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nmz-archiv
nmz 2000/11 | Seite XX
49. Jahrgang | November
Musikwirtschaft
Deutschland zum Klingen gebracht
Porträt Musikunternehmer: Das Tonstudio Bauer
in Ludwigsburg
Wir sind ein absoluter Dienstleistungsbetrieb! Übersetzt
steht diese Kernaussage der Chefin der Ludwigsburger Bauer Studios,
Eva Bauer-Oppelland, für Arbeitszeiten nach Bedarf.
Dennoch bedeutet eine solche auf Kundenbedürfnisse zugeschnittene
Orientierung keineswegs, wie bei vielen Unternehmen der sogenannten
new economy, bedingungsloser Einsatz bis zum Umfallen.
Flexibles Eingehen auf Wünsche und Möglichkeiten der Künstler
verlangt vielmehr Wochenend- oder auch nächtliche Schichten,
vorwiegend von den Tonmeistern. Die Produktionszeit selbst, in der
in einem der beiden hochmodern ausgestatteten Studios aufgenommen
wird, ist dabei in der Regel auf zehn Stunden begrenzt. Das Limit
geht auf Erfahrung zurück: Acht Stunden Aufnahme sind häufig
zu wenig, mehr als zehn Stunden fast immer zuviel.
Und
Erfahrung ist bei den Ludigsburgern eine Ressource, aus der sie
üppiger schöpfen können als nahezu jedes andere Tonstudio
in Deutschland. Im Frühjahr 1949 von Rolf Bauer, dem Vater
von Eva Bauer-Oppelland, gegründet, gehört es zu den ältesten
Aufnahmestudios in privaten Händen. Der Plural deshalb, weil
Eva Bauer-Oppelland das Unternehmen 1989 zusammen mit ihrem Mann
Reiner Oppelland vom Vater übernommen hat. Arbeitsteilig kümmert
sich Reiner Oppelland, der als Toningenieur in der Firma begonnen
hat, um das technische Management, während Eva Bauer-Oppelland
den Studiobetrieb fest im Griff hat.
Technische Pioniere
Von Anfang an gehörte Bauer zu den technischen Pionieren.
Bei technologischen Neuerungen hatte er die Nase vorn. Bereits 1958,
lange vor den Rundfunkstudios, hielt die Stereophonie Einzug, zehn
Jahre später wurde die Mehrspurtechnik eingeführt. Ab
1970 bekam die Aufnahmetechnik Flügel, besser gesagt Räder.
Bis heute gehören die Aufnahmen von Udo (Jürgens) 70
und Peter Alexander, die mit mobiler Technik gemacht wurden, zu
den meistverlangten der Unterhaltungskünstler. Ein Meilenstein
in musikalischer wie technischer Hinsicht bildete die Aufnahme des
legendären Köln Concerts des Jazzpianisten
Keith Jarrett 1975 in der Kölner Oper. Bis heute gehört
das Album zu den bestverkauften Jazzplatten aller Zeiten und begründete
eine langjährige, enge Zusammenarbeit mit dem Münchner
Produzenten Manfred Eicher und seinem ECM-Label.
Illustre Studiokunden: eine
Live-Session der Gruppe Pur in Studio 1 im September 2000.
Foto: Tonstudio Bauer
Neben umfassendem Service mit technischer Spitzenleistung zu überzeugen,
hat ebenfalls zum hervorragenden Ruf des Studios beigetragen, der
weit über Deutschland hinaus geht. In einigen angloamerikanischen
Kreisen gilt The Tonstudio geradezu als Synonym für
höchste Aufnahmekultur und brillante Klangqualität. Zum
guten Image, den das Studio seit Jahrzehnten bei Produzenten und
Musikern aus vielen Bereichen Jazz, Rock, Klassik, Blasmusik
und Schlager genießt, gehört wesentlich die Arbeit
der Tonmeister, die allesamt Musik studiert haben wie ihre Studiochefin.
Ganz wichtig sei die Chemie zwischen Tonmeister und Künstler,
betont Eva Bauer-Oppelland. Viel Fingerspitzengefühl ist deshalb
nötig, um bei Musikern, die zum ersten Mal in Ludwigsburg aufnehmen,
herauszufinden, mit welchem Tonmeister eine gedeihliche Zusammenarbeit
möglich ist. Bei langjährigen Kunden bildet sich regelmäßig
eine feste Verbindung mit einem bestimmten Tonmeister heraus, die
auch nicht aufgebrochen werden kann. Fünf bis sechs dieser
Klangmagier sind teils frei, teils als Angestellte in den Studios
beschäftigt. Weitere zehn Leute kümmern sich um alles
andere: Vertrieb und Vermarktung der hauseigenen Labels, Akquise,
Organisation, Buchung und Koordination.
Der Übergang von der klassischen Vinylplatte, die auch heute
noch zur Angebotspalette des Studios gehört, zur CD hat in
den 80er-Jahren zu einem richtigen Auftrieb bei Aufnahmen geführt.
Dagegen hat die Verbreitung von DAT-Rekordern, preiswerten Homestudios
und immer besseren Computern zu einem deutlichen Einschnitt geführt.
Für Künstler aus dem Bereich elektronischer Popmusik und
des HipHop wird oft nur noch die Postproduktion oder die Abwicklung
der LP-Pressung übernommen.
Neue Arbeitsbereiche
Verstärkt sind die Firmenleiter deshalb in den 90er-Jahren
in neue Bereiche vorgestoßen, wo lebendige Musiker benötigt
werden und High-End-Technik für akustische Aufnahmen mit anspruchsvollen
Klangvorstellungen zum Einsatz kommt. So entstanden in der letzten
Zeit vermehrt Filmmusiken, unter anderem Soundtracks für Filme
wie Anatomie und Freunde. Mit dem German
Pops Orchestra verfügt das Studio über einen Fundus
hochqualifizierter Orchestermusiker und Solisten, aus dem verschiedene
Orchester und Bläser- oder Streichersätze individuell
zusammengestellt werden können. Langsam setzt sich auch
im deutschen Filmgewerbe durch, richtige Orchesteraufnahmen zu benutzen,
beschreibt Bauer-Oppelland eine Entwicklung weg von den Midi-Geschichten.
Dazu gehört auch, dass an der Weiterentwicklung des DVD-Audio
gearbeitet wird.
Dennoch bilden Jazz, symphonische Blasmusik die Hälfte
aller Heeresmusikkorps verlässt sich auf das künstlerische
Verständnis und das versierte Handwerk der Bauer-Leute
und klassische Aufnahmen unter anderem mit dem Staatsorchester Stuttgart
nach wie vor wichtige Standbeine des Studiobetriebs. Bei jungen
Jazzmusikern betätigen sich die Bauers sogar des öfteren
mit Sonderkonditionen und beachtlichem Engagement als Förderer.
Auf der Referenzliste stehen (neben zahlreichen anderen) Namen wie
Lionel Hampton, Miles Davis, Chick Corea und Cassandra Wilson, Yehudi
Menuhin und Philipp Glas aus der Klassik, Pe Werner, Herbert Grönemeyer
und Pur aus der Pop-Rock-Ecke und World- Music-Größen
wie Mikis Theodorakis und Giora Feidman, die in Ludwigsburg aufgenommen
haben.
Vier eigene Verlage unterm Dach der Bauer Studios runden das Serviceangebot
für Musiker ab. Kräftige Konkurrenz ist dem Studio seit
einigen Jahren durch Rundfunkstationen erwachsen, die vermehrt auch
außerhalb ihres Kernbereichs aufnehmen und selbst Labels betreiben.
Bange ist den Studiobetreibern darum kein bisschen, verfügen
sie doch mit einer Neve VXS 60/60-Konsole über den Ferrari
unter den bestklingenden Mischpulten.
Seit fünfzig Jahren zählen die Bauer-Studios zu den führenden
der Branche. Für das Manager-Duo ist es erklärtes Ziel,
diese Stellung zu behaupten. Von der herausragenden Klangqualität
zeugt eine unverkäufliche Doppel-CD, die mit Aufnahmen von
fast drei Dutzend verschiedener Künstler zum 50. Jubiläum
erschienen ist. Ein aufregendes und spannendes Dokument.
Michael Scheiner
Weiter Informationen im Internet: www.bauerstudios.de
CD: 50 Jahre Jazz@Bauer