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nmz-archiv
nmz 2001/03 | Seite 50
50. Jahrgang | März
Dossier: Musikwirtschaft
Menschen für das Klavier begeistern
Kulturelles Engagement hat bei der Firma Bechstein Tradition
Das erste Bechstein-Klavier entstand im Jahr 1853 in Berlin. Mit
dem Bau dieses Instruments war die C. Bechstein Pianofortefabrik
gegründet. Der rührige Klavierbauer und Firmengründer
Carl Bechstein rief eine Reihe von Traditionen ins Leben, die in
der Bechstein AG heute noch oder heute wieder hochgehalten werden.
Kulturpflege und Sponsoring:
Das neue C. Bechstein Center im stilwerk Center
Düsseldorf.
Foto: Bechstein
Da wäre zunächst die Liebe zum Ursprungs-Standort zu
nennen. Gibt es auch heute verschiedene Orte, die für das Unternehmen
Bedeutung haben, so hielt man doch gerne an der Stadt Berlin fest.
Der jüngste Umzug führte im Jahr 1999 in ein Ambiente,
das nicht unbedingt typisch ist für ein altehrwürdiges
Klavierbau-Unternehmen. Im Herzen Berlins, in der Kantstraße,
fällt das stilwerk mit seinen fünf Stockwerken
und den verglasten Außenwänden schon von weitem ins Auge:
ein Geschäftszentrum, das das Thema Wohnen im weitesten
Sinne umfasst. Vom Designer-Möbelgeschäft bis zum Papier-
und Schreibwarenangebot, auch Geschirr und Küchenausstattung,
Weine und Speisen kann der Besucher bewundern und erwerben. Gemeinsam
ist allen ansässigen Geschäften der spürbare Hang
zur Edelausstattung. Wer preiswert einkaufen möchte, ist hier
fehl am Platze.
Das Klavier gehört zum Thema Wohnen. Mit dieser Einstellung
bezog Bechstein vor einem guten Jahr 1.100 Quadratmeter im stilwerk.
Ausstellungs- und Verkaufsräume ebenso wie Verwaltungsbüros
finden sich hier. Die Produktion freilich ist schon lange ausgelagert
und findet heute in Seifhennersdorf statt 1992 hat Bechstein
die Sächsische Pianofortefabrik in dem kleinen Ort im Osten
übernommen. Etwa 160 Mitarbeiter sind dort für die Produktion
der unterschiedlichen, zur Unternehmensgruppe gehörenden Klaviere
und Flügel tätig. Nach der Übernahme investierte
man in modernste Produktionstechnik, die heute in Seifhennersdorf
verwendet wird.
Zurück ins stilwerk: hier wird nicht nur verwaltet
und verkauft, sondern auch eine weitere von Carl Bechstein ins Leben
gerufene Tradition wiederbelebt: Das Forum im 5. Stock des Gebäudes
wird von der Klavierfirma regelmäßig zur Veranstaltung
von Konzerten genutzt. Ziel ist es, Menschen für das Thema
Klavier zu begeistern, auch solche, die mit dem Instrument und mit
klassischer Musik normalerweise nicht in Berührung kommen.
Ein sehr breit gefächertes Publikum verzeichnen die Veranstalter,
oft kommen auch Spontan-Besucher, die bei einem Einkaufsbummel auf
das Konzertangebot aufmerksam wurden. Immerhin sind trotz
aller hauptstädtischen Konkurrenz die Konzerte in der
Regel ausverkauft. Vielleicht trägt auch die lockere Atmosphäre
dazu bei, durch die die Hemmschwelle eines Konzertbesuchs deutlich
gemindert wird. Und neben Konzerten mit klassischer Klaviermusik
meistens werden junge Künstler präsentiert, die
sich nichtsdestoweniger bereits einen Namen in der Musikwelt gemacht
haben kommt auch der Jazz von Zeit zu Zeit zu seinem Recht.
Inzwischen ist das Unternehmen in ein zweites stilwerk
eingezogen: in Düsseldorf wurde das Berliner Modell des Erlebnis-Kultur-Kaufhauses
aufgegriffen. Auch hier ist Bechstein präsent, als Klavier-Verkäufer
ebenso wie als Konzertveranstalter. Der Schritt in weitere Metropolen
wie Frankfurt oder München ist in Planung.
Mit dem Engagement im kulturellen Bereich knüpft die Firma
an Aktivitäten ihres Gründers an. Nicht nur in Berlin
gab es im 19. Jahrhundert einen Bechstein-Saal, in dem bedeutende
Künstler wie Johannes Brahms oder Arthur Rubinstein auftraten,
auch international war Carl Bechstein aktiv. Mit der Gründung
einer Filiale in London zum Beispiel entstand die Idee zur Errichtung
einer Londoner Bechstein-Hall, die für Konzerte großen
Stils genutzt wurde. Verbunden hat der erste Bechstein die Tätigkeit
als Konzertveranstalter mit dem engen Kontakt zu den berühmten
Pianisten seiner Zeit. Franz Liszt ebenso wie Hans von Bülow
gehörten zu den ersten Bechstein-Pianisten, auch für Richard
Wagner baute Bechstein im Auftrag von Ludwig II. mehrere Instrumente.
Die unmittelbare Zusammenarbeit erlaubte es dem Klavierbauer, Instrumente
nach Wunsch, heute würde man sagen: on demand herzustellen.
Auch heute gehört der enge Kontakt zu den Ausführenden
zu den expliziten Zielen der Firma Bechstein. Der neue Konzertflügel
D 280 zum Beispiel wurde im Dialog mit Musikern entwickelt.
Wirtschaftlich hat das Unternehmen Höhen und Tiefen erlebt.
Zur Bechstein-Gruppe Berlin gehören heute die beiden Marken
W. Hoffmann und Zim-mermann, so dass eine breite Produktpalette
angeboten werden kann. 1996 entschloss sich das Unternehmen, zukünftig
als Aktiengesellschaft zu firmieren, ein Jahr später kam der
Gang an die Börse. Für das Jahr 2000 meldete die Firma
eine 30-prozentige Steigerung gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Trotz der in Phasen auftretenden Stagnation der Branche ist man
bei Bechstein guten Mutes, dass sich die derzeit günstige Geschäftsentwicklung
fortsetzt.