Die Meldung ging im Sommer 2000 durch die Agenturen: US-amerikanische
Wissenschaftler haben eine Haarsträhne von Ludwig van Beethoven
untersucht und eine unverhältnismäßig hohe Konzentration
von Blei festgestellt. Die Geschichte machte einige Schlagzeilen,
weil dieses Ergebnis Rückschlüsse auf die zahlreichen
Krankheiten Beethovens zuließ und unter anderem auch die schleichende
Ertaubung erklären sollte.
Aber wie kam diese Strähne in die USA? Stammt sie überhaupt
von Beethoven? Der amerikanische Journalist Russel Martin riskierte
einen Blick hinter die Schlagzeile und förderte eine Geschichte
zu Tage, die ebenso erstaunlich ist wie das Ergebnis der Untersuchung.
Unter dem Titel Beethovens Locke breitet er die Odyssee
des in einem Glas-Medaillon konservierten Haarbüschels aus,
das von dem damals gerade 15 Jahre alten zukünftigen Komponisten
Ferdinand Hiller dem verstorbenen Beethoven abgenommen wurde, über
seinen Sohn Paul wahrscheinlich nach Dänemark gelangte und
einem Arzt übergeben wurde, der mitsamt seinem Dorf einigen
Hundert Juden die Flucht vor den Nazis nach Schweden ermöglichte.
Der Stiefenkel des Arztes schließlich ließ sie über
ein Londoner Auktionshaus versteigern, und so gelangte die Locke
an einen Beethoven-Liebhaber in den USA.
Detailliert beschreibt der Autor Ereignisse und Personen und scheint
sich manchmal in den Geschichten zu verlieren, um kurz vor der im
Leser auftauchenden Frage, was das denn alles mit der Locke zu tun
habe, auf genau dieses Büschel Haare zurück zu kommen.
Das ist alles spannend und unterhaltsam geschrieben, die so typisch
amerikanische Mischung aus Verwunderung, Neugier und ahnungslosem
Erstaunen versucht hier einmal mehr, ein wenig von der ungleich
längeren Geschichte des Kulturkontinents Europa für die
in dieser Hinsicht zurückgebliebene neue Welt zu retten.
Eine Unterlassungssünde hat der Autor allerdings begangen:
Es fehlt ein Quellenverzeichnis, und so ist das Buch eher für
interessierte Laien als für ernsthafte Wissenschaftler geeignet,
als Bett-Lektüre taugt es allemal.