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nmz-archiv
nmz 2000/11 | Seite 30
49. Jahrgang | November
Pädagogik
Kindgerechte Vorbereitung aufs Fagottspiel
Das Fagottino und seine Bedeutung für den Instrumentalunterricht
Im Rahmen eines Landesfachkurses der Musikschule J.S. Bach
in Leipzig fand im September das 1. Fagottino-Symposium statt. Der
Teilnehmerkreis bestand überwiegend aus Pädagogen, die
zum Teil mit ihren Schülern angereist waren. Aber auch interessierte
Eltern und Instrumentenbauer kamen, um an einem ersten Erfahrungsaustausch
rund um das Thema Fagottino teilzunehmen. Zum Auftakt demonstrierte
die Schar der jungen Schülerinnen und Schüler mit Kammermusikwerken
in verschiedenen Besetzungen den selbstverständlichen Umgang
mit den kleinen Fagotten. Die Begeisterung des Zusammenspiels war
so groß, dass die Kinder spontan beschlossen, in die Stadt
zu ziehen, um dort als Straßenmusikanten aufzutreten.
Einleitend wurde zunächst aus verschiedenen Blickwinkeln ein
Überblick über den derzeitigen Status des Fagottinos gegeben.
Besonders interessierten natürlich die Ansichten aus der Perspektive
der Fachkolleginnen und -kollegen. Nur sehr langsam können
sich gegen anfängliche Skepsis und Zurückhaltung die überwiegend
positiven Erfahrungen derjenigen Pädagogen durchsetzen, die
sich inzwischen eingehend mit dem Fagottinounterricht ab einem Alter
von ungefähr sechs Jahren befasst haben. Weit über zehn
Jahre ist es her, dass kleine Fagotte in Quint- und Quartlage in
den Prospekten der Instrumentenbauer auftauchten und zur Diskussion
anregten. Dabei haben sich in der Zwischenzeit wesentliche Verbesserungen
vollzogen, die das Fagottino in seiner heutigen Form zum idealen
Vorläufer für den problemlosen Umstieg auf das große
Fagott entwickeln konnten. Besonders sei hier das Interesse von
Guntram Wolf erwähnt, der als Teilnehmer mit dem Fachwissen
des Instrumentenbauers stets ein offenes Ohr für alle Fragen
und Anregungen zeigte und spontan die Realisierung von Vorschlägen
aus dem Symposium zusagte. Einer thematischen Gliederung folgend,
wurden dann die folgenden Aspekte referiert und erörtert:
pädagogische Fragen des frühkindlichen Instrumentalunterrichts,
methodische Aspekte unter Berücksichtigung der vorhandenen
Lehrwerke und Literatur,
spezifische Probleme des Fagottspiels,
Anforderungen an das Instrument aus der Sicht des Pädagogen,
Umstieg vom Fagottino auf das große Fagott.
Bedingt durch die für das Fagott nun gänzlich neue Perspektive
des Unterrichtsbeginns bereits ab dem Schulalter, besteht für
die didaktischen Konzepte erheblicher Nachholbedarf. Auf der einen
Seite gilt es, den etablierten Fagottlehrern geeignete Hilfen für
den frühkindlichen Unterricht an die Hand zu geben, um auch
der allgemeinen Musiklehre für dieses Alter gerecht zu werden.
Auf der anderen Seite müssen die spezifischen Anforderungen
des Fagottspiels soweit in die Methodik einfließen, dass zum
Beispiel die Technik des linken Daumens einschließlich einer
sicheren Beherrschung der Piano-Mechanik von Anfang an in das Lernkonzept
eingebunden sind.
Neben den bereits vorhandenen Fagottino-Schulen von G. ter Voert
und R. Müller ist seit kurzer Zeit das von Beate von Rüdiger
verfasste Zauberbündel erschienen. Das zweibändige
Lehrwerk, dem ein pädagogischer Kommentar für Lehrer zugehört,
wurde dem Teilnehmerkreis von der Autorin selbst vorgestellt. Aufmachung,
kindgerechte Formulierungen, Spiele und Bilder sprechen unmittelbar
an und zeigen deutliche Verwandtschaft zu den Inhalten der Musikalischen
Früherziehung. Die Diskussion im Teilnehmerkreis zentrierte
sich bald auf die Frage, inwieweit eine einheitliche Symbolik für
die Darstellung der Griffe gefunden werden sollte, die sowohl unmittelbar
umzusetzen ist, als auch den unterschiedlichen Ausstattungen der
Instrumente gerecht werden kann.
Noch in der Vorbereitung zum Druck befindet sich die Fagottinoschule
von Christoph Peter, die er zusammen mit den Unterrichtserfahrungen
aus seiner Tätigkeit in der Schweiz anschaulich den Teilnehmern
vorstellte. Ein sensibler Blick für die unterschiedlichen Wesenszüge
und die damit verbundenen Bedürfnisse der Kinder prägen
seinen pädagogischen Ansatz. Im Vordergrund steht bei ihm die
Freude am gemeinsamen Musizieren. Entsprechend groß ist die
Sammlung mehrstimmiger Stücke, mit denen die einzelnen Kapitel
ausgestattet sind. Flexibilität des Lehrers erfordern die zahlreichen
Lieder, die von den Kindern bekanntlich nur in der ihnen vertrauten
regional unterschiedlichen Version als richtig akzeptiert werden.
Bedarf an neuer Literatur
Einigkeit bei allen Teilnehmern des Symposiums bestand darin, dass
die Kinder die Töne auf ihren kleinen Instrumenten nicht klingend,
sondern gemäß den Griffen benennen sollen. Ein Umstieg
auf das große Fagott kann somit völlig problemlos vollzogen
werden. Dringend besteht aber nun Bedarf an neuer Literatur und
geeigneten Transpositionen für das Zusammenspiel. Dabei ist
darauf zu achten, dass beide Fagottino-Stimmungen, in F und in G,
Berücksichtigung finden. Die Firma Wolf wird sich dankenswerterweise
darum bemühen, als zentrales Forum bald eine Homepage unter
der Internet-Adresse www.fagottino.de zur Verfügung zu stellen,
wo dann unter anderem hoffentlich viele Notendateien von eifrigen
Pädagogen zum Austausch hinterlegt werden können. Wer
sich für die im kommenden Jahr geplante Fortsetzung des Symposiums
interessiert, wird ebenfalls unter dieser Adresse fündig werden.
Zum Abschluss der Zusammenkunft fand ein öffentliches Konzert
statt, bei dem die Kinder zusammen mit den Lehrern durch Spielfreude
und Können überzeugten. Als ein gelungenes Beispiel für
geeignete Transkriptionen erklang das Trio für Geige, Cello
und Klavier von J. Klengel op. 35 Nr. 2 in G-Dur, bei dem die Cellostimme
durch ein Quintfagott ersetzt wurde. Stefan Pantzier stellte die
jüngst im befoco-Verlag veröffentlichte Sonate KV 292
von Mozart in der Fassung für Quartfagott und Generalbass vor,
wobei er ein originales Instrument aus der Zeit um 1800 spielte.
Ebenfalls als Geschenk der Lehrer für die aufmerksam lauschenden
Kinder gedacht, brachte Heide Boenig die im selben Verlag erschienene
Sonate in e-Moll von B. Marcello auf einem Fagottino in G zu Gehör.
Für die weitere Realisierung des frühzeitigen Beginns
mit dem Unterricht auf dem Fagottino bedarf es nun der Initiative
von Musikschulen, der besondern Berücksichtigung bei der Ausbildung
von Studierenden an den Musikhochschulen und der Intensivierung
des in Leipzig begründeten Erfahrungsaustausches unter den
engagierten Pädagogen.