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nmz-archiv
nmz 2000/12 | Seite 48
49. Jahrgang | Dez./Jan.
Aktuell
Köln, wie es sinkt und kracht
Theater-Krieg: Intendant Günter Krämer will gehen,
aber eigentlich doch wieder nicht
Das tonangebende Lokalblatt nennt es Theaterkrieg. Dabei findet
die Auseinandersetzung, auch wenn sie von ausgiebigem Säbelrasseln
begleitet wird, auf einem Feld statt, auf dem das juristisch geschliffene
Florett am ehesten zum Erfolg führt. In Köln macht das
Theater endlich wieder Schlagzeilen, wenn auch nicht auf dem, was
auf, sondern mit dem, was hinter der Bühne geschieht. Die Kontrahenten,
die sich dabei gegenüberstehen, sind die landläufig Üblichen:
Die Stadt auf der einen und der Generalintendant der Bühnen
der Stadt, Günter Krämer, auf der anderen Seite.
Günter Krämer.
Foto: F. Timpe
Der Konflikt zwischen ihnen schwelte schon länger. Offen ausgebrochen
ist er am 19. September, als Krämer, einen Tag nach der Wahl
des CDU-Kandidaten Fritz Schramma zum Oberbürgermeister, seine
vorzeitige Kündigung einreichte. Diese bezog sich, und hier
liegt der Kern des Problems, jedoch nur auf die eine Hälfte
seiner Tätigkeit: Bereits zum Sommer 2002 wolle er, so teilte
Krämer mit, aus seinem bis 2005 laufenden Vertrag aussteigen,
doch bestehe er darauf, seine Regieverpflichtungen von drei Inszenierungen
im Jahr bis 2005 zu erfüllen. Der Rückzug kam, auch wenn
der Zeitpunkt seiner Bekanntgabe nicht eben von gutem Stil zeugte,
nicht ganz überraschend. Denn die Stadt hatte, mit den Stimmen
der CDU-Mehrheit im Rat, dem Generalintendanten, obwohl ihm eine
mittelfristige Finanzplanung zugesichert war, drei Millionen Mark
aus dem laufenden Etat herausgekürzt. Krämer verstand
das als Affront, der jeder seriösen, verantwortungsvollen Planung
den Boden entzog. Die Schwierigkeit, in die die Stadt damit geraten
ist, hat sie selbst zu verantworten. Schon 1997 hatte sie ohne Not
mit Krämer, und das ist in Theater-Deutschland wahrscheinlich
einmalig, einen Vertrag geschlossen, der eine solche Trennung der
Kompetenzen zulässt. Aus der Bredouille wieder herauszukommen,
könnte schwierig und langwierig werden. Denn welcher auch nur
halbwegs angesehene Theatermann findet sich bereit, als Intendant
in die Domstadt zu kommen, wenn er die ersten drei Jahre lang seinen
Vorgänger gleichsam als Erblast mitschleppen muss?
Statt die verfahrene Lage diskret und diplomatisch anzugehen,
platzte Kulturdezernentin Marie Hüllenkremer (parteilos) Ende
Oktober mit der Absichtserklärung an die Öffentlichkeit,
die Stadt wolle schon 2002 einen kompletten Neuanfang unternehmen:
Nicht nur von Krämer, sondern auch von seinem Schauspieldirektor
Torsten Fischer, dessen Vertrag ebenfalls bis 2005 gilt, werde eine
vorzeitige Trennung angestrebt. In der Stadt, die den Kürzungsbeschluss
und damit auch den Hauptanlass der Kündigung inzwischen zurückgekommen
hat, schlug das wie eine Bombe ein. Der Theaterkrieg war entbrannt.
Denn die Ankündigung enthielt unausgesprochen zwei Nachrichten,
die geeignet sind, Köln als Theaterort zu beschädigen:
Zum einen, dass die Stadt nicht gewillt ist, geschlossene Verträge
einzuhalten, und zum anderen, dass sie zwar nicht bereit ist, ihre
Bühnen angemessen auszustatten, für Abfindungen in vermutlich
sechsstelliger Höher aber sehr wohl Geld übrig hat.
So muss Köln jedem potenziellen Bewerber als wenig zuverlässiger
Partner erscheinen, dem es, was die Kulturdezernentin angeht, auch
noch an Kompetenz und Professionalität mangelt. Marie Hüllenkremer
nämlich muss eine technokratisch-kunstferne Vorstellung von
Theater haben, wenn sie es für möglich hält, Krämer
und Fischer auszutauschen, das Ensemble aber zu behalten und schon
für 2002 zwei fähige Nachfolger nebst einem Geschäftsführer
zu finden. So einfach wird sich der gewünschte Neuanfang nicht
bewerkstelligen lassen, und so erscheint, wie immer dieser Theaterkrieg
ausgeht, vor allem eins sicher: Der Bürger wird auf der Seite
der Verlierer stehen als Steuerzahler und als Zuschauer.