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nmz-archiv
nmz 2001/04 | Seite 53-54
50. Jahrgang | April
Dossier: Laienmusik
Ersparnis von zehn Millionen Mark Sozialabgaben
Gemeinsame Aktivitäten der Verbände erzielen umfassenden
Erfolg · Von Stefan Liebing
Hauptsorge der Musikvereine in der Bundesrepublik ist momentan
die sozialversicherungsrechtliche Behandlung ihrer Dirigenten. Neue
gesetzliche Regelungen haben bei den über 15.000 Vorsitzenden
für Unsicherheit gesorgt: Scheinselbstständigkeit und
Neuregelung der 630-Mark-Jobs, Novellierung des Künstlersozialversicherungsgesetzes
und Statusklärung bei der BfA mancher Ehrenamtliche
wird wider Willen zum Jura-Fachmann. Die Dachverbände der Laienmusik
haben ihre Sorgen im Deutschen Bundestag angesprochen und wurden
gehört: Erfolg auf der ganzen Linie!
Noch unklar ist derzeit, ob Dirigenten als Selbstständige
oder abhängig Beschäftigte zu sehen sind. Obwohl tendenzielle
Aussagen des Bundesarbeitsministeriums (BMA) und der Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte (BfA) vorliegen, die eine Selbstständigkeit
vermuten, ist eine endgültige Entscheidung noch nicht gefallen.
Dies ist aber der einzige offene Punkt in einer ganzen Welle positiver
Entwicklungen.
Sind denn die Dirigenten tatsächlich selbstständig, so
besteht die Frage, ob Musikvereine als Verwerter künstlerischer
Leistungen abgabepflichtig zur Künstlersozialkasse (KSK) werden.
In den vergangenen Monaten waren solche Organisationen mit Bescheiden
von rückwirkenden Zahlungen im fünfstelligen Bereich versehen
worden ein Todesurteil für ehrenamtliches Engagement
in der kulturellen Arbeit der Bundesrepublik!
Im Zuge der geplanten Novellierung des Künstlersozialversicherungsgesetzes
haben die Dachverbände der Laienmusik darauf hingewiesen, dass
eine hohe Rechtsunsicherheit bestehe, ob Vereine abgabepflichtig
seien. Selbst die Gerichte sind darüber uneinig. Als bisher
einziges Urteil ist die als Würzburger Urteil bekannt
gewordene Entscheidung davon ausgegangen, dass eine Abgabepflicht
nicht zu sehen sei. Die Bundesvereinigung Deutscher Blas- und Volksmusikverbände
e.V. (BDBV) hat ihre rund 11.000 Vereine gebeten, einen vorformulierten
Musterbrief an die jeweiligen lokalen Bundestagsabgeordneten zu
schicken und diese darin darauf aufmerksam zu machen, dass in ihrem
Wahlkreis eine akute Bedrohung der Vereinsarbeit bevorstehe. Parallel
hat die BDBV die zuständigen Fraktionsmitglieder und weitere
politische Führungskräfte informiert.
Die so entwickelte Aufmerksamkeit und Dynamik musste nun genutzt
und fortgeführt werden. So konnte die Laienmusikbewegung in
der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
zeigen, wo im Gesetzentwurf Nachbesserungsbedarf besteht. Durch
eine gelungene Vorbereitung war es möglich, den überwiegenden
Teil der Anhörungszeit mit einer Diskussion der Anliegen von
Musikvereinen zu nutzen. Bereits im Anschluss an diese Anhörung
haben alle Fraktionen signalisiert, dass sie für das Problemfeld
sensibilisiert seien und Änderungsvorschläge prüften.
Parallel hat die BDBV die Dachverbände des Musiklebens eingebunden
und um Zustimmung zu ihren Vorschlägen gebeten. Gespräche
mit den Verbänden der Musikwirtschaft, mit der Bundesvereinigung
Deutscher Laienmusikverbände (BDLV) und mit dem Deutschen Musikrat
haben zu einer einheitlichen Linie geführt. Diese Position
war schließlich Gegenstand eines gemeinsam veranstalteten
Parlamentarischen Abends in Berlin, bei dem über 40 Mitglieder
des Deutschen Bundestages noch einmal Gelegenheit zur Information
und Diskussion hatten.
Gespräche mit dem Bundesarbeitsministerium schließlich
deckten auf, dass Differenzen zwischen den Auslegungen im BMA und
bei der KSK bestanden. Ein erster unerfreulicher Bescheid ist inzwischen
zurückgezogen. Eine klarstellende Formulierung im Gesetzestext
und die Darstellung der Behandlung von Musikvereinen in einem gesonderten
Infoblatt soll nun dafür sorgen, dass Vereine mehr Rechtssicherheit
erhalten. Außerdem wird künftig auf regelmäßig
für einen Verein tätige Dirigenten keine Künstlersozialabgabe
mehr fällig. Dem Umstand der bisher bestehenden Unklarheit
soll die KSK nach dem Willen des Kulturausschusses im Deutschen
Bundestag Rechnung tragen, indem Beiträge erst ab einem Stichtag
in der Zukunft erhoben werden und keine rückwirkenden Bescheide
ergehen. So können die Verbände mit der geklärten
Rechtslage umgehen, ihre Mitglieder beraten und Hilfestellungen
geben, damit künftig gerechtfertigte Beiträge korrekt
abgeführt werden, Vereine und ehrenamtlich Tätige aber
nicht über Gebühr belastet werden weder finanziell
noch im organisatorischen Aufwand.
Es zeigt sich also, dass gerade die Laienmusik in der Bundesrepublik
mit ihrer Verankerung in der Fläche die Chance hat, professionelles
Lobbying erfolgreich zu betreiben. Eine wichtige Aufgabe für
die Dachverbände und den Deutschen Musikrat, dies gemeinsam
in flexibler Aufgabenverteilung zu gewährleisten und die notwendigen
Ressourcen dafür bereitzustellen.
In diesem Fall mit dem Erfolg, dass Musikvereine für ihre hoffentlich
künftig generell als selbstständig zu betrachtenden Dirigenten
Sozialabgaben von bis zu zehn Millionen Mark jährlich nicht
bezahlen müssen. Dafür lohnt sich die Arbeit.