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nmz-archiv
nmz 2000/11 | Seite 41
49. Jahrgang | November
Jazz,
Rock, Pop
Papiamento, Crioulo und Swahili
Weltmusik: Neue Sprachen produzieren neue Musiken (Teil 2)
Das Spanisch in Lateinamerika verhält sich zum europäischen
Spanisch, also dem castellano, Kastilischen, etwa so
wie das Amerikanische zum Englischen. Brasilianisch und Portugiesisch
sind ebenso eng miteinander verbunden. Eine echte spanische Kreolsprache
gibt es nur in Sierra Leone, etwa jeder Sechste spricht Krio (nach
Englisch als Amtssprache und Mende und Temne); von einer Musik dazu
ist nichts bekannt. Dies dürfte damit zusammenhängen,
dass das Castellano aus verschiedenen Gründen schon 1492 (!)
zu einer Hochsprache unter den spanischen Regionalsprachen und Mundarten
wurde. Es gibt aber eine echte spanisch-portugiesisch-niederländische
Kreolsprache namens Papiamento, meist zugunsten anderer
Sprachen erloschen, in Kolumbien vor etwa 100 Jahren dem Spanischen,
auf den Philippinen dem Englischen gewichen. Papiamento gibt es
praktisch nur noch auf den Niederländischen Antillen, etwa
auf Curaçao. Von dort stammt ein Quintett namens Tipiko
Dividivi, sinngemäß Die typische Unterhaltung,
das sich mit einer Tanzmusik, wie man sie etwa auch aus Guayana
kennt, etwa zu Konjunktur, Inflation und Arbeitslosigkeit äußert:
Tipiko Dividivi: Populäre Musik aus Curaçao
(Koch International 323 528).
Sodann
gibt es ein kreolisches Portugiesisch, Crioulo, das in Teilen der
afrolusitanischen Welt gesprochen wird, nämlich auf den Kapverdischen
Inseln, in Guinea-Bissau und auf São Tomé und Principe.
Von den Cabo-Verde-Inseln vor dem Grünen Kap des Senegal
von deren Klima portugiesische Dichter schon immer geschwärmt
haben , von dort stammt die auch hier gefeierte Sängerin
Cesaria Evora, die zu temperamentvoller Orchestration mit afrikanischen
Elementen auch den Fado, den portugiesischen Blues einbezieht:
Cesaria Evora: Cabo Verde (Tropical/BMG 68.986).
Zwei weitere Kreolsprachen aus Afrika sind jedem bekannt, zunächst
das Afrikaans, auf holländischen Dialekten basierend, das fast
nur von Weißen und Mischlingen gesprochen wird. Es ist seit
1925 Schriftsprache; von traditioneller Musik auf Afrikaans kann
also (noch) keine Rede sein. Die andere Sprache ist in diesem Zusammenhang
wesentlich interessanter, häufig wird sie Kisuaheli genannt.
Richtig heißt sie Swahili, gehört zur großen Familie
der Niger-Kordofanischen Sprachen, Abteilung Bantu. Dies ist nicht
nur eine Sprache, es ist auch Geschichte und Kultur. Was es damit
auf sich hat, ahnt man, wenn man weiß, dass das Wort Swahili
vom arabischen sawahil stammt, Küsten.
Das 13. Jahrhundert war geprägt von islamischer Expansion
nach Ostafrika; um 1290 war die westliche Hälfte des Indischen
Ozeans von moslemischen Kaufleuten kontrolliert. Dies führte
dazu, dass Indien und Malaysia islamisch wurden die Seeverbindung
nach Osten war bereits alt, man denke daran, dass das Malagasy,
die madegassische Hauptsprache, zur indonesischen (!) Sprachfamilie
gehört. Die Araber waren Vielvölker-Konstellationen mit
vielen Sprachen gewohnt. Allerdings darf der Koran als Prosadichtung
nicht übersetzt werden, weshalb Sprachunterricht zur Missionarstätigkeit
gehört. Von einer Pidgin-Spache (vgl. nmz 6/00) ist nichts
bekannt; da jedoch die arabischen Kaufleute und ihre Angehörigen
zahlreich in Ostafrika einheirateten, entstand die Swahili-Kultur:
eine bantu-arabische Mischsprache islamischer Religion. Die Hauptstadt
Tanzanias heißt Dar-es-Salaam, arabisch: Dorf des Friedens.
Bizarres Nebenprodukt ist der Umstand, dass es auch arabische Piraten
gab, die den portugiesischen Newcomern um 1400 schwer zu schaffen
machten. Die Portugiesen waren letztendlich überlegen, sie
zerstörten ganze Swahili-Pracht-Städte, auch von ihnen
gingen Vokabeln ins Swahili ein, das als besonders wenig europäisch
geprägte Kreolsprache zwischen 1600 und 1800 Schriftsprache
wurde natürlich mit Musik, Tarabu. Zwei CDs seien herausgegriffen.
Asha Abdo Suleiman wird in Kenia Malika genannt, Königin.
Sie singt zu Ehren Allahs oder gibt praktische Verhaltensregeln
auf Malika: Tarabu Music from the Swahili of Kenia
(Wergo/SMD SM 1520-2). Im 18. Jahrhundert sorgten die Sultane von
Oman im Persischen Golf für das Verschwinden der Portugiesen
aus Ostafrika, um sich selbst auf der Gewürzinsel Zanzibar
niederzulassen. Dies verstärkte den islamischen Einfluss bis
nach Westafrika und den Kongo. Um 1900 wollte man der musikalischen
Kultur etwa Ägyptens nicht mehr nachstehen und importierte
neben den klassischen Instrumenten auch Geigen, die sich in Nordafrika
längst gegen die herkömmlichen Streichinstrumente durchgesetzt
hatten, die mit ihren Felldecken (vgl. Banjo) auf Änderungen
von Temperatur und Luftfeuchtigkeit reagieren. Mulia na Utamaduni
ist ein gutes Beispiel für die Swahili-Hochkultur mit deutlich
afro-arabischer Würzung: Mila na Utamaduni / Cultural
Musical Club: Spices of Zanzibar (Network 24.210, Versand
Zweitausendeins).