. Die Sachverständigen sollen unter anderem den Praxisbezug
der Gesetzgebungsvorschläge gewährleisten.
Eine der zentralen Aufgaben der Enquete-Kommission des Deutschen
Bundestags Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements
wird sein, die vorhandenen Hemmnisse zur Entwicklung von Bürgerschaftlichen
Engagements zu untersuchen und daraus gesetzgeberische Vorschläge
abzuleiten. Die Enquete-Kommission wird sich in diesem Zusammenhang
mit dem Verhältnis Staat, Bürger, Markt und Dritter Sektor
befassen müssen.
Eine wichtige Aufgabe der Enquete-Kommission muss daher auch das
Bundeshaushaltsrecht sein. Das Bundeshaushaltsrecht ist eine der
wichtigen Stellschrauben für mehr Eigenständigkeit von
Einrichtungen und für mehr Engagement der Bürgerinnen
und Bürger. Werden die Schrauben gelockert und modernen Anforderungen
angepasst, kann sich der Staat zurücknehmen.
Bürgerschaftliches Engagements und Staat sind wie Feuer und
Wasser: Es muss darum gehen, dass das aufflammende Bürgerschaftliche
Engagement nicht durch den regulierenden Staat gelöscht wird