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Ausgabe 2001/03
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nmz 2001/03 | Seite 7
50. Jahrgang | März

Kulturpolitik

Rostocker Sparvarianten: Abbauen oder Abschaffen

Ein nüchterner Lagebericht zum Rostocker Volkstheater

Der 200.000 Einwohner zählenden Hansestadt Rostock wird ihr Volkstheater schlichtweg zu teuer. Auf ein Sprachrohr aus der Stadtverwaltung kann das Theater nicht zählen, denn das Amt des Senators für Schule, Kultur und Sport sowie der Kulturamtsleiter ist mit „N.N.“ ausgewiesen. In anderen Senatsbereichen ist man dafür agiler. Finanz- und Wirtschaftssenator Dieter Schörken (CDU) beauftragte kurzerhand seine „Hauptarbeitsgruppe-Haushaltskonsolidierung“, den Rotstift beim Theater anzusetzen und Einsparmodelle zu erarbeiten. Die gründlichen Beamten legten ihrem Senator gleich drei Varianten zur Auswahl vor.

Variante 1, die Billig-Variante: Abbau von 40 Stellen in der Norddeutschen Philharmonie Rostock (wird so vom A- zum B-Orchester) und im Opernchor bis zum Jahr 2010. Spareffekt: 4,3 Millionen Mark.

Variante 2, die Oper-weg-Variante: Abbau von 114 Stellen durch die Schließung des Musiktheaters, des Tanztheaters und des Opernchores. Veräußerung des frisch renovierten Theaters am Stadthafen. Spareffekt: 8,5 Millionen Mark.

Variante 3, die Total-OP-Variante: Abbau aller 350 Stellen, Einstellung des Spielbetriebes, stattdessen Gastspiele. Eingliederung der Philharmonie Rostock in die Messe und Stadthallengesellschaft mbH. Einspareffekt: 9,4 Millionen Mark.

Zumindest die dritte Variante hat Oberbürgermeister Arno Pöker vor wenigen Tagen ausgeschlossen. Nicht zuletzt wegen des Drucks der Öffentlichkeit und immerhin 25.000 Unterschriften gegen die Schließung des Theaters. Trotzdem muss gespart werden, denn der zugesagte jährliche Zuschuss von 15 Millionen Mark bis zum Jahr 2010 gibt einem Vier-Sparten-Theater, das um höhere Akzeptanz in der Bevölkerung kämpft, nur wenig Handlungsspielraum. Die Rostocker Bürgerschaft, so heißt das Stadtparlament in der Hansestadt, muss nun die richtigen „Rahmenformulierungen zum Theater für die Beschlussvorlage zum Haushaltsicherungskonzept“ finden. Um ihr die Entscheidung zu erleichtern, wurde – ziemlich spät, aber immerhin – eine Expertenkommission unter der Leitung von Wilfried Jochims (Hochschule für Musik und Theater Rostock) gegründet. Diese soll langfristige Perspektiven für die Theaterentwicklung erarbeiten. Doch zuerst muss sie sich die Situation des Volkstheaters nüchtern vor Augen halten. Und die sieht folgendermaßen aus: Die Ensembles spielen an vier Stätten: im Großen Haus mit Ateliertheater (eigentlich ein Notbehelf, seit 1945 im maroden Gewerkschaftshaus am Patriotischen Weg der Kröpeliner Vorstadt), im Theater am Stadthafen (Kammerspiele, die erst 1998 für 15 Millionen Mark renoviert wurden), in der Kleinen Komödie Warnemünde und im Barocksaal. Eher selten werden die Stadthalle und die St.-Nikolai-Kirche als Spielstätten genutzt.

Adäquat zur Stadt sind die Chefsessel im Theater entweder stark strapaziert oder gar nicht besetzt. Einen Schauspielchef und einen Generalmusikdirektor gibt es nicht und Intendant Michael Winrich Schlicht, der 1997 aus Mannheim kam, hat im Herbst vergangenen Jahres nach der Ankündigung einer Etatkürzung das Handtuch geworfen und zum 1. August 2002 gekündigt. Immerhin hat er dann fünf Jahre lang in Rostock ausgeharrt, anders als seine Vorgänger. Fünf waren es, die seit 1990 verschlissen wurden! Der Etat des bald kopflosen Volkstheaters Rostock beträgt 34 Millionen Mark, davon trägt etwa die Hälfte das Land Mecklenburg-Vorpommern. Bis zum Jahr 2010 wird durch die Kostenspirale ein Etat von 50 Millionen Mark (dann 25 Millionen Euro) befürchtet.

Die Auslastung: Vorangestellt werden muss, dass Rostock eine Arbeitslosenquote von 25 Prozent hat. 780 Vorstellungen im Jahr werden jährlich von 115.000 Zuschauern besucht, also 147 Besucher sitzen durchschnittlich im Theater. 48.000 Rostocker nutzen ihr Volkstheater, das ergab eine Telefonumfrage, die unter 873 erwachsenen Rostockern von der hiesigen Universität durchgeführt wurde. Das Ergebnis der Umfrage ist mit anderen Städten durchaus vergleichbar, aber die Rostocker sind vorzugsweise Musikliebhaber. Konzerte und Musicals besuchen sie am liebsten. Schlechte Noten vergaben die Befragten dem äußeren Erscheinungsbild des Theaters oder den Rahmenbedingungen für einen Theaterbesuch: Ambiente, Bestuhlung, Akustik, Gastronomie. Hier besteht großer Handlungsbedarf, will man die Rostocker von ihren Fernsehgeräten weglocken. Für viele der Befragten gibt es nur eine Lösung: ein neues Theatergebäude. Doch darauf wird Rostock verzichten müssen. Reichen die Mittel doch kaum, um den Ist-Stand zu erhalten. Wilfried Jochims, dessen Kommission jetzt retten soll, was noch zu retten ist, sieht den Erhalt des Theaters nur gegeben, wenn in den nächsten zehn Jahren auf tarifrechtliche Steigerungen verzichtet wird. Michael W. Schlicht, auch Mitglied der Expertenkommission, sieht dagegen den Erhalt des Theaters nur dann gesichert, wenn Chor und Orchester reduziert werden (s. Variante 1). Bleibt nur zu hoffen, dass wenigstens die Kommission einen Konsens findet und der Bürgerschaft akzeptable und realistische Vorschläge über die weitere Existenz des Volkstheaters unterbreitet. Für alle Beteiligten, vor und hinter dem Vorhang.

Barbara Lieberwirth

 

 

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