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nmz-archiv
nmz 2001/03 | Seite 23
50. Jahrgang | März
Bücher
Ausgeschriebene Signaturen
Der Komponist Dieter Schnebel malt und schreibt
Dieter
Schnebel: Signatur, Theo Rommerskirchen (Hrsg.), Verlag Rommerskirchen,
Abonnementspreis pro Ausgabe 328 Mark, 28 Seiten
Signatur
ist eine Zeitschrift, die zweimal im Jahr in Buchform erscheint.
Jeder Band der Werkreihe ist von einem anderen malenden Dichter
oder dichtenden Maler gestaltet, darunter Namen wie Horst Janssen,
Eugéne Ionesco, Wolfgang Hildesheimer oder Markus Lüpertz.
Der jüngste Band verdient sogar den Namen Gesamtkunstwerk:
Er ist erstmals einem malenden/schreibenden Komponisten gewidmet:
Dieter Schnebel. Im Vorwort schreibt dieser: Der Lebenslauf
aber ist die gleichsam ausgeschriebene Signatur. Beim Künstler
ist der Lebensweg bezeichnet von den Werken, die ihn gleich Wegmarken
abstecken.
Doppelseite aus Dieter Schnebels
ZeitSchriftBildKlangObjekt: Collage aus Partituren
und Zeichnungen. Foto: Keilholz
Tatsächlich ist es Schnebel eindringlichst gelungen, Biografie
und Werkgeschichte engzuführen. Dabei entstand
keine Musikästhetik, wie sie Schnebel etwa 1972 unter dem Titel
Denkbare Musik publizierte, auch keine Künstlerbiografie
wie man sie kennt. Schnebels Signatur ist sein Blick
auf seinen Lebenslauf, neu zusammengefügt aus Daten, Partiturausrissen,
Faustskizzen und Anmerkungen mal klein gekritzelt, mal mit
großen, bunten Lettern gemalt. Die Struktur bildet die chronologische
Dar- stellung von Schnebels Vita, angefangen bei der Kindheit im
badischen Lahr über die ersten Exkursionen in den Schwarzwald
und ins Rheintal bis hin zu den vielen Reisen zu international bedeutenden
Musikorten. Bei aller textlichen Knappheit und naiver bildlicher
Darstellung Schnebel spart nichts aus, nicht die Lebenshöhepunkte
und nicht die Katastrophen. Während gewöhnlich jedem Signatur-Bildband
ein Original des Künstlers beiliegt, findet sich im Umschlag
dieses Bandes eine CD mit dem Titel Dieter Schnebel spricht
zu seinen Musikzitaten. Eine Höranthologie, Schnebel
nennt sie ZeitSchriftBildKlangOb-jekt, die es lustvoll
zu erkunden gilt, denn was Schnebel da im Studio aus seinem Lebenswerk
zur akustischen Signatur zusammengestellt hat, besitzt selbst schon
wieder Werkcharakter. Knapper und zugleich vollständiger kann
kein Lexikonartikel, kein Radiofeature das Lebenswerk des Maulwerkers
und traditionsbewussten Neuerers erfassen. Gleichzeitig überrascht,
mit welcher Unbekümmertheit Schnebel seine Werke zitiert, wie
er sogar aus der monumentalen Sinfonie X kleine Hörschnipsel
in einen neuen Zusammenhang stellt und dadurch erhellende Blicke
in seine kompositorische Werkstatt erlaubt.