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nmz-archiv
nmz 2001/03 | Seite 21
50. Jahrgang | März
Internet
Wenn die Elektronen im Netz klingen...
Eine kleine musikalische Reise durch das Internet
Napster hin, Gnutella her: Musik im Internet ist nicht nur eine
Angelegenheit der Subversion oder des Geschäfts, wenngleich
diese Problematik die Schlagzeilen der Intenet-Music-News hervorbringt.
Es gibt eben doch ein Internet neben dem Internet. Hier sitzen Freaks
oder Eigenbrötler, die mit den Mitteln des Computers Musik
erzeugen oder erzeugen lassen. Dass es derlei Initiativen gibt,
liegt eigentlich nahe.
B ei den heute gebauten Computern sind Soundkarten regelmäßig
Bestandteil des Systems. Musik gehört mittlerweile zum Computer
wie die Reifen zum Auto. Diese Soundkarten verfügen normalerweise
auch über eingebaute Synthesizer-Module, die über die
Midi-Schnittstelle angesprochen werden können. Was läge
da näher, als das ganze Internet zu beschallen mit Daten, die
im Wesentlichen in der Sprache des Computers verfasst sind. Diese
Daten lassen sich schnell übertragen und sind für gewöhnlich
nachbearbeitbar.
Archive für Midi-Dateien gibt es haufenweise, in denen von
der Barock- bis zur Popmusik Stücke zur Verfügung stehen.
Wer sich dafür interessiert, der sei auf die unten gelisteten
Links verwiesen. Besonders interessant ist dabei die Seite des unlängst
tödlich verunglückten Werner Icking von der GMD (Forschungszentrum
für Informationstechnik). Dort kann man sich Noten herunterladen
und eventuell Midi-Dateien dazu anhören. Das Archiv bietet
kostenlose Noten für nicht-kommerzielle Vervielfältigung.
Das heißt, dass Sie die Daten von dem Server holen dürfen,
um sich die Noten anzusehen oder sie auf Papier zu drucken. Die
gedruckten Ausgaben dürfen aber nicht verkauft werden,
schrieb Werner Icking.
Wenn man den Begriff elektronische Musik in einer beliebigen Suchmaschine
eingibt, wird man zunächst erstaunt sein. Gefunden werden nicht
etwa die Elektro-Heroen der Neuen Musik, sondern zahlreiche Popmusik-Geschichten
(DrumnBass-Tracks und Zeitschriften zum Beispiel). In
der Tat wird diese Musik zu einem großen Teil an Computern
entworfen. Und in diesen Musikstudios wird bisweilen auch hochinteressante
Musik produziert. Demgegenüber wirken die Seiten der akademischen
elektroakustischen Musik meistens staubtrocken. Meistens geht es
dort auch um Forschungsvorhaben und erst in zweiter Linie um künstlerische
Musikproduktionen, die außerdem dann Verwertungsschutz beanspruchen.
Wie geteilt die Welt der elektronischen oder elektroakustischen
Musik ist, zeigt das nachhörbare Symposium Was ist elektronische
Musik des music information centers austria.
Ein Sonderfall elektroakustischer Musik stellt Musik dar, die interaktiv
realisiert werden kann. Das liegt an und für sich sehr nahe.
Wo Rechenoperationen gefordert sind, ist der Computer das Mittel
der ersten Wahl. Theoretisch lassen sich über raffiniert ausgeklügelte
Algorithmen schnell Musikstücke entwerfen. Ein bisschen Kenntnis
von stochastischen Rechenoperationen vorausgesetzt, lassen sich
Bilder, Texte oder Zahlen in Musik umwandeln. So zum Beispiel auf
der Seite MusNum: Dort kann man seine eigene Interneteinwahladresse
(die sogenannte IP-Nummer) in Musik umwandeln lassen. Der Autor
bietet ferner ein Softwareprogramm für Windows an, mit dessen
Hilfe sich algorithmische Kompositionen erstellen lassen. Dabei
handelt es sich um ein gleichmaßen einfaches wie komplexes
Programm. Das heißt, man kommt schnell zu irgendwelchen Ergebnissen.
Will man aber dieses Programm richtig steuern, dann
sind Kenntnisse gewisser mathematischer Prozeduren hilfreich. Der
Autor liefert mit dem Programm jedoch eine ausführliche Hilfe
und zahlreiche Beispiele mit. Weitere algorithmische Kompositionstools
gibt es im forum experimentellemusik und computer oder
im Komponierhäusl der neuen musikzeitung.
Eine besondere Spielart des Komponierens mit Algorithmen widmet
sich der musikalischen Umsetzung von Fraktalen, also mathematischen,
rekursiven Rechenoperationen, die dann gewissermaßen unendliche
Werke produzieren können. Bekannt wurden diese Fraktale durch
die sogenannten Apfelmännchen und die Schriften Benoit Mandelbrots.
Es ist alles eine Frage der Gestaltung und Steuerung der Rechenoperationen,
wenn die Ergebnisse etwas strukturierter klingen sollen. Über
dort entstehende Probleme gibt der Bericht eines Jugend forscht-Teams
von 1996 Auskunft.
Das alles kann nur ein erster Blick in die Welt der Musik aus
Elektronen sein. Man muss sich schon selbst auf die Reise begeben,
sich überraschen lassen und immer wieder Programme austesten
und Abstürze (auch kompositorische) einkalkulieren.