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nmz-archiv
nmz 2001/03 | Seite 15
50. Jahrgang | März
Deutscher
Kulturrat
Eine Reform auf der Zielgeraden
Zweite und dritte Lesung zum KSVG im März · Von Olaf
Zimmermann
Die rot-grüne Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag
im Jahr 1998 festgelegt, zur weiteren Absicherung der Künstler
die Künstlersozialkasse verbessern zu wollen. Als im Herbst
1999 das Haushaltssanierungsgesetz in den Deutschen Bundestag eingebracht
wurde, war von diesen Verbesserungen nichts zu spüren. Im Gegenteil:
im Zuge des Haushaltssanierungsgesetzes wurde der Bundeszuschuss
zur Künstlersozialkasse von 25 auf 20 Prozent gesenkt und die
Trennung der Abgabebereiche Musik, darstellende Kunst, bildende
Kunst und Wort aufgehoben. Es erhob sich sofort ein Sturm der Entrüstung
gegen dieses Vorhaben, das eindeutig eine Schlechterstellung der
Verwerter künstlerischer und publizistischer Leistungen bedeutete
und für die Künstler und Publizisten keinerlei Verbesserung
brachte. Das Haushaltssanierungsgesetz wurde dennoch im November
1999 verabschiedet und damit traten die aufgeführten Veränderungen
in der Künstlersozialkasse zum 1. Januar 2000 in Kraft.
E inige Abgeordnete der Regierungskoalition hatten bei der Verabschiedung
des Haushaltssanierungsgesetzes bezüglich des Passus Künstlersozialversicherungsgesetz
zu Protokoll gegeben, dass das Künstlersozialversicherungsgesetz
noch in dieser Legislaturperiode reformiert werden sollte. Sowohl
die Verbände der Künstler als auch die der Kulturwirtschaft
sahen in dieser Protokollnotiz die Chance, jetzt eine grundlegende
Reform des Künstlersozialversicherungsgesetzes einzufordern.
Im Deutschen Kulturrat wurde eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe eingerichtet,
an der Verbandsvertreter aller künstlerischer Sparten und der
verschiedenen Bereiche, also der Künstler, der Kulturwirtschaft,
der Kultureinrichtungen und der Laien, zusammenwirkten. In dieser
Ad-hoc-Arbeitsgruppe wurde intensiv über den Reformbedarf und
die Anknüpfungspunkte für eine Reform debattiert. Im Vordergrund
stand dabei die Frage, wie die Abwärtsspirale des Bundeszuschusses
aufgehalten werden kann und wie eine breitere Definition des Selbstvermarktungsanteils
in das Bewusstsein gerückt werden kann.
Unstrittig war bei allen Arbeitsgruppenmitgliedern, dass Berufsanfänger
ihre Berufsanfängerzeit künftig unterbrechen können
müssen und dass eine Lösung für die Künstlergeneration
gefunden werden muss, die in den nächsten Jahren das Rentenalter
erreicht. Diese Gruppe kann in die Krankenversicherung der Rentner
in der Regel nicht aufgenommen werden, da keine ausreichenden Sozialversicherungszeiten
nachgewiesen werden können. Da diese Künstlergeneration
aber erst seit 1983 überhaupt die Möglichkeit hat, Mitglied
in der gesetzlichen Rentenversicherung zu werden, lag hier eine
offenkundige Gesetzeslücke vor. Vorgeschlagen wurde weiter,
dass das Mindesteinkommen der Versicherten in der Zukunft in bestimmten
Jahren unterschritten werden kann, wenn in anderen Jahren das Mindesteinkommen
überschritten wird.
Über diese Verbesserungen des Versicherungsschutzes der Künstler
wurde rasch ein Konsens erzielt und erste Gespräche mit Abgeordneten
des Deutschen Bundestags zeigten, dass hier die Bereitschaft bestand,
diese Änderungen aufzunehmen.
Deutlich anders sah es bei den Verbesserungen für die Verwerter
künstlerischer und publizitischer Leistungen aus. Zum einen
bestand hier die nicht unberechtigte Befürchtung, dass die
Absenkung des Bundeszuschusses von 25 auf 20 Prozent erst der Anfang
zu weiteren Absenkungen war. Zum anderen wurde die Aufhebung der
Spartentrennung sehr unterschiedlich bewertet. In der Sparte bildende
Kunst traf diese Aufhebung auf ungeteilte Zustimmung. Hier war schon
lange die Forderung nach einer Aufhebung der Spartentrennung erhoben
worden. In den anderen Sparten Musik, darstellende Kunst und Wort
stieß die Aufhebung der Spartentrennung demgegenüber
auf Ablehnung. Besonders scharf war die Ablehnung aus der Sparte
Musik, die eine deutliche Anhebung des Abgabesatzes hinnehmen musste.
Einheitlicher Abgabesatz
In der Ad-hoc-Arbeitsgruppe des Deutschen Kulturrates wurde dann
unter Beteiligung der verschiedenen Sparten und der unterschiedlichen
Bereiche des kulturellen Lebens ein Modell ausgearbeitet, dass den
Verwertern künstlerischer Leistungen Planungssicherheit gibt
und den Bund anregt, weitere Abgabepflichtige zu erfassen. Nach
diesem Modell würden die Abgabepflichtigen einen festen Satz
in die Künstlersozialkasse einzahlen. Verhandlungsgrundlage
sollte ein Vomhundertsatz in Höhe von 3,3 der an freiberufliche
Künstler und Publizisten gezahlten Honorare sein. Den erforderlichen
Rest des Arbeitgeberanteils zur Künstlersozialkasse sollte
der Bund übernehmen. Bei einem Abgabesatz von 3,3 Prozent hätten
sich der Bund und die Verwerter wie im Jahr 1999 den Arbeitgeberanteil
zu gleichen Teilen geteilt. Das heißt jeder hätte 25
Prozent des Arbeitgeberanteils zur Künstlersozialkasse aufgebracht.
Mit diesem Vorschlag erschien ein einheitlicher Abgabesatz für
alle Sparten als akzeptabel.
Zusammen mit den Vorschlägen für Verbesserungen des
Versicherungsschutzes der Künstler und Publizisten wurde der
Reformvorschlag in den Positionen des Deutschen Kulturrates
vom 10. März 2000 zur Novelle des Künstlersozialversicherungsgesetzes
zusammengefasst. Die Stellungnahme ist abrufbar unter: www.kulturrat.de/aktuell/Stellungnahmen/ksvg.htm.
Die Gespräche mit Abgeordneten der Regierungskoalition zeigten
schnell, dass eine große Offenheit gegenüber den Verbesserungen
des Schutzes der Versicherten bestand. Die hierzu vom Deutschen
Kulturrat erarbeiteten Vorschläge fanden Eingang in die ersten
Referentenentwürfe zur Novellierung des Künstlersozialversicherungsgesetzes.
Allerdings plante das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung
eine Verkürzung der Berufsanfängerzeit von fünf auf
drei Jahre. Diese Verkürzung wird von den Verbänden der
Künstler abgelehnt. Insbesondere in den künstlerischen
Berufen im engeren Sinne ist nach Auffassung der Künstlerverbände
der Erhalt der Berufsanfängerzeit dringend erforderlich.
Auf Vorbehalte stieß der Vorschlag des Deutschen Kulturrates
zur künftigen Aufbringung des Arbeitgeberanteils. Hier wurde
insbesondere in den zuständigen Ministerien gefürchtet,
dass mit einer solchen Umstellung für den Bund ein Fass ohne
Boden entsteht. Nicht einkalkuliert wurde dabei, dass der Vorschlag
des Deutschen Kulturrates gerade darauf zielte, Anreize für
den Bund zu setzen, möglichst alle Abgabepflichtigen tatsächlich
zur Zahlung heranzuziehen. Bislang ist es so, dass es sich für
den Bund beziehungsweise die Künstlersozialkasse nicht lohnt,
Anstrengungen zu unternehmen, um weitere Verwerter zur Abgabe heranzuziehen,
da der Bundeszuschuss festliegt und eine höhere Zahl an Abgabepflichtigen
nur dazu führt, dass der Abgabesatz für die Verwerter
sinkt.
Der Vorschlag des Deutschen Kulturrates verfolgt genau das gegenteilige
Modell: der Abgabesatz der Verwerter bleibt konstant, der Bund muss
den Rest der Arbeitgeberkosten auffüllen. Ist die Künstlersozialkasse
sehr erfolgreich darin, Verwerter dazu heranzuziehen, ihre Pflichtabgabe
an die Künstlersozialkasse zu leisten, so sinkt der Anteil
der Bundes an den Kosten. Ist die Künstlersozialkasse erfolglos,
so steigt der Anteil des Bundes.
Da die im Deutschen Kulturrat zusammengeschlossenen Verbände
der festen Überzeugung sind, dass bislang zahlreiche Abgabepflichtige
nicht zur Künstlersozialabgabe herangezogen werden, hätte
dieses Modell neben möglichen Einspareffekten beim Bundeszuschuss
auch zu mehr Gerechtigkeit für die Abgabepflichtigen geführt.
Nach den Diskussionen mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages
ergänzte der Deutsche Kulturrat seinen Vorschlag zur künftigen
Aufbringung des Arbeitgeberanteils. In der Stellungnahme des
Deutschen Kulturrates vom 08. September 2000 zum Entwurf eines Zweiten
Gesetzes zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes
und anderer Gesetze schlug der Deutsche Kulturrat vor, dass
bei Beibehaltung des Vorschlags des Deutschen Kulturrates der Bundeszuschuss
nicht über 25 Prozent steigen und nicht unter 17 Prozent sinken
sollte. Dieses so genannte Korridormodell sollte gewährleisten,
dass der Bund nicht schlechter als im Jahr 1999 gestellt wird und
die Abgabepflichtigen bei einer erfolgreichen Suche der Künstlersozialkasse
nach Abgabepflichtigen von diesen Bemühungen profitieren würden.
Dieser Vorschlag ist nachzulesen unter: www.kulturrat.de/aktuell/stellungnahmen/ksvg-ref9-2000.htm.
Vorschläge des Kulturrates
Dieser Vorschlag fand leider keinen Eingang in den Gesetzesentwurf
des Zweiten Gesetzes zur Reform des Künstlersozialversicherungsgesetzes
und anderer Gesetze (Bundestagsdrucksache 14/5066). Die Opposition
hat anlässlich der 1. Lesung des Gesetzesentwurfs am 18. Januar
2001 zwei Anträge in das Parlament eingebracht. In beiden Anträgen,
dem der FDP-Fraktion (Reform der Künstlersozialversicherung
gerecht gestalten, Drucksache 14/4929 (neu)) und dem der PDS-Fraktion
(Für eine grundlegende Reform der Künstlersozialversicherung,
Drucksache 14/5086) wird auf den Vorschlag des Deutschen Kulturrates
Bezug genommen. Der Gesetzesentwurf und die Anträge können
aus dem Internet unter folgender Adresse heruntergeladen werden:
http://dip.bundestag.de/parfors/parfors.htm.
In einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
des Deutschen Bundestags am 7. Februar 2001 wurde der Vorschlag
des Deutschen Kulturrates noch einmal vorgetragen. In der Mehrzahl
der schriftlich eingereichten Stellungnahmen zur Anhörung und
auch bei der Anhörung selbst wurde von den Verbänden wiederholt
auf den Vorschlag des Deutschen Kulturrates verwiesen.
Funktionsfähigkeit garantiert
Der Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags
hat am 14. Februar 2001 in einer Beschlussempfehlung die Pflöcke
für Änderungen am bestehenden Referentenentwurf zur Reform
des Künstlersozialversicherungsgesetzes eingeschlagen. In dieser
Beschlussempfehlung bekennt sich der Ausschuss für Kultur und
Medien ausdrücklich zur kultur- und zur sozialpolitischen Dimension
des Künstlersozialversicherungsgesetzes.
Der Ausschuss macht deutlich, dass der Bundeszuschuss zur Künstlersozialkasse
die Funktionsfähigkeit der Künstlersozialkasse garantiert.
Indem der Ausschuss für Kultur und Medien empfiehlt, dass in
§ 14 des Künstlersozialversicherungsgesetzes der Bezug
auf § 25 Künstlersozialversicherungsgesetz gestrichen
wird, erweitert er die Definition des Bundeszuschusses. Der Bundeszuschuss
der Künstlersozialkasse steht eben nicht nur für den direkten
Verkauf künstlerischer Leistungen an den Endverbraucher, sondern
er kommt auch für die Verwerter auf, die bislang noch nicht
erfasst wurden und daher keine Sozialabgabe leisten müssen.
Indem der Ausschuss für Kultur und Medien klarstellt, dass
die genaue Ermittlung des Selbstvermarktungsanteils schwierig ist,
erkennt er die Besonderheiten des Kultur- und Medienbereiches an.
Von großer Bedeutung zur Sicherung der Künstlersozialkasse
ist das nachdrückliche Votum des Ausschusses für Kultur
und Medien, den Bundeszuschuss zur Künstlersozialkasse für
die nächsten fünf Jahre festzuschreiben. Damit wird der
drohenden Abwärtsspirale des Bundeszuschusses ein Ende gesetzt.
Die Verwerter künstlerischer und publizistischer Leistungen
erhalten Planungssicherheit.
Eine Verbesserung gegenüber dem jetzigen Gesetzesentwurf ist
die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien,
dass in den ersten sechs Jahren nach Aufnahme der freiberuflichen
künstlerischen und publizistischen Tätigkeit unabhängig
vom Berufsanfängerstatus das Mindesteinkommen unterschritten
werden darf. Berufsanfänger erhalten damit bei Bedarf die Möglichkeit,
zwei gesetzliche Regelungen miteinander zu kombinieren.
In den ersten drei Jahren der freiberuflichen Tätigkeit genießen
sie den Berufsanfängerstatus, das heißt sie müssen
das gesetzliche Mindesteinkommen zur Versicherung in der Künstlersozialversicherung
noch nicht erreichen. In den folgenden drei Jahren dürfen sie
das Mindesteinkommen unterschreiten, wenn ansonsten gesichert ist,
dass sie das Mindesteinkommen erreichen.
Mit dieser Regelung wird den unterschiedlichen Existenzgründungsphasen
in den künstlerischen und publizistischen Berufen Rechnung
getragen. So erfolgt die Platzierung auf dem Markt in den publizistischen
und den Medienberufen schneller als in den künstlerischen Berufen
im engeren Sinne.
Die besonderen Belange der Laienmusikvereine berücksichtigt
der Ausschuss für Kultur und Medien in seiner Empfehlung, dass
gezahlte Aufwandsentschädigungen an nebenberufliche Dirigenten,
Übungsleiter oder Ausbilder in gemeinnützigen Vereinen
bis zu 3.600 Mark im Jahr unter die so genannte Übungsleiterpauschale
fallen. Diese Aufwandsentschädigungen sind damit steuer- und
sozialversicherungsfrei. Die Vereine müssen keine Künstlersozialabgabe
zahlen. Mit dieser Regelung wird das ehrenamtliche Engagement in
den Vereinen gestärkt. Das musikalische Leben erhält eine
nachhaltige Unterstützung.
Mit dieser Beschlussempfehlung setzt der Ausschuss für Kultur
und Medien ein Signal für alle Bereiche des kulturellen Lebens.
Nichtsdestotrotz bleibt es schmerzlich, dass weiter gehende Forderungen
des Deutschen Kulturrates zur Verbesserung der Lage der Abgabepflichtigen
im jetzigen Gesetzgebungsprozess keine Berücksichtigung finden.
Die 2. und 3. Lesung des Zweiten Gesetzes zur Reform des
Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze
findet am 9. März 2001 im Deutschen Bundestag statt. Es wird
sich zeigen, ob die Kulturpolitiker der Fraktionen ihre Kollegen
überzeugen können, zumindest der Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Kultur und Medien zu folgen.