[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2000/11 | Seite 20
49. Jahrgang | November
Portrait
In den Welten und vor allem dazwischen
Der Zitherspieler Robert Zollitsch kennt keine Berührungsängste
Als ich Robert Zollitsch das erste Mal traf, war es auf dem internationalen
Folk- und Tanzfestival in Rudolstadt, da gehörte er für
mich wie so viele aus dieser Branche in die Ecke des naiven Exoten.
Und dann spielte er auch noch Zither, ein Instrument, welches durch
Benutzung in zahlreicher volkstümelnder Musik ohnehin problematisch
war. Dieses schiefe Bild wurde unmittelbar korrigiert, als ich ihn
spielen hörte. Da war ein musikalisches Engagement entwickelt,
das gegen den gegenwärtigen musikalischen und lyrischen Beliebigkeitsbrei
Position bezog, ohne abgedroschene und antrainierte Rhetorik wiederzukäuen.
Ob nun die musikalischen Einflüsse aus Bayern oder der Mongolei
stammten, war bedeutungslos. Da war nun einer auf der Bühne,
mit einer Präsenz und einer genau definierten Freundlichkeit.
Im Gespräch beim Frühstück am nächsten Morgen
verdichtete sich dieses Bild. Da saß kein weltabgewandter
Mensch neben mir, sondern einer, der sich immer am Ort befand und
selbst auf meine manchmal recht verquirlten Fragen ernsthaft-schmunzelnd
einging. Er ist schon ein besonderer Mensch, der Robert Zollitsch.
Den
Weg zur Zither fand der 1966 in München geborene Robert Zollitsch
auf folgende Weise:
Zuerst lernte ich Klavier bei einem recht klassischem Lehrer.
Wenn ich schlecht geübt hatte, schlug er mir im Takt auf
den Arm und sang dazu: ,Du dummes Schaf spiel nicht so falsch...
Mit acht habe ich dann dazu Zither gelernt. In Bayern ganz normal
eigentlich. Bei der Zither gab es dann für mich kein Maß
an klassischer Erziehung und so konnte ich mich auf dem Instrument
ganz frei und unabhängig entwickeln. Diese unorthodoxe
Haltung zur Musik, die sich früh ausbildete, hat Robert Zollitsch
bis heute durchgehalten. Das Spektrum seiner Auseinandersetzung
mit Musik reicht vom 17. Jahrhundert bis zum Jazz, von Bayern
über Tibet bis in die Mongolei.
Robert Zollitsch spielt Zither
Foto: Martin Hufner
Robert Zollitschs Beziehung zur Musik ist keinesfalls nur praktischer
Natur. Anfang der 90er-Jahre bot sich ihm die Möglichkeit innerhalb
eines Stipendiums des Deutschen Akademischen Austauschdienstes das
Spiel der chinesischen Zither Guqin in Shanghai zu studieren
und auch musikästhetischen, -soziologischen und -theoretischen
Fragen nachzugehen.
Zum einen wollte ich in China Guqin studieren, die klassische
chinesische Zither. Zum anderen beschäftigten mich Fragen
zur musikalischen Sprache und den unterschiedlichen Dimensionen
in musikalischer ,Grammatik, konkret die Frage ,Was ist
an Musik verstehbar? Diese Frage interessiert mich nach
wie vor, doch habe ich mich auch schon in China bald viel mehr
auf die praktische Seite konzentriert.
Die Erforschung anderer Musiksprachen interessiert ihn auch weiterhin.
Dabei geht Robert Zollitsch nicht wie ein akademischer Musikethnologe
vor, sondern wie ein Musiker, der höchste Ansprüche an
die musikalische Qualität stellt. Auch diese Haltung hebt ihn
aus dem Verständnis eines bloßen Weltmusik-Liebhabers
heraus. Er produzierte 1997 eine CD mit tibetischer Volkmusik, weil
er das Gefühl hatte, es wäre schön, auch tibetische
Volksmusik (und nicht nur die weltweit verbreitete Tempelmusik)
Musikhörern vor allem im Westen bekannt zu machen.
Kontakt und Verstehen
Robert Zollitsch entspricht damit überhaupt nicht dem Bild
des dilettierenden Weltmusikers, der sich vor lauter Staunen schnöde
an eine x-beliebige Kultur der Welt anbiedert. Im Gegenteil, seine
Annäherung ist höchst rational. Rational in dem Sinn,
dass fürs Musikmachen, Musikhören und Musikverstehen nicht
nur emotionale Fähigkeiten bedeutsam sind. Hier sieht Robert
Zollitsch Defizite und Probleme nicht nur bei Annäherungen
an fremde Musikkulturen, sondern auch in der uns umgebenden abendländischen.
Man muss die Musik ja nur anhören, um in Kontakt mit
ihr zu sein. Mit dem Verstehen ist das schon etwas ganz anderes.
Dabei sind emotionales Verstehen und analytisches Verstehen gleichermaßen
wichtig. Leider wird Musik meist nur ,emotional gehört
und den strukturellen musiksprachlichen Bedeutungen wird kaum
Beachtung geschenkt. Das führt dazu, dass man außereuropäische
Musik in der Regel nur äußerst oberflächlich versteht.
Das Gleiche gilt doch auch für europäische historische
Musik, denn auch hier werden unterschiedliche musikalische Sprachen
kreuz und quer konsumiert und das eigentliche Verständnis
bleibt extrem oberflächlich. Leider gilt dies auch für
die ausführenden Musiker. Ich habe nur sehr selten positive
Erlebnisse mit neuer Musik, ebenso aber mit Interpretationen europäischer
historischer Musik. In Musikkulturen mit relativ engem Gefüge
und starker traditioneller Einbindung dagegen erlebe ich leichter
das Gefühl, am eigentlichen Grund der Musik anzulangen. Dabei
gebe ich mich nicht der Illusion hin, ich würde Musiken anderer
Kulturen ,bis auf den Grund verstehen. Ich glaube aber,
dass ich recht gut ,strukturell höre und dadurch oft
recht viel verstehen kann.
Sich auf dem Musikmarkt zu platzieren ist für Robert Zollitsch
keine Frage des Marketings. Auch in dieser Hinsicht greift sein
Denken und Machen tiefer in den Katalog einer Kulturkritik, als
es die oberflächliche Tempogesellschaft für gewöhnlich
tut:
Es gibt viel zu viele Musikproduktionen. Das Niveau des
allgemeinen Musikkonsums entspricht dem gesellschaftlichen Bildungsniveau
und so sind die meisten dieser Produktionen einfach schlecht.
Die allgemeine Musik- und Kulturbildung an Schulen wird meiner
Ansicht nach viel zu wenig gefördert. Sie würde dazu
beitragen, Werte zu entwickeln und helfen, ein Bild eines ,guten
und verantwortungsvollen Lebens zu entwickeln. Was tun?
Mein Großvater hat dazu eine schöne aphoristische Frage
gestellt: ,Muss man nicht jedenfalls was möglich und notwendig
ist tun? Das betrifft jeden ganz persönlich. Für
mich auch ein Grund, warum ich doch weiter Musik mache.
In seiner letzten CD Zwiefach ist diese ungewöhnliche
Haltung unmittelbar zu spüren. Diese Musik ist lebendig gewordene
Erfahrung eines Menschen, dem von früher Kindheit an das Suchen,
Staunen, Denken und Spielen von und mit Musik mehr ist, als Tagesbegleitung
oder exotisches Rauschen.
Martin Hufner
CD-Veröffentlichungen:
Shesh (1993), Zanskar Solos und Duos für Zither (1994),
Tal Nutag mit Urna Chahar-Tugchi (1995), Crossing musikalische
Begegnungen von Mongolei, China und Europa (1997), Hödööd
mit Urna Chahar-Tugchi (1999), Traditional Music from Tibet (als
Poduzent) (1999), Zwiefach solo (2000)