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nmz-archiv
nmz 2001/03 | Seite 53-54
50. Jahrgang | März
Dossier: Musikwirtschaft
Wie Musikarbeiter Erfolgsgeschichten schreiben
Subvention und Sponsoring ambitionierter Musik · Von Michael
Kaufmann
Darf eine Kommune Geld aus privater Hand annehmen, um einen städtischen
Musik-Angestellten, sei er Konzertmeister, Dirigent oder Opernintendant,
für eine Stadt zu gewinnen oder ihn zu halten? Eine heftige
Diskussion entbrannte darüber im Haus eines bedeutenden Kölner
Kunstförderers.
Der Mann, den ein Sponsor der MusikTriennale Köln und ich
für einen wichtigen musikalischen Posten in der Stadt forderten,
sei zu teuer, hielt uns ein kommunaler Politiker vor und deshalb
sei es Unsinn, diesen Künstler für die Stadt haben zu
wollen. Wir unterbreiteten sehr ernsthaft den Vorschlag, dass wir
durch Sponsoren für die Differenz zwischen der geforderten
Summe und dem Budget der Stadt aufkommen und diese vertraglich absichern
würden, weil wir von der Qualität und den damit verbundenen
Perspektiven überzeugt waren. Kurz und heftig war der Widerspruch
des Politikers: Niemals! Soweit dürfe die Stadt nie sinken,
dass sie privates Geld annehmen dürfte um Gehälter zu
bezahlen. Dann müsse eben auf Spitzenleistungen verzichtet
werden. Wer die Großen der Branche erleben wolle, müsse
eben nach München oder Berlin reisen.
Die Zeit ist nicht leicht für ambitionierte Musik in Deutschland
und doch könnten sich in einer offenen, vorurteilsfreien Diskussion
Modelle erörtern lassen, die Spielräume vergrößern
oder, wenn die Mittel knapper werden, zumindest erhalten könnten.
Im Weg stehen diesem ebenso notwendigen wie schwierigen Diskurs
Vorbehalte auf allen Seiten und leider gelingt es bislang nur selten,
ebenso selbstbewusste wie selbstkritische Gesprächspartner
an einen Tisch zu bringen. Dabei sehe ich in der Chronologie die
Integration der potenziellen Sponsoren als den letzten Schritt.
Es ist mir deutlich, dass man sich in der erforderlichen Analyse
dieses Sachverhaltes in die Nesseln setzen kann: die Künstler
und deren Sachwalter, die auf den entsprechenden Positionen in Opern-
und Konzerthäusern, Orchestermanagements und auch den Lehrbetrieben
sitzen, werden zu Teilen ebenso wenig erbaut sein über eine
selbstkritische Reflektion wie viele Politiker und Verwaltungsmitarbeiter
in Städten und Ländern. Doch gerade in der Kunst sollte
Reibung neue Kreativität und neuen Schwung für die Zukunft
ermöglichen.
Für mich bestehen die folgenden Fragen: haben diejenigen, die
unmittelbar auf der Seite der Musik stehen, sich nach bestem Wissen
bemüht, alle bestehenden Aspekte zur Ermöglichung von
Musik auf dem bestmöglichen Niveau auszuloten, haben sie auf
dieser Grundlage das bestmögliche Konzept erstellt und dieses
Konzept mit bestmöglicher Überzeugung und Konsequenz verfolgt?
Und haben sich diejenigen, denen ein solches Konzept vorgestellt
wurde, nach bestem Gewissen und im Bewusstsein ihrer Verantwortung
an der Reflexion, gegebenenfalls Verbesserung, Förderung und
Umsetzung beteiligt? Leider kommt häufig ein Nein an einer
der entscheidenden Stellen. Mancher Ansatz wird nicht aus Gründen
fehlender Plausibilität, sondern auf Grund von Sachzwängen,
grundsätzlichen Erwägungen, die mit der Sache gar nichts
zu tun haben, Eitelkeiten oder einfach mangelndem Durchhalte- und
Durchsetzungsvermögen nicht ernsthaft verfolgt. Das heißt,
dass die kompetente Auseinandersetzung zu häufig nicht wirklich
stattfindet.
Dabei sehe ich die Verantwortlichen des Gemeinwohls durchaus in
einer grundsätzlich bedeutenderen Rolle: Die Politiker müssen
definieren, welche Bandbreite und welche Qualität die musikalischen
Aktivitäten haben sollen, die in unserem unmittelbareren Umfeld
herrschen müssen; Limits, die nicht unterschritten werden dürfen,
müssen festgeschrieben werden. Sie müssen die Musikarbeiter
ermutigen, neue Ideen zu entwickeln. Eine Umkehr dieses Prinzips,
erst auf die Finanzen und dann auf die bestehenden Möglichkeiten
zu schauen, bedeutet fast immer und zwangsläufig eine Minderung
des möglichen Niveaus. Dies betrifft sowohl die finanzielle
Ausstattung, wie die personellen Entscheidungen für die zentralen
Positionen.
Ich möchte für den positiven Fall zwei Beispiele aus Köln
nennen: Auf der Grundlage einer ambitionierten städtischen
Definition, was an musikalischer Qualität und Breite gewollt
war und aus der Kompetenz und Willenskraft der handelnden Personen
konnten die Kölner Philharmonie und das Gürzenich Orchester
Köln in den Neunzigerjahren eine einmalige Erfolgsgeschichte
schreiben, die letztlich auch auf das Engste mit privatwirtschaftlicher
Förderung einherging.
Bei der Kölner Philharmonie gipfelte dies in den drei Ausgaben
des Festivals MusikTriennale Köln, die 1994, 1997
und im Jahr 2000 stattfand. Franz Xaver Ohnesorg hatte dieses Fest
zur Musik des 20. Jahrhunderts erfunden und zum Erfolg geführt:
die weltbesten Künstler kamen nach Köln und fanden ein
begeistertes Publikum auch für teilweise schwierige Programme
und zu finanzieren war dies nur durch ein erhebliches Sponsorenaufkommen.
Von den jeweils zirka 15 Millionen Mark Etat der Festivals konnten
lediglich zehn Prozent durch die Stadt Köln aufgebracht werden,
ein Mehrfaches leistete die private Wirtschaft, insgesamt weit mehr
als zwölf Millionen Mark für die drei Festivals konnten
akquiriert werden.
Und auch für das Gürzenich Or-chester ließen sich
Sponsormittel beschaffen um herausragende Projekte zu fördern,
die ohne diese privatwirtschaftliche Förderung nicht hätten
realisiert werden können. Bei einem Gesamtetat von knapp über
25 Millionen Mark stehen dem Orchester seit zehn Jahren lediglich
1,4 Millionen Mark für Gastdirigenten und Solisten zur Verfügung,
Mittel für CD-Aufnahmen und Tourneen gibt es im Etat nicht.
Die künstlerischen Erfolge, die das Gürzenich Orchester
unter der Leitung des auch international gefeierten Generalmusikdirektors
James Conlon erreichte, öffneten allerdings diese ansonsten
so raren Chancen. Insgesamt 1,5 Millionen Mark wandten daher Sponsoren
auf, um die mittlerweile 15 veröffentlichten und aufgenommenen
CDs und vielfältige Tourneen in Europa und Südamerika
zu ermöglichen ohne Sponsoring wäre keine CD erschienen,
einige der Tourneen hätten abgesagt werden müssen.
Dass sich hier, in Anknüpfung an die eingangs beschriebene
Diskussion, noch viele weitere Fördermöglichkeiten ergeben,
liegt auf der Hand, auch wenn an der städtischen Verantwortung
für die ambitionierte Zukunft dieses Klangkörpers kein
Zweifel herrschen sollte: ob für einen hochkarätigen Nachfolger
für Conlon, der Köln nach über zehnjähriger
erfolgreicher Tätigkeit verlässt oder für die Finanzierung
einzelner Orchesterpositionen wenn die Stadt, was sich nun
auch abzeichnet, ihr Orchester auf hohem Niveau halten will, werden
sich hierfür auch Sponsoren finden.
Beide Fälle mögen als Beispiel dienen: im einen Fall
machten die Sponsoren durch ihr Engagement ein großes musikalisches
Ereignis erst möglich, im anderen Fall ergänzten Sponsoren
das kommunale Engagement in der Spitze und präsentierten stolz
ein Flaggschiff der städtischen Kultur. Dass die privaten Investoren
darauf bedacht waren, auch selbst entsprechend wahrgenommen zu werden,
ist legitim und erfordert maßgeschneiderte Konzepte für
die jeweiligen Interessen. Der gemeinsame Erfolg war allen beteiligten
Partnern unverzichtbar und schuf eine starke Interessensgemeinschaft.
Ganz anders verhält es sich mit dem letzten Beispiel aus
Köln, das aber leider allgemeinere Gültigkeit hat: der
Rheinischen Musikschule. In dieser Schule werden 3.800 Schüler
unterrichtet, mehr als 5.000 Unterrichte gegeben dennoch
stehen mehr als 1.000 Kinder und Jugendliche auf der Warteliste,
wurden zirka 50 Prozent der Lehrstellen in den letzten zehn Jahren
aus budgetären Gründen gestrichen. Rund 7,5 Millionen
Mark ist der Stadt Köln die musikalische Grundausbildung wert,
63.000 Mark schießt das Land zu, 3,4 Millionen Mark bezahlen
die Eltern an Beiträgen.
Hier gibt Sponsoring nur in einzel-nen Projekten Sinn, die Schule
braucht dringend berechenbare und planbare Mittel. Allenfalls die
kalkulierbaren Zinserträge einer Stiftung könnten hier
Abhilfe schaffen oder aber die Einsicht der Politik. Eine
breit angelegte musikalische Ausbildung ist kein Luxus, den man
sich nach Wahl leisten sollte und die ohnehin leidige Diskussion
um die Balance zwischen sozialen und kulturellen Aufwendungen ist
an dieser Stelle besonders absurd. Wie andernorts hat die Rheinische
Musikschule in Köln eine erhebliche Bedeutung für die
allgemeine Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in einem Gemeinwesen
und ist damit eine der elementaren Säulen. Die Zukunft einer
solchen Institution der erfolgreichen Sponsoren-Akquisition zu überlassen
ist deshalb nicht verantwortbar. Hier sind die Politiker, die in
den obigen Fällen Anerkennung verdient haben, gefordert, Engagement
und Kreativität in der Sicherung der Schule zu leisten. Auch
neue Modelle sind zu diskutieren: könnte zum Beispiel ein der
Musikschule gehörendes Gelände durch einen Investor erschlossen
und bewirtschaftet werden? Ein bewährtes System: die New Yorker
Carnegie Hall zieht aus solchen Geschäften beträchtliche
jährliche Einnahmen für die Musik.
Ambitionierte Musik braucht ambitionierte Förderer und Förderung.
Ob Künstler, Institutsleiter, Politiker und letztlich die Menschen
einer Region alle gemeinsam entscheiden, welchen Status und
welche Qualität die Musik einer Region haben kann. Stimmt die
Attraktivität, dann bleiben auch die Sponsoren nicht aus. Denn
ungeachtet der für diese Fälle immer noch wenig förderlichen
deutschen Steuergesetzgebung nehmen die Unternehmen in Deutschland
ihre Rolle als neben Subventionen und Erlösen aus dem
Verkauf von Eintrittskarten dritte bedeutende Kraft in der
Finanzierung von musikalischen Ereignissen immer mehr und immer
selbstverständlicher an.