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nmz-archiv
nmz 2001/03 | Seite 54-55
50. Jahrgang | März
Dossier: Musikwirtschaft
Ein neues Konzept für die Musikmesse
Messe-Geschäftsführer Michael Peters über geplante
Veränderungen
Michael Peters ist seit November 1993 Mitglied der Geschäftsführung
der Messe Frankfurt GmbH und als solches unmittelbar für die
Frankfurter Musikmesse verantwortlich. Der promovierte Betriebswirt
war bereits in den Jahren 1979 bis 1989 für die Frankfurter
Messe tätig, zunächst als Assistent der Geschäftsführung,
später als Bereichsleiter Marketing und als Generalbevollmächtigter.
Nach einigen Jahren Tätigkeit in der Unternehmensberatung wurde
er 1993 in die Geschäftsführung der Messe geholt. Über
die Entwicklung der Musikmesse bis heute und zukünftige Strukturen
sprach Barbara Haack für die neue musikzeitung mit dem Messechef.
Michael Peters.
Foto: Messe Frankfurt
neue musikzeitung: Seit wann gibt es die Frankfurter Musikmesse
in der heutigen Form?
Michael Peters: In der Form, wie wir sie heute kennen,
gibt es die Messe seit 1980. Aber Musikinstrumente waren schon
seit 1948 Teil der Konsumgütermesse. Die waren so erfolgreich,
dass sie sich 1980 entschlossen haben, eine eigene Musikmesse
zu veranstalten. Vor sieben Jahren haben wir die Prolight
+ Sound geschaffen mit einer eigenen Klientel auf der Besucher-
und Ausstellerseite, die sich immer mehr emanzipiert und sich
vom Thema Musik auch löst.
nmz: Welches sind die Inhalte der Prolight + Sound
in Abgrenzung zur eigentlichen Musikmesse?
Peters: Inhalt der Prolight + Sound war schwerpunktmäßig
alles das, was mit dem professionellen Aufführen und Erleben
von Musik zu tun hatte, sei es Live-Studio oder Aufzeichnen, sei
es Licht, Ton, Bühnenbau und Studio-Ausstattung, also alles
das, was man braucht, um Musik zu hören, zu reproduzieren,
aufzunehmen und zu speichern. Mittlerweile ist das aber nur noch
ein Teilsegment, weil man diese Techniken nicht nur braucht, um
Musik aufzuführen, sondern auch in ganz anderen Bereichen.
Deshalb verändert sich die Prolight + Sound in
Richtung auf eine Veranstaltung, die sich auf alle Bereiche der
Event-, Veranstaltungs- und Ausstellungstechnologie bezieht, und
lässt damit zwar ihr Standbein im Thema Musik, bekommt aber
ein Spielbein, das in ganz andere Bereiche geht. Das werden wir
weiter ausbauen in den nächsten Jahren.
nmz: Wie hat sich die Messe seit ihrem Beginn zahlenmäßig
entwickelt?
Peters: 1980 haben wir angefangen mit 30.000 Besuchern,
500 Ausstellern und 20.000 Quadratmetern. Die Ausstellerzahlen
haben sich inzwischen vervierfacht, die Besucherzahlen verdreifacht.
nmz: Sie haben einige strukturelle Veränderungen für
die Musikmesse geplant. Was verändert sich, was möchten
Sie damit erreichen?
Peters: Wir werden in diesem Jahr mit einem Kreis von
Ausstellern einen Themenpark zu einer bestimmten Instrumentengattung
realisieren. Es wird ein sogenanntes Acoustic Village
geben. Das beinhaltet alle akustischen Instrumente in einem eigenen
Hallen-Areal, deren Aussteller und das Zubehör. Dabei müssen
Architektur und Ambiente diesem Thema, der Ruhe und der Stille,
die man braucht, um akustische Instrumente zu hören und zu
erleben, gerecht werden.
Wir müssen der Messe ein neues Gepräge geben. Wir können
die Aussteller nicht immer wie in einer Massentierhaltung in irgendwelchen
Käfigen nebeneinander aufreihen, sondern müssen ihnen
auch die Möglichkeit geben, sich zu entfalten. Das ist ein
neuer Schritt, eine neue Denkweise, die wir gemeinsam mit den
Ausstellern am Beispiel des Themenparks Acoustic Village
der Industrie exemplarisch zu zeigen versuchen. Wir fragen die
Aussteller: In welchen Bereichen hättet ihr denn auch Bedarf,
so etwas zu machen, kann man nicht den Piano Salon auch zu einem
eigenen Themenpark machen? Kann man nicht das ganze Thema Musikalien,
Verlage ganz anders darstellen als es heute ist? Gibt es da nicht
noch etwas anderes als in Boxen und Kisten Noten zu präsentieren?
Wir wollen versuchen, der Industrie eine eigene neue Kreativität
einzuhauchen und deshalb investieren wir in das Acoustic
Village.
nmz: Wie kann man sich dieses Acoustic Village
konkret vorstellen?
Peters: Die Aussteller gruppieren sich um ein Zentrum
wie um einen Marktplatz. In der Mitte des Marktplatzes ist eine
offene Bühne. Auf diese Bühne gehen die Messebesucher
mit Instrumenten, um dort zu spielen. Ansonsten ist Totenstille
in der Halle. Wenn jemand auf den Ständen ein Instrument
probieren will, dann kann er das natürlich. Wenn er rein
akustisch spielt, ist es kein Problem; das verdaut so eine Halle.
Aber wenn er seine Gitarre gerne über ein Mikrofon abnehmen
möchte, dann muss er in eine Schallkabine gehen. Diese stellen
wir auch zur Verfügung, das wird unser Service sein.
nmz: Ein anderer Schwerpunkt der diesjährigen Messe
wird das Projekt Music for kids sein. Welche Hintergründe
stecken hinter dieser Idee?
Peters: Ausgehend von der Kernzahl, dass in Amerika zwölf
Prozent der Menschen Musik machen und in Europa nur acht Prozent,
haben wir uns gedacht: die zwölf müssen wir auch irgendwie
schaffen. Außerdem sind wir natürlich mit acht Prozent
ein bisschen wenig, um auch in Zukunft eine Musikmesse veranstalten
zu können. Die Frage ist: Wird die Musikmesse auf Dauer bestehen
können?
Wir haben den Nachwuchs als die für uns entscheidende Gruppe
identifiziert. Wir müssen mehr dafür tun, dass Menschen
Musik machen können. Wir hätten viele, viele Einrichtungen
fragen können, aber das haben wir nicht gemacht. Wir haben
uns vielmehr gefragt, wie das jemand machen würde, der sich
sonst damit beschäftigt, Kinder zu unterhalten. Wie würde
dieser den Kindern das Thema Musik näher bringen? Wir sind
auf eine Agentur gestoßen, die auf der EXPO und auch hier
auf der IAA Kindern das Thema Mercedes näher gebracht hat.
Die haben wir gefragt, ob wir das nicht gemeinsam mit dem Thema
Musik versuchen können. Es entsteht also ein Musikerlebnispark,
genannt Music for kids. Es gibt an den Wochentagen
geführte Rundgänge für Kindergruppen durch die
einzelnen Bestandteile, am Wochenende können die Kinder das
alleine ausprobieren.
nmz: Im Jahr 2000 hieß das Schwerpunkt-Thema der Messe
Internet. Die Realisierung hielt noch nicht ganz das,
was die Ankündigungen versprachen. Wie soll das Thema zukünftig
berücksichtigt werden?
Peters: Das Thema Internet machen wir weiter. Sicher
waren die Teilnehmer im letzten Jahr alle ein bisschen euphorischer.
Aber nach wie vor passiert so viel zum Thema Musik im Internet,
sowohl, was passives Musikerleben Beispiel Napster ,
als auch was das aktive Musizieren angeht. Unsere Absicht ist
es, alle hierher zu bringen und sich als Musikportale nicht nur
virtuell, sondern auch real den potenziellen Nutzern zu präsentieren.
Die Internet-Aussteller sind in diesem Jahr in die Halle integriert
und werden auf diese Weise auch mehr Platz haben. Aber das ist
wie das Medium selbst: es ist alles in der Entwicklung, und es
gibt noch keine festen Strukturen.
nmz: Es gibt eine Reihe von weiteren Musikmessen in Europa,
zum Beispiel die Midem, die PopKomm. Wie positioniert sich die Frankfurter
Messe in diesem Konzert?
Peters: Die Musikmesse ist in ihrer Bedeutung und ihrer
Größe zumindest quantitativ das zentrale Event in der
Welt. Was wir hier aufgebaut haben über die vielen Jahre,
hat eine sehr starke Tradition und eine sehr hohe Internationalität.
Wir sind nach wie vor der internationale Treffpunkt für die
Einkäufer. Wir sind eine Fachmesse. Über viele Jahre
ist hier geordert worden. Das geht im Moment auf allen Märkten
zurück: Auf Messen wird weniger geordert, man will sich eher
über Neuheiten informieren. In den letzten Jahren ist das
Musikerlebnis hinzugekommen. Am Wochenende wollen wir zudem versuchen,
die Bevölkerung stärker an das Thema Musik heranzuführen.
Wir sind jetzt bei fast 100.000 Besuchern, davon über die
Hälfte Fachbesucher, und das ist eine gesunde Zahl.
Die anderen Musikmessen, die alle zu dem Bereich der Musikwirtschaft
gehören, sind kleine Nischen: die Nische der Musikrechte
in Cannes, die Nische der CD-Wirtschaft in Köln. Dazu kommen
noch Musikreisen, Konzerte, Musikausbildung, wobei das Elemente
sind, die nach und nach auch zur Musikmesse nach Frankfurt kommen
und sie zu einem runden Erlebnis werden lassen. Die Nischenanbieter
haben ihre Marktberechtigung. Unser Bestreben ist es dagegen,
ein Voll-Sortimenter zu sein und alles, was mit Musik zu tun hat,
einmal im Jahr zu zeigen.
nmz: Es gibt andere internationale Messen, an denen Sie
selbst beteiligt sind wie zum Beispiel die Messe in St. Petersburg.
Peters: Unser Ausflug nach St. Petersburg ist die Erkenntnis
aus Untersuchungen, die gezeigt haben: Wenn wir es nicht tun,
macht es jemand anders. Wir können es uns nicht leisten,
dass im unmittelbaren geografischen Umfeld jemand anders auch
anfängt, Musikmessen zu machen. Außerdem sehen wir
dort große Entwicklungschancen. Wir wollten 100 Aussteller
haben auf 2.000 Quadratmetern, jetzt haben wir 170 auf über
4.000 Quadratmetern. Es war gut, dass wir das gemacht haben.
nmz: Auch 2002 soll es wesentliche strukturelle Veränderungen
geben.
Peters: Im nächsten Jahr werden wir uns nach vielen
Jahren in festen Strukturen in eine neue räumliche Welt begeben.
Es wird eine sehr kompakte Messe geben. Unser Ziel ist es, eine
bessere Struktur und Transparenz entstehen zu lassen und damit
auch kürzere Wege zu schaffen. Es sollen nicht mehr alle
Instrumentengruppen durcheinander stehen. Im Moment muss jemand,
der sich für Keyboards interessiert, in vier Hallen suchen.
Wir wollen das besser zusammenfassen.
Eine ganz wichtige Idee ist die Trennung von Business und Erlebnis
und die Konkretisierung der Handelsorientierung. Wir wollen den
Ausstellern auf einfache Art und Weise die Möglichkeit geben,
weiterhin ihren Stand zu haben, wo sie ihre Produkte darstellen.
Aber oft haben Aussteller keine Möglichkeit, sich irgendwo
ein ruhiges Gesprächsareal einzurichten. Dafür wollen
wir ein Handelsareal schaffen. Dort haben Fachbesucher in private
suites, die Möglichkeit, zurückgezogen miteinander
zu verhandeln. Wir wollen die Fachbesucherbetreuung, die in den
Aussteller-Hallen nicht immer möglich ist, rausnehmen und
dort angehen.
nmz: Gibt es hier Widerstände von Seiten der Aussteller,
so wie vor zwei Jahren den Protest des Musikverleger-Verbandes?
Peters: Damals wollten wir die Halle 10 integrieren und
die Verlage aus der Halle 8 herausnehmen: Da haben die Musikverleger
empört reagiert. Jetzt haben wir zwei Jahre am neuen Konzept
gebastelt. Das wird nun mitgetragen.
Wenn wir von neuen Strukturen sprechen, dann bezieht sich das
auf zwei Dinge. Einmal wollen wir klare Instrumentengruppen in
den Hallen. Zu dieser Differenzierung kommt noch die Unterscheidung
in Laut und Leise. Eine Keyboard- und Pianohalle hat ein anderes
Geräuschmuster als eine Halle der Blasinstrumente. Wenn man
diese Gruppen zusammen lässt, entsteht ein akustisches Durcheinander,
das durchaus ertragbar ist. Sobald es jedoch nur Schlagzeuge sind,
merken die Besucher vielleicht selber einmal, wie unerträglich
es ist, wenn viele Schlagzeuge gleichzeitig spielen, und wie sehr
das stört. Ich denke, dass nach dem Erlebnis des Acoustic
Village auch die anderen Instrumentengruppen kreativ werden
und darüber nachdenken, was man anders machen kann.
nmz: Einige Jahre hat die KlassikKomm. versucht, neben einem
Ausstellungs- auch ein Kongresskonzept zu realisieren. Ist für
die Frankfurter Musikmesse auch an eine solche inhaltliche Ausweitung
gedacht?
Peters: Ich glaube, dass wir da gar nicht drum herumkommen.
Man muss Messen zukünftig anders inszenieren und anders dramatisieren.
Das betrifft sowohl die formale Darstellung in den Hallen als
auch das Aufzeigen von Freiräumen, die Aussteller kreativ
nutzen können. Aber dazu gehört auch, dass man die Besucher
nicht mehr dazu bringen kann, von morgens bis abends einfach durch
die Hallen zu gehen. Da muss auch mal ein anderes Erlebnis her.
Sei es, dass man sich mal zurückzieht und arbeitet oder einfach
Musik hört und sich entspannt. Oder aber man hat die Möglichkeit,
sich einen Vortrag oder einen Workshop zu einem bestimmten Thema
anzuhören. Im Prolight + Sound-Bereich ist das
schon heute so.
nmz: Vielleicht werden Sie nach den ersten Erfahrungen mit
dem Projekt Music for kids einmal die Menschen und Institutionen,
die sich mit diesem Thema befassen, an einen Tisch holen, um es
auf der Messe öffentlich anzugehen?
Peters: Ich gehe davon aus, dass man einmal solche Menschen
zusammenholt. Es gibt genügend Themen. Das gehört dazu,
das muss sein. Da sind wir auch auf den Input von Verlagen angewiesen,
die sagen: Wir machen mal was.
nmz: Was wünschen Sie sich von den Ausstellern? Gibt
es Vorstellungen über zeitgemäße Standkonzepte,
Präsentationen, Veranstaltungen?
Peters: Ein genereller Wunsch richtet sich an alle Menschen,
mit denen wir zu tun haben: diese Menschen, egal ob Aussteller
oder Besucher, sind häufig retro-orientiert. Man liebt seine
Gewohnheiten und Traditionen. Das Tragische ist, dass wir als
Messe-Createure ständig gegen diese im Menschen tief sitzenden
Verhaltensweisen angehen müssen. Wenn man mit dem Markt zu
tun hat, stellt das ganze tägliche Arbeitsleben neue Probleme,
weil der Markt sich ständig ändert und man ständig
reagieren muss. Jetzt ändert sich auch noch die Messe, da
soll man nun auch noch reagieren. Da würde ich mir auf der
Aussteller- und Besucherseite mehr Toleranz wünschen. Diese
Toleranz würde unmittelbar auch zu mehr Kreativität
führen. Ich wünsche mir die Bereitschaft, neue Wege
zu gehen, nicht alles zu verteidigen und dabei vielleicht unterzugehen,
sondern auch mal Herausforderungen zu sehen, zu sehen, dass der
Markt von morgen nicht nur Risiken bietet, sondern auch eine Menge
Chancen. Wir als Messe Frankfurt sind bereit, solche Dinge in
den Musikmarkt hineinzutragen, wir investieren ja in die Zukunft.
Eins ist uns klar: Wir können die Musikmesse nicht mehr so
machen, wie sie vor 20 Jahren begonnen hat, und wenn wir sie uns
in 20 Jahren vorstellen, sieht sie noch mal ganz anders aus. Wir
können die Entwicklung gar nicht aufhalten, weil der Markt
sie bewirkt. Wir haben das Ideal, dass es uns gelingt, die Menschen
mehr zu sensibilisieren und zu mehr Kreativität zu bringen,
damit sie sagen: Das machen wir gemeinsam. Letztlich ist es das
Thema Musik, das uns alle verbindet.
Wir wollen erreichen, dass mehr und mehr Menschen in Deutschland
aktiv musizieren. Je mehr Menschen in Deutschland musizieren,
desto mehr Instrumente werden gebraucht, desto mehr hat der Handel
zu tun, und desto besser für die Messe.