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nmz-archiv
nmz 2001/03 | Seite 52
50. Jahrgang | März
Oper
& Konzert
Wo alles Spaß ist, ist das Weinen nah
Verdis Falstaff und Messa da Requiem an der Bayerischen Staatsoper
Es ist eine müßige Frage, ob Gedenktage und Gedenkjahre
dem Gegenstand dessen, womit sie sich befassen, immer gerecht werden,
da sie sich im öffentlichen Kulturkalender seit langer Zeit
als treue Fixpunkte eingenistet haben. Und so verwundert es nicht,
dass die musikalische Welt den hundertsten Todestag Guiseppe Verdis
zum Anlass nimmt, diesen überragenden Opernkomponisten des
neunzehnten Jahrhunderts mit einer Vielzahl dann so genannter Gedenkveranstaltungen
zu würdigen.
Nun geht man bei der Größe und Popularität des
Verdischen uvres kein allzu großes Risiko ein,
wenn man in Verdi-Festwochen und Sonderkonzerten den ganzen Komponisten
auf die Bühne bringt. Unter dem Motto der ganze Verdi
soll es sein! versuchten sich Musikwissenschaftler, Musikautoren,
Ausübende und Musikschaffende der Aktualität des Musiktheaterkönners
zu nähern, der wie kein zweiter die Professionalisierung des
Opernbetriebes im vorletzten Jahrhundert in die Wege geleitet hatte.
Dass die Situation an unseren Theatern auch hundert Jahre nach Verdis
Tod immer wieder Anlass zu sorgenvoller Nachfrage gibt, weiß
man nicht erst seit den Berliner und Bayreuther Querelen dieser
Tage. Und was die Akzeptanz der zeitgenössischen Opernproduktionen
betrifft, so sieht beispielsweise Manfred Trojahn mehr Parallelitäten
zu den unmöglichen Zuständen der Verdi-Zeit,
als dies die subventionierte Hochkultur bundesrepublikanischen Zuschnitts
erwarten ließe.
Mit der Neuinszenierung von Verdis letzter Oper, dem 1893 in Mailand
uraufgeführten Falstaff, rundeten die Münchner ihre Festwochen
ab. Zubin Mehta, der bereits die Premieren von Otello und Don Carlo
dirigiert hatte, stand auch bei Falstaff am Pult der Bayerischen
Staatsoper. Für die Inszenierung, Bühne und Kostüme,
verpflichtete man das Duo Eike Gramss/Gottfried Pilz. Dass das Heitere
besonders schwierig ist, weiß man nicht nur von den Clowns
aus dem Zirkus. Ein beliebter musikalischer Streitpunkt ist die
Frage nach dem Humor in der Musik. Gerade bei Verdis letzter Oper,
für die er die schwer zu übersetzende Bezeichnung Commedia
lirica gewählt hatte, ist der Zugang des Regisseurs zu
den komödiantischen Stellen des Werkes von großer Bedeutung.
Eike Gramss beleuchtete vor allem die Commedia del Arte-Bezüge,
die er im Falstaff gekonnt herausarbeitete.
Der kapellmeisterlichen Musikalität Zubin Mehtas waren die
musikalischen Erfolge zu verdanken. Neben dem Chor der Bayerischen
Staatsoper, der wie immer präzise von Udo Mehrpohl geführt
wurde, waren es vor allem die Sängersolisten, die das Publikum
begeisterten. Bernd Weikl gab einen meisterlichen Falstaff, Lucio
Gallos Ford war von italienischer Leichtigkeit; in den übrigen
Partien hörten wir Rainer Trost, Ulrich Reß und Anatoli
Kotscherga. Marjana Lipovsek verkörperte eine jugendliche Mrs.
Quickly, der nicht nur Falstaff seine Referenz erwies.
Dass Mitfühlen und Betroffensein einer musikalischen Hochleistung
nicht im Wege stehen, ja sie sogar befördern können, zeigte
sich einmal mehr beim spontan organisierten Benefizkonzert zugunsten
der Erdbebenopfer in Indien. Zubin Mehta, der für die Unterstützung
seiner Landsleute eigens seinen Urlaub unterbrochen hatte, leitete
diese hochbejubelte Aufführung von Verdis Messa da Requiem.