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nmz-archiv
nmz 2000/11 | Seite 11
49. Jahrgang | November
Kulturpolitik
Drei-Opern-Stadt Berlin
Christoph Stölzls Konzept wirft viele Fragen auf
Lange schon brodelte es in der Gerüchteküche, schließlich
legte Berlins Kultursenator Christoph Stölzl sein Konzept zur
Neuordnung der Berliner Opernbühnen vor. Dieses ist freilich
vor allem mit vielen Fragezeichen behaftet.
Die positive Nachricht lautet immerhin: Es ist nicht beabsichtigt,
eines der drei Opernhäuser zu schließen, vielmehr soll
das Profil jedes einzelnen Hauses inhaltlich so geschärft werden,
dass ein insgesamt breiteres Repertoire angeboten wird. Dafür
sollen die Deutsche Oper und die Deutsche Staatsoper Unter den Linden
unter einer obersten Geschäftsleitung, wahrscheinlich aber
mit je eigenen künstlerischen Spitzen in einer rechtsfähigen
Anstalt öffentlichen Rechts zusammengefasst werden bei
Erhaltung beider Orchester in verkleinerter Form und Zusammenführung
von Verwaltung, Werkstätten und Technikpool, aber auch der
Chöre , während die Komische Oper mit ebenfalls
reduziertem Orchester als zukünftige Anstalt öffentlichen
Rechts eigenständig bleibt.
Das inhaltliche Konzept weist der Staatsoper künftig vor allem
die Vorklassik, Klassik und frühe Romantik zu, der Deutschen
Oper dagegen die große Oper des 19. Jahrhunderts bis in die
Gegenwart. Die Komische Oper soll ein umfangreiches Repertoire vor
allem in den Genres Spieloper, Singspiel, Opéra Comique präsentieren.
Von der vollständigen Umsetzung des Konzeptes, die freilich
in einer Zeitperspektive von wenigstens fünf Jahren zu sehen
ist und unter anderem eine Reduzierung der Ensembles um insgesamt
100 Orchestermusiker sowie 40 Chorsänger bedeutet, verspricht
sich die Senatsverwaltung Einsparungen von jährlich um die
20 Millionen Mark, wovon die Hälfte jedoch in die Qualität
der Häuser investiert werden soll.
Senator Stölzl geht in der Entwicklung seiner Reformpläne
behutsam vor. So soll das Konzept, bevor es sich überhaupt
zur Senatsvorlage verfestigt, zunächst an Runden Tischen
diskutiert werden, während eine Expertenkommission die Umsetzung
des Modells am Beispiel fiktiver künstlerischer Planungen für
die Berliner Opernhäuser prüft. In der Tat drängen
sich viele Fragen auf: Wenn zwei große Opernhäuser mit
sehr verschiedenen Traditionen zusammengefasst werden, dennoch aber
ihre je eigene Identität nicht verlieren sollen, warum lässt
sich dann das dritte, kleinere Haus in den erhofften Rationalisierungsprozess
nicht einbeziehen?
Vor allem aber: Wie hat man sich das Profil eines Opernhauses und
Ensembles vorzustellen, in dem große Oper der
letzten 200 Jahre grundsätzlich ausgespart bleibt und auch
bei Mozarts Zauberflöte und Entführung
oder für Lorzing und die klassische Operette ein anderes Haus
den Vortritt haben soll? Und welcher Dirigent von internationalem
Rang ließe sich zum GMD eines solchen Unternehmens küren?
Ja, wie will man ein Opernorchester der Spitzenklasse halten, wenn
der Spielplan im Wesentlichen zwischen Händel, Boieldieu und
Donizetti pendelt?
Es ist gewiss notwendig und keineswegs allein vom Sparzwang diktiert,
die Spielpläne von drei Opernhäusern in einer Stadt bereits
in ihrer konzeptuellen Planung abzustimmen, und auch die weitergehende
Reform eines alle drei Häuser einbindenden Gesamtkonzepts sollte
einmal ausgelotet werden. Fast jede denkbare Neuordnung dürfte
nämlich eine interessantere Musiktheaterlandschaft in Berlin
bewirken, als sie sich derzeit darstellt. Der jetzt vorliegende
Konzeptentwurf freilich riskiert zu viel, vor allem den Identitätsverlust
eines der ältesten und traditionsreichsten Opernhäuser
in Deutschland, Unter den Linden. Stölzls Papier hat endlich
Bewegung in die Szene gebracht, aber es bedarf tatsächlich
noch einer gründlichen Diskussion und ebenso sorgfältigen
Überarbeitung. Sonst geht was kaputt.