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nmz-archiv
nmz 2000/12 | Seite 50-51
49. Jahrgang | Dez./Jan.
Das aktuelle Musikbuch
& neue Noten
Buchumfrage
Biografisches
Ludwig
Finscher: Joseph Haydn und seine Zeit; Laaber-Verlag, Laaber
2000; 78 Mark.
Tiefer eintauchen in die Zeit der Wiener Klassik und in die Bedeutung
eines ganz Großen: Das lässt dieses umfangreiche Werk
zu. Keine beiläufige Gute-Nacht-Lektüre, aber die weit
ausgreifende, summierende Bilanz eines Forscherlebens; mit anregenden
und weiterführenden neuen Beleuchtungen, aber auch ins Grundsätzliche
weisenden Fragestellungen der Musikforschung. Prof. Dr. Hans-Bruno Ernst, Direktor der Landesmusikakademie
Baden-Würtemberg
Solomon
Wolkow (Hg.) : Die Memoiren des Dmitri Schostakowitsch, Propyläen-Verlag,
Berlin, München 2000, 439 S., 48 Mark.
Dieses lange nicht verfügbare Buch ist nicht nur eine ebenso
überraschende wie spannende Künstlerbiografie, sondern
auch eine faszinierende Zeit- und Kulturgeschichte der Sowjetunion
in der Stalin-Ära für mich eines der ergreifendsten
Musikbücher überhaupt und jedem Musikfreund vorbehaltlos
zu empfehlen. Stefan Piendl, BMG-Classics
Günther
Grünsteudel: Wallerstein das schwäbische Mannheim.
Texte und Bilddokumente zur Geschichte der Wallersteiner Hofkapelle
(17451825); Rieser Kulturtage/Nördlingen 2000; 39,80
Mark.
Die Mannheimer Hofkapelle kennt man; aber wer weiß Genaueres
über die fast ebenso bedeutsame Wallersteiner Hofkapelle. Hier
gibt es griffiges und aufschlussreiches Anschauungs- und Informationsmaterial,
anregend aufgemacht, detail- und kenntnisreich. Prof. Dr. Hans-Bruno Ernst, Direktor der Landesmusikakademie
Baden-Würtenberg
Anja
Silja: Die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren; Pathas-Verlag,
Berlin 1999; 58 Mark.
Die Erinnerungen Anja Siljas an ihre große liebe- und leidvolle
Zeit als wahrhaft Jugendliche in Bayreuth, ihr Leben
mit dem Werk Richard Wagners und ihr Leben mit dessen Enkel Wieland
faszinieren. Auch die, welche die Bayreuther Entrümpelungszeit
nicht mitgemacht haben, erhalten eine Ahnung, welch entscheidender
Umbruch dies war. Für Anja Silja gilt das Wort: Große
Komponisten schaffen große Interpreten.
Prof. Dr. Reinhold Kreile, Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor
der GEMA
Christoph
Wolff: Johann Sebastian Bach; Fischer/Frankfurt a.M. 2000; 622
S.; 98 Mark.
Die derzeit beste Bach-Biografie! Prof. Dr. Dieter Schnebel, Komponist
Martin
Geck: Bach. Leben und Werk, Rowohlt-Verlag, Reinbek 2000. 798
S., Notenbeispiele, Abbildungen
Ein monumentales Werk von Anlage und Umfang her, dabei modern in
Forschungsmethode und Darstellungsweise. Geck stellt einleitend
die Biographik von Forkel, Spitta, Schweitzer vor die beiden
ersten sozusagen auch seine Vorläufer sowie
die Werküberlieferung. Die kleinere Hälfte ist dann den
Stationen des Lebens gewidmet, die größere, als Zweites
Buch, dem Werk selber, bei dem Geck immer wieder neue Einsichten
produziert. Die Darstellung ist nach Vokal- und Instrumentalmusik
gegliedert. Für deren Verbindung wie für das Figürliche
in Bachs Musik findet Geck die treffende Formel, die Figur changiere
zwischen Sinnlichkeit und Sinnhaftigkeit. Und die Vereinigung
von wortgezeugter und autonom erfundener Musik
bezeichnet Geck sogar vielleicht etwas übertreibend
als das Einzigartige an Bachs Kunst. So treffend
die Befunde, so pointiert oft die Formulierungen: Geck versteht
es, auch das Komplexe, ohne populistische Versimpelungen, nachvollziehbar
und plastisch darzustellen und die Lektüre geradezu spannend
zu machen. Prof. Dr. Hanns-Werner Heister, Hochschule für Musik und
Theater Hamburg
Ernst
Krenek: Im Atem an die Zeit, Erinnerungen an die Moderne; München,
Diana Taschenbücher, Heyne- Verlag GmbH 1999; 30 Mark.
Angeregt durch eine intensive konzertante Aufführung des Werkes
Karl V. von Ernst Krenek, Komponist und Librettist im
Rahmen des Internationalen Beethovenfestes in Bonn, bin ich dabei,
die Autobiografie des Künstlers Ernst Krenek zu lesen. Die
mich anregende Lektüre möchte ich Ihrer Leserschaft nicht
vorenthalten.
Die Schilderung seiner Lebensumstände in den kulturellen Metropolen
Wien, Berlin und Paris in der ersten bewegten Hälfte des 20.
Jahrhunderts und die Entwicklung seiner Persönlichkeit, jeweils
verknüpft mit seiner Kompositionsarbeit vermitteln einen lebendigen
Einblick in die Moderne. Die Begegnungen unter anderem mit Mahler,
Werfel, Schönberg, Rilke, Adorno sind in klarer, nuancenreicher
Sprache, in differenziertem Stil und mit wohltuender Selbstironie
verfasst.
Ein ausführliches Personen- und Werkregister ermöglicht
gezieltes Nachschlagen.
Mit dieser atmosphärisch dichten Autobiografie eröffnet
sich dem interessierten Hörer von Kreneks Werken ein noch tieferer
Zugang zur Seele seiner Musik. Durch sein offenbares Bestreben nach
unbedingter Authentizität in der Darstellung seiner Künstlerpersönlichkeit,
erfährt die charakteristische Doppelfunktion Kreneks als Komponist
und Librettist zwingende Logik. Dr. Marlene Wartenberg, Generalsekretärin des Deutschen
Musikrates e.V.
Kay
Dreyfus/Margarethe Engelhardt-Krajanek/Barbara Kühnen: Die
Geige war ihr Leben. Drei Frauen im Porträt (mit CD); Vier-Viertel-Verlag;
Strasshoff (Österreich) 2000; ca. 54 Mark.
Das Leben und Schaffen von drei im 19. Jahrhundert geborenen Geigerinnen,
facettenreich nachgezeichnet und lebendig wiedergegeben. Prof. Dr. Eva Rieger, Universität Bremen
Maria
de Alvaer: The New Generation of Mystery Künstler des
XXI. Jahrhunderts, World-Edition, Köln 2000, 98 Mark (bis
31.12.00) bzw. 128 Mark (ab 1.1.01)
Maria de Alvaers Buch ist ein Foto-, Text- und Bilderbuch. Es erzählt
rund 100 Geschichten. Geschichten, die die Herausgeberin durch die
Auswahl der Künstler des 21. Jahrhunderts initiiert hat und
Geschichten der sich porträtierenden Künstlerinnen und
Künstler. Also ein sehr persönliches, emotionales und
bewusst unwissenschaftliches Buch. Darin liegt sein Reiz: Wie bei
jedem fokussierenden Blick fällt vieles aus dem Gesichtsfeld
des zu Betrachtenden. Einige werden gesucht und nicht gefunden werden.
Befreundete, bekannte und unbekannte Gesichter begegnen dem Betrachter
und bilden einen kleinen Kosmos oft initimer Geschichten. Wer ein
theoretisches Buch erwartet, muss enttäuscht werden. Wer gerne
Bilder als Assoziationsquelle betrachtete, kann sich eine kleine
Fundgrube ins Haus holen. Bernd Wiesemann, Pianist, Komponist und Musikpädagoge
Hans
Werner Henze: Reiselieder mit böhmischen Quinten, S. Fischer
1996.
Hans Werner Henzes autobiografische Mitteilungen sind für jeden
Musikinteressierten und auch an Zeitgeschichte Interessierten ein
sehr lesenswertes Buch. Henze beschreibt hier seinen Weg, der in
Kriegszeiten sehr dornig ist, danach äußerlich leichter,
auch bald erfolgreich wird. Aber immer stellt er ein spannendes
Ringen um die eigene künstlerische Ausdrucksweise und ihre
Produkte, die entstehenden Kompositionen dar, wie auch eine Auseinandersetzung
mit einer gesellschaftlichen Wirklichkeit, die von Neue-Musik-Päpsten
oder auch einem allzu typischen Deutschen bedroht werden.
Dabei erlebt er noch richtige Skandale, wandert nach Italien aus,
trifft die Literatin Ingeborg Bachmann, mit der ihn eine tiefe Freundschaft
verbindet... Hans Peter Wirth, Junge Deutsche Philharmonie