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nmz-archiv
nmz 2000/11 | Seite 26
49. Jahrgang | November
Noten
Beethoven und immer noch kein Ende
Zum Abschluss der von Jonathan del Mar bei Bärenreiter herausgegebenen
Beethoven-Sinfonien
Musikgeschichtlich haben sie den Rang unübersehbarer Meilensteine,
an denen sich ganze Generationen von Komponisten abarbeiteten, und
aus dem Konzertsaal sind sie nicht wegzudenken: Beethovens neun
Sinfonien.
Kaum
vorstellbar ist es allerdings, dass noch bis vor kurzen Relikte
aus dem 19. Jahrhundert als Partituren und Stimmen auf den Pulten
der Dirigenten und Musiker lagen im Glücksfall übersät
mit etlichen Einzeichnungen, zumeist Ergebnissen intern kursierender
Korrekturlisten. Umso bemerkenswerter ist der vor nur wenigen Jahren
aufgenommene Wettstreit gleich mehrerer Verlage, einen wissenschaftlich
erarbeiteten wie aufführungspraktisch durchdachten, verbindlichen
Notentext vorzulegen. Während die Gesamtausgabe des Beethoven-Hauses
Bonn bisher nicht über die 1. Sinfonie hinausgekommen ist (Henle-Verlag)
und in der Edition Eulenburg (Schott) die 4. Sinfonie durch Bathia
Churgin herausgegeben wurde, ist Breitkopf & Härtel dabei,
den traditionellen Bestand seiner Orchesterbibliothek sukzessiv
durch Editionen von Clive Brown und Peter Hauschild zu erneuern.
Für einige Aufregung sorgte daher 1997 die Ankündigung
des Bärenreiter-Verlages, binnen kürzester Frist die Partituren
und das komplette Orchestermaterial aller neun Sinfonien mit Jonathan
del Mar als Herausgeber neu zu drucken.
Bereits 1985 begann del Mar die umfangreichen Vorarbeiten. Gegenüber
den verbreiteten älteren Ausgaben stand ihm eine wesentlich
erweiterte Basis von primären und sekundären Quellen zur
Verfügung wie etwa die erst 1988 bei einer Auktion bekannt
gewordene Korrekturliste Beethovens zur 9. Sinfonie. Mit diesem
Werk wurde auch die Reihe eröffnet, die im Sommer dieses Jahres
nun mit der 7. Sinfonie abgeschlossen werden konnte.
Neben den äußerlichen Dingen wie Notenbild und Papierqualität
steht auch der editorische Wert der Ausgaben außer Zweifel.
Wie sehr del Mar dabei an den Benutzer denkt, zeigt nicht nur das
jeweils auf die Quellensituation des jeweiligen Werkes bezogene
Vorwort, sondern auch der umfangreiche, als Beiheft in englischer
Sprache erschienene Kritische Bericht. Dabei wird vermieden, dem
Interessenten durch einen kaum mehr aufzuschlüsselnden Wust
von Abkürzungen die Lust am Nachvollzug der Herausgeberentscheidungen
zu nehmen. So sind alle herangezogenen Quellen stets im Hinblick
auf die Edition erläuternd beschrieben (Auflistungen von Wasserzeichen,
Lagenordnung et cetera entfallen), die Bemerkungen zu den einzelnen
Lesarten fallen ebenso knapp wie genau aus.
Nicht allein die Durchsichtigkeit der Edition und die auf dem
Bärenreiter-Material basierende wirksame Interpretation der
Sinfonien durch David Zinman (bei Arte Nova) sorgten schließlich
für den zuvor wohl kaum erwarteten Erfolg der Ausgabe, sondern
letztlich auch der Wunsch und Bedarf der Musiker nach einem Notentext
aller neuen Sinfonien, der verlässlich den neuesten Erkenntnisstand
widerspiegelt. Dass aber gerade dieser Erfolg Herausgeber und Verlag
vor neue Herausforderungen stellt, hatte wohl niemand geahnt. So
üblich es ist, den einen Stichfehler in der nächsten Auflage
zu korrigieren, so schwierig wird es, wenn das eine oder andere
Detail neu bewertet wird oder bislang unbekannte Quellen zu einem
Werk zugänglich werden. Dies betrifft vor allem die 1997 erschienene
7. Sinfonie, zu der jetzt ein gedruckter Stimmensatz mit Eintragungen
von Beethovens Hand aus dem ehemaligen Besitz von Graf Lobkowitz
vorliegt (erstmals berücksichtigt in der Ausgabe von Peter
Hauschild für Breitkopf & Härtel). Er findet ganz
natürlich nun auch bei del Mar Berücksichtigung
nur dass an dem Benutzer der 1. Auflage, der sich bereits im Besitz
des »Urtext« wähnt, die Änderungen vorbeigehen
(der 9. Sinfonie ist inzwischen nach dem letzten Satz eine Korrekturliste
hinzugefügt). So sympathisch dieses Verfahren als ein work
in progress ist und den fast schon zum Markenzeichen verkommenen
Begriff des Urtextes zu relativieren hilft, so schwierig
wird es für den Verlag sein, dieses Verfahren den Käufern
der ersten Auflagen zu erläutern. Zwar ist es utopisch, einzelne
Seiten zum Austausch zu verschicken (eine Partitur ist nunmal keine
Sammlung loser Blätter), doch wäre es auch für zukünftige
Projekte durchaus denkbar, dem Vorbild der Software-Branche zu folgen
und per Postkarte oder Mail die Möglichkeit zu geben, ein anfallendes
Update zu ordern. Mit einem solch innovativen Verfahren aber kann
genau das vermieden werden, was erst die von Jonathan del Mar mit
größter Sorgfalt besorgte quellenkritische Neuausgabe
der Beethoven-Sinfonien so notwendig werden ließ nämlich
der feste Glaube an eine Tradition, von der freilich schon vor einhundert
Jahren behauptet wurde, sie sei nichts anderes als Schlamperei.
Michael Kube
Gutes Händchen
Georg Phillipp Telemann: Canons arias & sonatas for 2 Trumpets,
Selected and transcribes by John Miller, Boosey & Hawkes
John Miller hat aus Telemanns Sonaten für 2 Flöten beziehungsweise
Violinen 18 Stücke herausgesucht und sie für 2 Trompeten
bearbeitet. Hierbei hat er ein gutes Händchen bewiesen. Alle
Sätze lassen sich, wenn auch mit steigendem Schwierigkeitsgrad,
bewältigen. Da durch häufige Stimmkreuzungen beide Stimmen
nahezu gleichwertig sind, bieten sie für beide Interpreten
interessantes Spiel-und Übematerial. Die Duette sind außerdem
so gestaltet, dass sie dem Klang der Trompete und ihrer Spielweise
sehr entgegenkommen. Schwierigkeitsgrad: 34 (M1M2)