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nmz-archiv
nmz 2001/03 | Seite 31
50. Jahrgang | März
Jeunesses
Musicales Deutschland
Anreißen macht Geschmack auf mehr...
Arbeitsgemeinschaft Jugendorchester (AGJO) tagte auf Schloss
Weikersheim
Am 16. und 17. Februar 2001 fand auf Schloss Weikersheim die diesjährige
Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft Jugendorchester (AGJO) der Jeunesses
Musicales Deutschland statt. Hinter der romantischen Kulisse des
Schlosses Weikersheim verbergen sich in den Räumen der musikalischen
Bildungsstätte ausgezeichnete Arbeitsbedingungen für eine
konzentrierte Arbeit.
Mit weniger als 25 Teilnehmern war die Resonanz geringer als erwartet,
was der positiven Stimmung der Anwesenden jedoch keinerlei Abbruch
tat. Bunt gemischt versammelte sich ein wohlproportioniertes Häufchen
aus künstlerischen Leitern beziehungsweise Dirigenten und jugendlichen
Hobbymusikern unterschiedlicher Orchester. Ehrenamtliche Helfer
der Organisationsteams freier Orchestervereinigungen und hauptberufliche
Mitarbeiter des Managements institutioneller Jugendorchester waren
ebenso vertreten wie Mitarbeiter der JMD, die aus unterschiedlichen
Landesverbänden und mit unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkten
nach Weikersheim kamen. Von Hamburg bis Puchheim bei München,
von Neuwied am Rhein bis Dresden war auch regional eine interessante
Mixtur zusammen gekommen. Das Akademische Orchester Würzburg
unter universitärer Trägerschaft war ebenso vertreten
wie das Jugendsinfonieorchester der Musikschule Dormagen oder das
Deutsche Musikschulorchester als bundesweite Institution. Kontrastreich
ist dies unter anderem deshalb, weil zum Beispiel das Jugendsinfonieorchester
Göttingen seine Mitglieder auf ganz andere Weise rekrutieren
muss als die vorgenannten Musikschulorchester, da die Stadt Göttingen
derzeit keine Musikschule vorweisen kann. Eine auch für mich
erstaunliche Neuigkeit. Der Dirigent des freien Puchheimer Jugendorchesters
verfügt als Orchesterprofi, der bei mehreren der ganz großen
europäischen Orchester selbst als Geiger am Pult gesessen hat,
zwangsläufig über ganz andere Erfahrungen als der altgediente
Pädagoge einer Musikschule, der bereits eine Vielzahl von Entwicklungen
junger Musiker erfahren und beobachten durfte.
Gerade darin lag wahrscheinlich das Geheimnis der guten Stimmung
und des gespannten Interesses, nicht nur an den angebotenen Seminaren,
sondern auch an Gesprächen mit anderen Teilnehmern. Auch die
Themen der angebotenen Workshops fanden deutliches Interesse. Da
war zum einen der Umstand, dass insgesamt drei sehr unterschiedliche
Themen angeboten wurden, von denen man aus zeitlichen Gründen
jedoch nur an zweien teilnehmen konnte.
Die zweifellos trockenste Materie Gesellschaft für musikalische
Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte, kurz GEMA
genannt, wurde durch Udo Ortmann von der GEMA-Bezirksdirektion Nürnberg
anschaulich, interessant und unter Hinzuziehung der wichtigsten
Daten und Zahlen vorgetragen. Wohl jeder von uns hat eine vage Vorstellung
von dem, was sich hinter den vier Buchstaben verbirgt. Für
organisatorische und künstlerische Leiter baut sich darin aber
auch schnell eine Art natürliches Feindbild auf, da jede konzertante
Aufführung vor Publikum eine Anmeldung bei der GEMA voraussetzt
und fast immer eine Zahlung an diese nach sich zieht, ob der Kartenverkauf
erfolgreich war oder nicht. In Zeiten knapper Kassen, die bei allen
anwesenden Orchestern chronisch sind, führt dies nicht zu spontanen
Sympathiebekundungen mit der fiskalähnlichen Institution. Besonders
spannend war in dem Workshop die gleichzeitige Anwesenheit eines
Komponisten im Kreise der Zuhörer. Für diesen nämlich
ist die GEMA so etwas wie für viele von uns die Gehaltsstelle.
Mit rund 87 Prozent fließt immerhin ein erheblicher Teil der
Gelder, die wir so ungern zahlen an diejenigen, die uns die Musik,
an der wir gerade uns und andere erfreuen, geschaffen haben. Wenngleich
es in der gebotenen Kürze und der Komplexität der unterschiedlichen
Tarife und Rechtsgrundlagen auch unmöglich war, aus den Teilnehmern
Steuer- nein GEMA-Berater zu machen, so war es doch möglich
zu erfahren, welche Tarife es gibt und wie und wo man Hilfen und
Auskünfte bekommt. Mir jedenfalls ist die GEMA sympathischer
geworden, das Finanzamt dagegen noch nicht.
Im Forum Öffentlichkeitsarbeit referierte Eva-Maria Oehrens
von der Akademie Remscheid. Sie stellte wesentliche Grundlagen zur
Abgrenzung zwischen Öffentlichkeitsarbeit, Werbung, Pressearbeit
und Marketing dar.
In den seltensten Fällen können sich Jugendorchester
Berater oder Fachleute für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
leisten. Volle Konzertsäle kommen jedoch von guter Werbung
und Bekanntmachung. Deckungslücken im Etat müssen immer
häufiger durch Sponsoren ausgeglichen werden, was ohne positive
Darstellung in der Öffentlichkeit schwierig ist. Auch hier
konnte in der Kürze der Zeit vieles nur angerissen werden.
Aber Anreißen macht Geschmack auf mehr, wie es
eine Teilnehmerin im Abschlussgespräch formulierte.
Mehr Zeit für das Wesentliche titulierte Claus
Harten, Unternehmensberater und früher selbst in leitender
Funktion bei der Jeunesses Musicales, seinen Workshop zu den ganz
praktischen Dingen der Organisation von Jugendorchestern. Wie organisiere
ich mich selbst, meine Ablage, meine Telefonate oder mein Büro,
eine ganz wesentliche Frage für die, die ihre Freizeit in Jugendmusikprojekte
investieren, wie auch für diejenigen, die beruflich mit der
Materie zu tun haben und stets über zu wenig Zeit klagen.
Die solide Beherbergung im unmittelbar neben dem Schloss gelegenen
Haus der Musik darf ebensowenig ungenannt bleiben, wie der angenehme
Abend im rustikalen Jeunesses-Keller unter dem Schloss,
bei dem Zeit für Gespräche in kleiner Runde war.
Insgesamt war AGJO kompakt eine gelungene Veranstaltung
in sehr angenehmer Arbeitsatmosphäre. Den Organisatoren sei
herzlich gedankt. Es bleibt zu hoffen, dass beim nächsten Treffen
eine größere Anzahl von Teilnehmern begrüßt
werden kann. An Themenvorschlägen und -wünschen seitens
der Teilnehmer mangelt es nicht. Selbst schuld, wer dann nicht kommt.