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nmz-archiv
nmz 2000/11 | Seite 24
49. Jahrgang | November
DVDs
Gesteigerter Opern-Genuss
DVD-Musiktheater von Puccini, Strauss und Wagner
Spektakulär war das neue Medium angekündigt worden, als
DVD Music Breakthrough, als Durchbruch im 5-Kanal-Ton, gar als virtuelle
Realität. Und wer über eine Surround-Anlage verfügte,
konnte sich bereits im Jahre 1998 überzeugen, dass man bei
Berlioz Te Deum klanglich mitten in jener Kathedale
von Saint John the Divine in New York sitzen konnte, die das mitgelieferte
Standbild mitsamt Titel auf den Bildschirm lieferte (Delos DV 7002).
Neben einer Reihe von Audio- und Videotests lieferte Delos in dieser
mehr Kino- als Konzertsaal-Atmosphäre auch Tschaikowskys Ouvertüre
1812 (Delos DV 7001), Strauss Also sprach Zarathustra
und Holsts Planeten (Delos DV 7003), alle mit dem Dallas
Symphony Orchestra mit dem für diesen neuen Klangrausch offenbar
prädestinierten Dirigenten Andrew Litton. Aber der mehr als
nahe liegende Schritt zur Musiktheater-Edition ließ auf sich
warten.
Ene der ersten Opern auf DVD war Puccinis Turandot,
mit dem Zusatz at the forbidden City of Beijing, ein
Mitschnitt des aus Anlass dieses Tourismus-Spektakels im September
1998 nach Peking exportierten Maggio Musicale Fiorentino unter Zubin
Mehta, gemeinsam produziert von der UFA und von BMG im Rahmen der
Reihe RCA Red Seal (74321 609172). Der Zuschauer kann hier nicht
nur zwischen Untertiteln in sechs Sprachen wechseln, in einem Feature
hinter die Kulissen blicken, das Making of
der Produktion in Bild und Ton auch in mehreren Sprachen
erfahren, und sich bei der spektakulären Opernaufführung
partiell selbst als Bildregisseur betätigen, das heißt
in einigen Szenen den Blickwinkel der Kamera selbst auswählen.
Auf eigenen Audio-Tracks kann man die Oper auch ausschließlich
als Tonaufnahme hören und dazu Standfotos aus der Inszenierung
betrachten. Dafür fällt das Beiheft bei Opern-DVDs in
ihrer Hochformat-Verpackung zumeist geringer aus, aber nicht nur
das mehrsprachige Libretto findet sich ja auf der DVD selbst, wie
auch Filmbeiträge zur Oper und der Besonderheit der Produktion,
soweit diese überhaupt produziert wurden und die Rechte
hierfür auch für die DVD zu bekommen waren.
Nur ein Drittel des Platzes der CD-Einspielung unter Bernstein
nimmt die jetzt bei Arthaus erschienene Gesamtaufnahme von Tristan
und Isolde unter Zubin Mehta ein: Erster und zweiter Aufzug
passen auf eine DVD, die zweite ist speichermäßig mit
dem dritten Aufzug maximal zur Hälfte ausgelastet. Der gesamte
Ring-Zyklus würde wohl auf sieben Scheiben Platz
finden. Wie schon bei der Laser-Disc sind jene Inszenierungen für
den Bildschirm besonders ergiebig, die auch auf der Bühne über
einen hohen Spektakel-Wert verfügen, und das sind in
der Regel eigenwillige, von der Regie getragene, in ihren optischen
Reizen geradezu experimentelle Aufführungen des Musiktheaters.
Peter Konwitschnys bei den Münchner Opernfestspielen des Sommers
1998 heftig umstrittene Inszenierung von Tristan und Isolde
ist auf dem neuen Medium kurzweilig, spannend und von jener Heiterkeit
der Liebe erfüllt, die dem Regisseur bei seiner optimistischen
Interpretation der wohl berühmtesten Liebesgeschichte vorgeschwebt
hat. In Brian Larges erfahrener Bildregie vermittelt sich Konwitschnys
eigenwillige Lesart in ihrer Subtilität womöglich gar
besser als im Nationaltheater. Die Nahaufnahmen unterstreichen,
mit welcher Intensität alle Protagonisten erfüllt sind
von dieser kindlich verspielten und heutigen Sichtweise. Getragen
wird die Interpretation besonders von der in jeder Regung überzeugenden
Waltraud Meier (Isolde). Jon Frederic Wests Leis-tung als Tristan
reicht da nicht ganz heran, auch wenn er über enorme stimmliche
Reserven verfügt. Überzeugend in Gesang und Spiel auch
die Randfiguren Marjana Lipovsek (Brangäne), Bernd Weikl (Kurwenal)
und Kurt Moll (Marke). Zubin Mehtas Interpretation mit dem Bayerischen
Staatsorchester hat ihre Meriten in verhaltenen, leisen Passagen,
die auf dem neuen Trägermedium ungeschmälert wirkungsvoll
zum Tragen kommen. Untertitel für das Wagner-Publikum gibt
es in Englisch, Deutsch (!), Französisch, Italienisch, Spanisch,
Niederländisch und Schwedisch (Arthaus DVD 100 056).