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nmz-archiv
nmz 2001/04 | Seite 55
50. Jahrgang | April
Dossier: Laienmusik
Guter Zeitpunkt für einen neuen Schulterschluss
Zu einer Fachtagung mit dem Thema Zusammenarbeit der Musikverbände
und Musikschulen
Vom 9. bis 11. Februar 2001 fand in der Bundesakademie für
musikalische Jugendbildung Trossingen (BAK), eine Fachtagung mit
dem Thema Zusammenarbeit der Musikverbände und Musikschulen
unter Einbeziehung der allgemein bildenden Schulen statt,
zu der der Direktor der BAK, Reinhard Froese, die Vertreter der
Mitgliedsverbände des Trägervereins der BAK sowie die
Mitglieder der Bundesfachausschüsse Musikpädagogik
und Laienmusizieren eingeladen hatte. Neben der allgemeinen
Erörterung des Themas hatte die Fachtagung das Ziel, positive
wie negative Erfahrungen in der Zusammenarbeit auszutauschen, beispielhafte
Kooperationsmodelle zu sammeln und deutliche Impulse zur Weiterentwicklung
auf allen Ebenen zu setzen. Zu Beginn der Tagung gab der Bundesgeschäftsführer
des VdM, Rainer Mehlig, das nachfolgende Statement aus Sicht des
Verbandes deutscher Musikschulen ab:
Es war im Jahr 1975, als es zu einer sogenannten Rahmenvereinbarung
des VdM mit den Verbänden des Laienmusikwesens kam. Damals
unterzeichneten: der Deutsche Volksmusikerbund, der Bund Deutscher
Zupfmusiker, der Bund Deutscher Liebhaberorchester, der Bund Deutscher
Blasmusikverbände und der Deutsche Sängerbund.
Damals war eine Zeit der Absichtserklärungen, eingebettet
in Hoffnungen der Bildungsreform vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen
Wandels nach 1968. Solche Stichworte beschäftigen uns auch
heute wieder: Bildungs- und gesellschaftlicher Wandel, und auch
Aufbruchstimmung, heute am Beginn des 21. Jahrhunderts. Aber Hoffnungen?
Was ist aus jenen der 1970er-Jahre geworden? Auf der einen Seite
eine Menge, denn das aktive Musikmachen in Deutschland ist tatsächlich
zu einer breiten Volksbewegung geworden. Acht Millionen Menschen
machen in Deutschland Musik. Die meisten als Laien und in Musikvereinigungen.
Die Musikschulen haben über eine Million Schüler, und
es könnten mehr sein. Auf der anderen Seite hat uns eine heillose
Kommerzialisierung auch im Musikbereich ereilt, die eine Konsumentenhaltung
selbst bei den Musiktreibenden nach sich zieht, daneben drängt
die Wissenschafts- und Informationsgesellschaft die Ausbildung musischer
Fähigkeiten an den Rand des Kanons der Allgemeinbildung
paradoxerweise entgegen allerorts, selbst in der Politik, geäußerter
Lippenbekenntnisse, wie wichtig und wirksam doch die Persönlichkeitsbildung
durch Musikerziehung sei. Und dann: Die schwindende Akzeptanz, dass
musikalische Bildung nicht nur zur Allgemeinbildung gehört,
sondern auch im öffentlichen Interesse ist.
Wenn wir heute überlegen, was uns jene Rahmenvereinbarung
von 1975 noch bedeuten kann, dann tun wir dies unter solchen aktuellen
Vorzeichen. Und ich denke, wir alle erkennen, dass der Zeitpunkt
für einen neuen Schulterschluss längst gekommen ist. Mit
einer gewandelten Qualität freilich, denn man merkt dem alten
Text Berührungsängste ebenso an wie Unsicherheiten, worin
denn die beschworene Zusammenarbeit bestehen könnte. Zu welchem
Zweck und Ziel man sich zusammen tun will, fand man damals offenbar
keinen Konsens.
Impulsgeber
Nach der deutschen Wiedervereinigung wollten wir bereits 1990
mit unseren Thesen zur Offenen Musikschule einen Impuls
geben: Die Öffnung der Musikschulen sollte ein Leitbild für
das Reagieren auf den gesellschaftlichen Wandel werden: Öffnung
zu neuen Angeboten, zu neuen Musikstilen, zu neuen Unterrichtsformen
und zu vielen Partnern im kommunalen Wirkungsfeld der Musikschulen.
1995 führte der VdM seine Initiative Neue Wege in der
Musikschularbeit durch. In der bunten und vielfältiger
und vielerorts auch produktiver gewordenen Musikschullandschaft
vermuteten wir viele tragfähige und zukunftsweisende Konzepte,
unter denen eine Verstärkung der Kooperationen einen besonderen
Schwer-punkt bildete. Nicht allein unter dem Gesichtspunkt von Synergie,
Partnerschaft und Vernetzung, sondern auch aus dem Blickwinkel der
gesellschaftlichen Wirksamkeit und der Auswirkungen von Musikschularbeit
sind solche vielfältigen Kooperationen vor Ort auch kommunalpolitisch
von Bedeutung. 1998 ging das Stichwort Kooperationsbereitschaft
in die Aktualisierung des Strukturplans für Musikschulen, gewissermaßen
in unseren kleinen Katechismus, ein. Innerhalb unseres Qualitätsmanagements
Qualitätssystem Musikschule bilden Partnerschaften
einen eigenständigen Aspekt. Der Umgang mit Partnern wird hier
zum Gegenstand von Qualitätsbewusstsein. Kooperationen werden
als Qualität von Musikschularbeit heute immer bewusster wahrgenommen.
Viele positive Beispiele konnten bisher dokumentiert werden. Bereits
1992 gab unser bayerischer Landesverband eine Broschüre Musikschule
und Blasmusik heraus, die 1998 in erweiterter Form wieder
aufgelegt werden musste. 1995 zeigte die VdM-Initiative Neue
Wege in der Musikschularbeit einige modellhafte Anregungen.
Erst Ende 2000 hat unser baden-württembergischer Landesverband
mit den dortigen Blasmusikverbänden eine Vereinbarung
über die Zusammenarbeit zwischen Musikschule und Musikverein
geschlossen, die wir uns auch einmal ansehen sollten.
Wenn es am Beginn des 21. Jahrhunderts ein offensichtliches Problem
mit der musikalischen Bildung gibt, dann sollten sich Musikschule,
Musikverbände und Musikunterricht in der allgemein bildenden
Schule zusammen tun und sich auf ihre gemeinsamen Ziele, Werte und
auch Ressourcen besinnen.
Nicht eine sorgfältige Abgrenzung von Aufgaben und Zuständigkeiten,
von Kompetenzen und Ressourcen führt uns weiter. Vielmehr ist
die konkrete Zusammenarbeit der Weg, auf dem stabile, sich gegenseitig
stützende Strukturen musikalischer Bildung entstehen. Diese
können dann nicht nur ihre Aufgabe zugunsten der musizierenden
Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen effizienter wahrnehmen, sondern
auch nach außen hin durchsetzungs- und widerstandsfähiger
sein. Letztlich geht es auch darum, ob man sich unisono
oder jedenfalls im stimmigen Tonsatz Gehör verschaffen kann
oder mit einem kakophonischen Stimmengewirr nur Unverständnis
hervorruft.
So richten wir seitens des VdM an diese Fachtagung klare Erwartungen:
Wir sollten Grundgemeinsamkeiten aufspüren und uns ihrer
versichern.
Wir sollten einen konstruktiven Dialog über Probleme führen.
Lassen Sie uns Beispiele von in der Praxis gut funktionierenden
Modellen der Kooperation sammeln.
Formulieren wir gemeinsam, welchen künftigen Herausforderungen
die Einrichtungen der musikalischen Bildungsarbeit zu begegnen
haben und wer welche Rolle dabei auch für den jeweils anderen
spielen kann.
Wir sollten schließlich zu einem handlungs- und praxisorientierten
Leitfaden finden, den wir an unsere Mitglieder in der Gewissheit
weitergeben können, dass er dort auf fruchtbaren Boden fällt.
Mit der noch nicht ganz verabschiedeten Wiederbelebung und Neukonzeption
der Gemeinsamen Erklärung von VdM und VDS, die
nun aus dieser Perspektive auch die Einbeziehung der
Musikverbände berücksichtigt, haben wir bereits einen
erfreulichen und ermutigenden Schritt getan.
Es sollte uns auf dieser Tagung gelingen, auch der Zusammenarbeit
der Vereinigungen des Laienmusikwesens und der Musikschulen
nun unter Einbeziehung der allgemein bildenden Schulen neue
Perspektiven zu geben. Vom Präsidium des Deutschen Sängerbundes
erreichte uns am 10. Januar ein Vorschlag in eben dieser Richtung,
den wir als willkommenes Startsignal für die Zielsetzung dieser
Tagung interpretieren.
Der VdM würde übrigens auch diese Tagung und insbesondere
ihre Ergebnisse in den Zusammenhang der vom Deutschen Musikrat initiierten
Aktion Hauptsache: Musik gestellt sehen. Denn soll hiervon
überhaupt eine positive Kraft für die Stärkung der
Rolle der Musikerziehung in unserer Gesellschaft ausgehen, dann
müssen die Signale hierfür unbedingt von uns, von den
Akteuren der musikalischen Bildung ausgehen. Wir müssen wissen,
was wir wollen, und wir müssen es gemeinsam wollen.
Rainer Mehlig
Musik in Deutschland
Für Deutsch lernende Musiker, Musik-Interessierte und Kulturwissenschaftler
bietet die Universität Bayreuth vom 2. bis 30. August eine
kombinierte Weiterbildung für Sprache und Musikleben in Deutschland
an. Nähere Informationen und Anmeldung unter Tel. 0921/75 90
70 oder im Netz: www.iik-bayreuth.de