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nmz-archiv
nmz 2000/12 | Seite 12
49. Jahrgang | Dez./Jan.
Initiative
Konzerte für Kinder
Ein fliegendes Schiff auf Klangforschungsreise
Wonalu das Wolkenschiff: Ein Konzertprojekt
aus Hamburg
In der November-Ausgabe startete die Initiative Konzerte
für Kinder einen ersten Aufruf zum Einsenden sogenannter
Best-Practise-Modelle von besonders gelungenen Konzerten
für Kinder. Mittlerweile sind bei der JMD einige Beiträge
eingegangen, wofür wir uns herzlich bedanken. Diesmal soll
das Konzert Wonalu das Wolkenschiff vorgestellt
werden, das im Februar dieses Jahres im Hamburger Konservatorium
uraufgeführt wurde. Die Konzeption ist so angelegt, dass sie
sich vielfältig variieren und anderen Örtlichkeiten und
Gegebenheiten anpassen lässt. Dank einer bindenden und attraktiven
Geschichte gelingt es den Musikern/-innen von der ersten bis zur
letzten Minute, das junge Publikum gleichermaßen zum lebendigen
Zuhören wie aktiven Mitgestalten anzuregen. Alle werden in
das Geschehen auf der Bühne einbezogen und müssen sich
für einen reibungslosen Verlauf der Expedition Wonalu
verantwortlich zeigen: Nur mit Hilfe des variantenreich wiederkehrenden
Wonalu-Raps kann es gelingen, das Wolkenschiff immer
weiter um den Erdball zu treiben...
Kennen Sie das? Sie sitzen an Ihren Unterrichtsvorbereitungen für
die wöchentlichen Früherziehungsstunden, entwickeln sinnliche
Bilder von flimmernder Hitze und rieselndem Wüstensand, stimmen
Unterrichts- für Unterrichtsphase sorgfältig aufeinander
ab, lassen sich von Kunstwerken alter und moderner Meister inspirieren...
Und als Dank? Sie ernten den Ruf einer Expertin für musikalische
Kinderbespaßung und werden für den anstehenden Tag
der offenen Tür wie selbstverständlich mit der allgemeinen
Kinderbetreuung beauftragt.
Solche Momente gaben Anlass zu der Frage: Welche Gelegenheit können
wir als Fachbereich Elementare Musikpädagogik (EMP) des Hamburger
Konservatoriums ergreifen, um unsere künstlerischen und pädagogischen
Fähigkeiten darzustellen? Wir planten, in öffentlichem
Rahmen mit einem Konzert für Kinder auf uns aufmerksam zu machen.
Der konkreten Umsetzung gingen folgende Überlegungen
voraus: Wie können wir Kinder ab vier Jahren in einem aufmerksamen,
wachen Zuhören stärken und ihren aktiven Umgang mit Musik
fördern? Als sinnvolle Grundlage für die Konzertkonzeption
griffen wir, ungeachtet differierender Unterrichtsmethoden unter
den Kollegen/-innen, auf vertraute Sachbereiche der Elementaren
Musikpädagogik zurück: Stimme, Bewegung, Instrumentalspiel,
Hören, Verstehen, Instrumenteninformation.
Die Dramaturgie unseres Gesamtkunstwerks Konzert für
Kinder sollte eine sinnvolle Verknüpfung der genannten
Sachbereiche ergeben. Diese übergeordneten konzeptionellen
Überlegungen sind unabhängig zu betrachten von einer genauen
Bestimmung der Zielgruppe, der Zahl der Mitwirkenden, der Besetzung,
des Musikstils, der Räumlichkeit und der finanziellen Mittel.
Am 13. Februar 2000 startete im Saal des Hamburger Konservatoriums
Wonalu das Wolkenschiff (Name und Liedmelodie
sind übernommen von:
M. Ferber und E. Gubler, in feste mitmachen Mitmachfeste,
Kallmeyer, 1998, Edition: Rhythmik). Dank des sagenumwobenen Wolkenschiffs
und seines erfahrenen Forscherteams (sechs Musiker/-innen aus dem
Fachbereich EMP) erlebte das Publikum eine einzigartige Reise: Das
luftige Schiff Wonalu wird rund um den Globus getrieben. Statt sich
mit Feuchtigkeit zu sättigen, speichert es emporsteigende,
landestypische Musik und andere Klangereignisse, die die Forscher
dem Publikum zu Gehör bringen. Unter Verwendung dieses Bildes
gliedert sich das Konzert wie folgt:
Die Aufführung beginnt mit einer vortragsähnlichen
Anmoderation einer Forscherin, die zunächst ihre Kollegen/-innen
vorstellt und dann über den aktuellen Stand der Wonalu-Forschungen
berichtet. Das Publikum wird schon bald in das Fantasiebild einbezogen,
indem es mit einem angeleiteten Zischlaut-Rhythmical und anschließendem
Lied den Flug von Land zu Land unterstützen übt. Das
Lied endet mit der Frage: Wohin fliegt unser Schiff Wonalu?
Mit Hilfe eines akustischen Ereignisses (zum Beispiel Rhythmical,
Bodyperkussion, Vokalimprovisation) erraten die Kinder, über
welchem Land Wonalu gerade schwebt.
Ein Forscher führt über einen freien Dialog mit den
Kindern das folgende Musikstück ein (zum Beispiel über
ein besonderes Musikinstrument oder einen landestypischen Tanz).
Auf einer großen (Schul-)Weltkarte wird die Flugbahn
durch einen mit Watte beklebten Magneten dargestellt.
Die gespeicherte Musik des angesteuerten Landes wird von den
Forscher/-innen vorgetragen.
Das Wolkenschiff steuert weitere Ziele an. Der strukturelle
Verlauf wiederholt sich (Rondoprinzip).
Im Finale gerät Wonalu in einen Sturm, der die gespeicherte
Musik durcheinander wirbelt. Entsprechend spielen die Forscher
ein Medley aus den Anfängen der Musikstücke. Das Publikum
soll die Musik den Ursprungsländern zuordnen, bevor das Schiff
nach Hamburg zurückfindet.
Die anfangs erwähnten Sachbereiche sind wie aus der Abbildung
ersichtlich beschrieben in das Konzert einbezogen. Die Reise des
Identifikationsobjektes Wolkenschiff ist nur dann als
gelungen zu betrachten, wenn Klischees bei der Präsentation
der Länder vermieden werden.
Wonalu das Wolkenschiff ist eine sogenannte Low-Budget
Produktion. Mit wenig Requisite, zum Beispiel einem Hörtrichter,
einem Fernglas, einem Aufnahmegerät kann das Konzert
in kleinen bis mittelgroßen Sälen fast ohne Bühnentechnik
zur Aufführung gebracht werden. Das wichtigste Utensil ist
die große Weltkarte. Chiffontücher und Papierwolken schmücken
die Bühne.
Abschließend möchten wir anmerken, dass nicht nur die
Kinder und Eltern das Konzert begeistert aufgenommen haben, sondern
auch der Fachbereich EMP des Hamburger Konservatoriums von dem eigenen
Engagement profitiert hat. Kollegen/-innen anderer Fachrichtungen
sprachen uns ihre Anerkennung über die ihnen bisher unbekannten
vielfältigen Fähigkeiten der Lehrer/-innen im EMP-Bereich
aus. Da uns das Konzept des Wonalu-Konzerts in jeder
Hinsicht Flexibilität erlaubt, wird das Forscherteam weitere
Expeditionen auch außerhalb des Hamburger Konservatoriums
unternehmen.