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nmz-archiv
nmz 2001/04 | Seite 4
50. Jahrgang | April
Cluster
Langweilige Kondome
Hartmut Segschneider, A&R-Manager bei der Frankfurter Plattenfirma
Bellaphon, hat sich Mühe gegeben: Er hat die Tracks für
die HipHop-Compilation Red Ribbon Beatz zusammengestellt
und eine Mischung aus Qualitäten und Hits dieses Popgenres
hingebogen. Die Verwässerten mussten draußen bleiben,
hier geben sich die, die real sind, ein Stelldichein.
Von den Stieber Twins über Nico Suave bis Curse und Blumentopf,
das sind die, die den Flow raushaben. Das Angebot ist attraktiv
und es hat eine Bestimmung: Wir freuen uns, mit dieser Compilation
einen sinnvollen Beitrag gegen die Verbreitung von Aids leisten
zu können, so Segschneider im Infoschreiben. Über
deutschsprachigen HipHop könne man die anvisierte Zielgruppe
der 15- bis 35-Jährigen ansprechen, da diese sowieso bei Themen
wie Sex und Drogen kein Blatt vor den Mund nähmen, heißt
es weiter. Vom finanziellen Standpunkt gesehen ist das Ziel jedenfalls
erreicht. Wenn mindestens acht Mark des Erlöses
an die sechs großen Aids-Hilfe-Organisationen in deutschen
Städten gehen, wird schon etwas zusammenkommen. Was die Form
der Aufklärung angeht, ist die Sache natürlich zwackeliger.
Ein kleiner Text im Booklet versucht die Zielgruppe
zu erreichen: Beim Sex könnt Ihr Euch ganz easy schützen.
Kuscheln und schmusen ist safe. Als wenn Dr. Sommer in Baggytrousers
herumschlurft: Keep it real, nehmt ein Gummi! Yeah,
man!
Man muss vermuten, dass solche Versuche, die spezielle Jugendsprache
in Schriftform zu binden und dabei locker zu bleiben, vielleicht
noch den ein oder anderen 15-Jährigen beeindrucken. Alle anderen
werden freilich eher schmunzeln... Das hat wiederum auch damit zu
tun, dass das Thema Aids in der HipHop-Szene keines ist. Kein einziger
der 15 Tracks dieser Compilation dreht sich nur im entferntesten
um diese Krankheit. Betrachtet man den Wert der Red Ribbon
Beatz also nicht von der finanziell einträglichen Seite,
sondern klopft man die Titel auf ihre Aussage ab, lässt sich
ein schales Gefühl nicht vermeiden: Das Red Ribbon
interessiert die Rapper, so wie sie sich hier darstellen, herzlich
wenig, der Großteil der verbalen Ergüsse preist meine
tollen Reime (flowInImmo), die fetten Beats und das Können
des jeweiligen Protagonisten Raps zu schreiben, die
burnen (Nico Suave). Und es wird nie passieren, dass in einem
Ragga-infizierten, coolen Track wie A who dem want blame
von Gentleman das Wort Kondom im Reim auftaucht. Hat
einfach keinen Flow.