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nmz-archiv
nmz 2001/03 | Seite 28
50. Jahrgang | März
Pädagogik
Ärzte und Pädagogen Hand in Hand
Bericht vom 8. Europäischen Kongress für Musikermedizin
und Musikphysiologie in Mainz
Eine Fülle von Themen, sowohl für den Spezialisten als
auch für den Nichtmediziner verständlich dargeboten und
vor hoch interessiertem medizinischem und musikpädagogischem
Publikum: Dies bot die Deutsche Gesellschaft für Musikphysiologie
und Musikermedizin auf ihrem der Hand des Musikers gewidmeten
8. Europäischen Kongress in der Klinik und Poliklinik für
Unfallchirurgie und dem Fachbereich Musik der Johannes-Gutenberg-Universität
Mainz.
Themenbereiche wie Anforderungen an die Hand aus Sicht des Musikers,
Anatomie, Physiologie, Biomechanik und Neurologie der Hand des Musikers,
Krankheiten, Verletzungen, chirurgische Eingriffe und ihre Auswirkungen
auf die Hand des Musikers, Auswirkungen von Medikamenten auf die
Hand beim Spiel und Rehabilitationsmöglichkeiten sowie die
Auswirkungen verschiedenster Übungen am Instrument auf die
Hand ergaben durch einzelne allgemein einführende sowie spezielle
Vorträge und verschiedene Workshops der sehr zahlreich erschienenen
Zuhörerschaft ein abgerundetes Bild.
Die Palette der Workshops reichte von Methoden, die das Erkennen
und Verändern von Bewegungsgewohnheiten trainieren wie Feldenkrais
und Alexandertechnik (A. Schulz/M. Trautmann), über eine von
momentan vier erfolgreichen Übungstherapien der fokalen Dystonie
bei Pianisten (L. Boullet), Wahrnehmungsübungen für Pianisten
zur Korrektur einer Disbalance in der Muskulatur (H. Görtz),
Programmierung von Muskelgruppen der Pianistenhand beim Üben
zur Erlangung einer sicheren Aufführungspraxis (W. Ellenberger),
bis zum Thema Resonanzlehre und die Hand beim Klavierspiel (Th.
Lange).
Schon hier bot sich also eine Fülle von Informationen, die
dem Instrumentalmethodiker an Musikhochschulen, aber auch dem Musiklehrer
an der Basis wertvolle neue Erkenntnisse für seinen Unterricht
gibt und eine richtige Beratung der Schüler im Einzelfall
präventiv oder akut gewährleistet. So verwies auch
B. Wetz darauf, dass trotz des interdisziplinären Anspruches
des Faches Methodik an Musikhochschulen durch Teilgebiete wie künstlerischen
Unterricht, Pädagogik, Werkanalyse, Instrumentenbau, Akus-tik,
Psychologie und Physiologie dem Lehrstoff Hand des Musikers
besondere Bedeutung beigemessen werden muss, denn ohne das Fach
Methodik würde die Musikerhand nur unzureichend behandelt.
In diesem Zusammenhang ist auch Chr. Wagners Vortrag über den
Zusammenhang biomechanischer Begrenzungen und spezieller Probleme
am Instrument von großer Wichtigkeit: Rechtzeitiges Erkennen
individueller biomechanischer Begrenzungen führt im Sinne von
Prävention zum individualisierten Umgang mit dem Instrument
und vermeidet Überlastungssyndrome.
Auch das Referat von E. Altenmüller über neurophysiologische
Untersuchungen zur Feinmotorik der Hand des Musikers überraschte
den Ausbildenden mit interessanten neuen Erkenntnissen: Wenn das
Instrumentalspiel vor dem Alter von zehn Jahren begonnen wurde,
ließ sich später beim Berufsmusiker eine Vergrößerung
der zentralnervös, sensomotorisch und audiomotorisch orientierten
Hirnregionen nachweisen. Aber auch noch bei Menschen, die erst im
Erwachsenenalter zu musizieren beginnen, lassen sich bei regelmäßigem
Instrumentalspiel Vergrößerungen im Bereich der für
die Hand zuständigen Nervenzellverbände nachweisen. Eine
automatische Kopplung der sensomotorischen und audiomotorischen
neuronalen Netzwerke ließ sich ebenso erkennen wie die Tatsache,
dass das Handlungsgedächtnis und das Affektgedächtnis
des limbischen Systems durch rasch einsetzende und schwer aufzulösende
Gedächtnisfixierungen gekennzeichnet sind. Er empfiehlt
weiter eine enge Zusammenarbeit zwischen Arzt und Instrumentalpädagogen
sowie ärztliche Untersuchungen am Instrument, denn so
ein Beispiel schon Schädigungen kleiner digitaler
Nerven können durch unzweckmäßige Haltevorrichtungen
am Instrument aber auch durch übertriebene Druckentwicklung
und allgemeine Überspannung bedingt sein.
R. Klöppel stellte in Ihrer Studie zum Thema Dehnübungen
und deren Erfolg hinsichtlich der Spreizfähigkeit von Fingern
fest, dass der ausbleibende beziehungsweise geringe Effekt dieser
Übungen die gesundheitlich eventuell riskante Unternehmung
nicht rechtfertige. Im Bereich der Musikererkrankungen gab K. Bork
in seinem Vortrag über dermatologische Erkrankungen der Musikerhand
den Hinweis, dass oft zu langes Üben bei Anfängern zu
chronischen Hautsymp-tomen führe, da die Haut hier keine Chance
habe, sich langsam auf die mechanische Belastung einzustellen.
M. Schuppert führte mit Nachdruck aus, dass Stoffwechselerkrankungen
und Arzneimittelnebenwirkungen die Musikerhand stark beeinträchtigen
können und rief zu erhöhter Sensibilität auf, während
N. Ell in seinem Referat aus dem Bereich der Rheumachirurgie darauf
verwies, dass die behandelte Krankheit nicht immer das berufliche
Aus bedeute. Bei der Planung chirurgischer Eingriffe
müsse beim Musiker immer auch das Instrument einbezogen werden.
Aus dem Bereich der Rehabilitation und Physiotherapie referierte
J. Blum. Er gab den besonderen Hinweis, bei Musikern möglichst
frühzeitig das Instrument wieder mit einzubeziehen, denn der
Zeitpunkt des Übens mit der verletzten Hand sei mitentscheidend
für die Wiedererlangung einer professionellen Spieltechnik.
Daher sei für den frühzeitigen Einstieg meist ein ganzer
Satz von Instrumenten nötig, der den langsamen Einstieg in
die originäre Mensur und einen gezielten Aufbau von Druckentfaltung
sowie Spreizfähigkeit der Finger ermögliche. Auch die
Möglichkeiten der Entlastung sollten gezielt bedacht werden.
Ein besonderes Lob gebührt dem Organisationsteam: ein anspruchsvolles
Programm auf sehr hohem Niveau, professionell geplant und durchgeführt!