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nmz-archiv
nmz 2000/12 | Seite 54
49. Jahrgang | Dez./Jan.
Das aktuelle Musikbuch
& neue Noten
Kammermusikalisches ausgegraben
Ein junger Verlag präsentiert Raritäten
Die Edition Walhall, fantasiereich und mutig in der Wahl kammermusikalischer
Publikationen, die der unternehmende Verleger Franz Biersack in
Magdeburg seit 1993 verantwortet.
Hier ein paar Beispiele musikalischer Raritäten und seltener
Besetzungen, vergessener Namen wie Heinrich Ignaz Franz Biber, Jean
Ferry Rebel, Joh. Adam Reinken oder noch nicht genügend bekannter
neuer, zum Beispiel Ernst Thilo Kalke, Erwin Nerling, Wolfram Gäfgen,
Krzysztof Ostrowski. So auch der Kodaly-Schüler Zoltán
Gárdonyi, musikantisch gleichermaßen von Hindemith
beeinflusst, hinterließ attraktive Kammermusik, so dass jetzt
postum erstmals veröffentlichte dreisätzige Bläser-Quintett
1961, fein gewoben in der Stimmführung, kontrastreich in der
motivischen Verarbeitung, im Mit- und Gegeneinander charakteristischer
Bläserklänge, spritzig, geistreich, lohnend, weil technisch
nicht unüberwindbar (SG 4). Und sage niemand, es gäbe
nicht auch für den tiefsten Streicher originäre und orginale
Kammermusik: Gárdonyis zweisätzige Sonate für
Kontrabass (1957) ähnlich wie seine Duos für Violine,
Viola und Cello mit Klavier oder Orgel ist wohl anspruchsvoller
im Klavierpart (SG 4) und damit ein echtes Duo-Wechselspiel, bei
dem der Bassist Artikulations- und Intonationsfähigkeiten,
rhythmische Sicherheit unter Beweis stellen und sein Instrument
einmal richtig singen lassen kann (SG 34).
Lernen soll Spaß machen, meint der Praktiker Peter Schiffers
und macht ein wenig Wirbel, eigentlich pro Panflöte, aber seine
drei Hefte Kleine Panik I, II, III, entweder (Pan- oder
andere) Flöte mit Klavier als Duo gedacht, oder in der Fassung
für Spielkreis-Trio, und die erlauben wenigstens 100 Besetzungsvarianten
für allerlei Instrumentarium, um die kurzen witzigen Poems
angemessen zum Klingen, zum Erzählen zu bringen.
Von Wilhelm Kempff zu behaupten, er schätzte nur zwei Komponisten,
nämlich Beethoven und sich selbst, wird dieser Musikerpersönlichkeit
sicherlich nicht gerecht. Gewiss ist sein eigenes Opus noch zu wenig
durchleuchtet und bekannt: Die bislang unveröffentlichte Abendphantasie
op. 27 (1926) nach Eichendorffs Text Komm Trost der Welt,
allein schon von der Besetzung mit Gesang, Viola und Orgel beachtenswert,
ist in ihrer vom Monolog zum Terzett sich entwickelnden Stimmführung
von tiefer Empfindsamkeit, von weihevoller expressiver Ausdruckskraft
und Intensität.
Hans Peter Eisenmann als Herausgeber hat sich mit den vorliegenden
Handschriften kritisch auseinander gesetzt, ebenso mit Kempffs majestätisches
Te Deum op. 26 (1925) für Chor, Blechbläser,
Pauke und Orgel, das der Berliner Domchor im Hochschulsaal zur Uraufführung
brachte und das jetzt als Partitur und Stimmenmaterial in der Ed.
Walhall greifbar ist.